AZ-Kurzkritik zu Folge 8: Kommt ein Zwerg in eine Bar

Ein Mann verliert sein Rückgrat, ein Junge hat leider immer noch keins. Und es sollte einen Award für Knaller-Auftritte geben. Die Nachtkritik zur achten Folge der neuen, sechsten Staffel.
von  Anja Perkuhn
Conleth Hill als Varys und Peter Dinklage als Tyrion Lannister in "Game of Thrones".
Conleth Hill als Varys und Peter Dinklage als Tyrion Lannister in "Game of Thrones". © HBO

Vorsicht, Spoiler: Dieser Text enthält kaum bis gar nicht verschleierte Hinweise auf den Inhalt der aktuellen Folge von "Game of Thrones". Wenn Sie "Niemand" noch nicht gesehen haben und nichts verraten bekommen möchten, sollten Sie den Artikel später lesen.

Die sechste GoT-Staffel wird parallel zur US-Ausstrahlung immer in der Nacht auf Montag in Deutschland auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Online veröffentlicht. Wahlweise stehen das englische Original und die deutsche Synchronisation zur Verfügung. Im Fernsehen laufen die Folge der neuen Staffel immer montags um 21 Uhr auf Sky Atlantic.


Was ist passiert?

Die Frage sollte lauten: Wer ist passiert? Die Antwort darauf: Arya Stark. Endlich. Das neue, blutige Gesicht in der Wandelhalle vom Haus von Schwarz und Weiß ist nicht ihres – sondern das der Assassinin, die sie umbringen sollte. Die Schauspielerin Lady Crane hat das Gemetzel um Aryas Identität nicht überlebt, auch wenn (oder eher weil) sie es war, wegen der Arya (Maisie Williams) überhaupt mit den Faceless Men gebrochen hat, Arya selbst ist immer noch recht perforiert von den Dolchstichen der vergangenen Folge und einer über ganz Braavos ausgetragenen jamesbondigen Verfolgungsjagd – aber da steht sie nun vor ihrem Lehrer Jaqen H'ghar und das Gesicht ihrer Widersacherin hängt hinter ihm.

Er bemerkt mit Stolz: „Ein Mädchen ist endlich Niemand.“ Und sie erklärt mit noch mehr Stolz: „Ein Mädchen ist Arya Stark von Winterfell – und ich gehe jetzt nach Hause.“

Richtig schön ist es allerdings nicht dort, Zuhause: Winterfell ist immer noch in der Hand von Obersadist Ramsay Bolton – und ihre Geschwister Jon Snow und Sansa Stark sind dem Ziel einer großen Armee für den Kampf gegen ihn nicht nähergekommen, denn die Armee der Stark-Verbündeten von Riverrun ist an die Krone gefallen: Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) überredet den Gefangenen Edmure Tully, in die Burg seiner Familie zu spazieren und sie kampflos zu übergeben, damit er endlich seine Frau und den ihm bisher unbekannten Sohn wiedersehen kann.

„Die Dinge, die wir aus Liebe tun“, sagt Jaime da in seinem Monolog – ein kleiner Fingernagel-auf-Schultafel-Moment, das hat er doch schon mal gesagt? Genau: Als er in der allerersten Folge Bran Stark aus dem Turmfenster schubste, weil der ihn beim Inzest-Sex mit seiner Schwester Cersei beobachtet hat.

Cersei Lannister (Lena Headey) muss sich in King’s Landing derweil damit herumschlagen, dass einige ihrer Entscheidungen ihr auf die Füße fallen: Als die religiös fanatischen „Spatzen“ sie abholen wollen für ihre Bestrafung, hilft ihr noch der loyale Zombiekrieger Gregor „The Mountain" Clegane: Er reißt ohne größere Anstrengung einem der Kuttenträger den Kopf ab – gleich mit einem größeren Fragment Wirbelsäule daran.

Hier geht’s zur Kritik der siebten Folge

Weil aber Cerseis Sohn, König Tommen, immer noch lieber das Einfache tut als das Mutige, nützt all der Mountain-Muskelschmalz nichts: Sie muss tatenlos zusehen, wie der rückgratlose Blondschopf verkündet, dass aus religiösen Gründen das Prozedere des „Trial by Combat“, also der körperliche Kampf um den Erlass der Schuld, ab sofort verboten ist. Da wird mittelfristig also bei einer Anhörung eine Menge schmutziger Königinmutter-Wäsche gewaschen werden.

