Die Ketzerbraut auf Sat.1: Filmkritik zum TV-Event "Die Ketzerbraut"
Skurrilerweise macht der Unterföhringer Sender Sat.1 den reformatorischen Glaubenskonflikt zum Heimatfilm in unserer gegenreformatorischen Herzogstadt, wo erst dreihundert Jahre später der erste Protestant überhaupt Bürgerrecht bekam. Aber schön, dass 1518 unser computeranimiertes München noch unzersiedelt frei auf grüner Wiese steht. Auch hat der spätgotische Dom „Unserer lieben Frau“ noch keine welschen Zwiebelhauben, sondern endet unvollendet stumpf – wie die Kleid-in-Fetzen-Kerkerketten-Erotik der „Ketzerbraut“ (Regie: Hansjörg Thurn).
Schablonenfiguren hektiken durch die Filmkulissen
In den aufwändigen Kulissen hektiken Schablonenfiguren historisch hanebüchen herum. Selbst die „Ketzerbraut“ Veva (sinnlich aufgespritzt: Ruby O. Fee) hält nur kurz still, als sie vom heimlich lutherischen Zorro-Rächer und Freigeistmaler (Christoph Letkowski) gleich mal nackt gemalt wird (allerdings sieht das dann so aus wie Airbrush-Erotik auf einer Manta-Kühlerhaube). Paulus Manker darf als Bischofsaspirant (obwohl München gar nicht Bischofssitz war) unter dem pseudowitzigen Namen Johann von Perlach feist, furchtbar und fies Ketzer jagen, prassen, völlern, huren. Auch die gefährlich lüstern-emanzipierte, falsche Ritterin Walpurga von Gigging (Elena Uhlig) erträgt man nur giggelnd, auch wenn sie Martin Luther (Adrian Topol) persönlich das Schwert an die Gurgel hält. Die Schauspielergagen waren hier allesamt Schmerzensgeld.
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Die Reformationsideen bleiben Beiwerk, auch wenn Luther in Nebensätzen zum wortgewaltigen Pazifist wird, zum Befreier der Frauen, Botschafter der Liebe, Vorreiter für Aufklärung, Gedankenfreiheit und Menschenrechte. Soviel Beweihräucherung hätten nicht einmal die guten Propagandisten der Lutherzeit riskiert.
Am Ende wird – nach zwei Wunderauferstehungen von Veva, wie sie eine katholische Heiligsprechung nicht besser hätte erfinden können - noch das arische Waisenmädchen einem netten Zigeuner und seiner inquisitions-gequälten Sarazenen-Frau entrissen und in eine neue liberal-lutherische Patchworkfamilie integriert. Das alles ist teurer, höllischer Trash, mit der wunderbaren Schlussszene eines Pfaffen-Haberfeldtreibens, wo der dicke Kleriker mit der umarmten Ablasstruhe zu entkommen versucht, ehe er – so ein Mist! - von Dreschflegeln und Mistgabeln niedergemacht wird.
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