Den besten Auftritt der Folge hat übrigens wieder einmal: die Mutter der Drachen. In Mereen versuchen ihre Getreuen, den Laden mit unbestimmtem Verfallsdatum irgendwie zusammenzuhalten. Da taucht am Horizont eine Schiffsflotte auf – praktischerweise, denn die, die Daenarys offiziell gehört, ist ja kürzlich abgebrannt – es müssen die Sklavenbesitzer sein, die ihr Recht zurückfordern.

Da kratzt und raschelt es auf dem Dach der großen Pyramide. Sind es die Angreifer? Ist es der Weihnachtsmann? Nein: Es ist die Khaleesi, offensichtlich sicher gelandet mit ihrem Drachen. Sie muss nicht einmal ein Wort sagen, um einen Knaller-Auftritt daraus zu machen: Zeitlupen-Eintreten, dramatischer Blick – Dany ist wieder da!

Bevor sich bei der kommenden Episode „Der Kampf der Bastarde“ alle auf die große Schlacht um Winterfell konzentrieren, sollte man vielleicht noch schnell diskutieren, einen Sonder-Award für Knaller-Auftritte zu schaffen (wie zum Beispiel diesen oder jenen oder natürlich diesen und eigentlich sollte auch dieser nicht unerwähnt bleiben.

Wer ist in dieser Folge gestorben?

Abgesehen vom ent-kopften Mönch und der ent-gesichteten Assassinin: alle Männer, die das gerade erlangte Glück von Sandor „The Hound“ Clegane zerstört haben. Die nicht sehr disziplinierten Mitstreiter der Bruderschaft ohne Banner haben alle folgsamen Bewohner des kleinen Dorfes ermordet, in dem er gerade anfing, seinen Seelenfrieden als Holzhacker zu finden – die friedvolle Axt sieht in anderem Kontext aber gleich etwas brutaler aus. Zwei Köpfe trennt sie ab, landet in einer Brust und einem Schritt. Die anderen drei Männer sterben – enttäuschend für den Hound – durch Erhängen, verurteilt von ihrer eigenen Bruderschaft.

Immerhin darf er zwei der Podeste umschubsen, auf denen sie stehen, und während der Anführer noch am Strick zappelt, schnappt er sich dessen Stiefel und tauscht sie gegen seine eigenen. Ab sofort zieht er also mit der Bruderschaft durch die Lande. Nicht mehr gewaltfrei, aber das dafür im Namen des Herrn.

Wem hätten wir eher den Tod gewünscht?

Man traut es sich kaum, es laut zu sagen, denn erfahrungsgemäß ist das Leben in den Sieben Königreichen trügerisch und ebenso der Tod, aber: Diesmal scheint es nur Menschen getroffen zu haben, die es verdienten. Und um den Rest wird sich die Zeit kümmern.

Unterm Strich: Mehr Haut oder mehr Blut?

Keine Brust weit und breit, denn die Lage (= die Staffel) spitzt sich zu. Dass es weniger wird mit der Gewalt, davon ist nicht auszugehen: Es steht das traditionelle große Drama an, das bei „Game of Thrones“ jeweils in der neunten Folge diverse Kinnladen nach unten fallen lässt und viel Düsternis mit sich bringt. In diesem Fall wird es die Schlacht um Winterfell sein.

Die Poesie der Folge?

Kommen ein Zwerg, ein Eunuch und eine Übersetzerin in eine Bar: Während Daenarys Targaryen noch in unbekannten Landen unterwegs ist, versuchen Tyrion Lannister (Peter Dinklage), Grey Worm (Jacob Anderson) und Missandei (Nathalie Emmanuel), sich möglichst sinnvoll zu betätigen. Zumindest die beiden Letzteren versuchen das. Tyrion gießt wie gehabt Wein in sich hinein. Und kommt irgendwann auf die Idee: Das sollten sie jetzt alle tun und sich dabei Witze erzählen.

Freudig-ausgelassen gelacht wird selten in „Game of Thrones“, egal wie billig also das Scherzlein ist, das Missandei erzählt und wie zotig der Spruch von Grey Worm: Hach, ist das schön.

Der beste Spruch?

Der umtriebige Varys (Conleth Hill) verlässt Mereen, um in Westeros neue Verbündete zu suchen für den Thron-Anspruch der Drachenmutter. Einen richtigen Abschied bekommen er und Tyrion natürlich nicht hin, dafür steht beiden der Sarkasmus zu nah an der Kragenlinie (auch wenn die beim Einen deutlich niedriger liegt als beim Anderen).

„Von hier aus gehe ich allein“, sagt Varys. Ich kann nicht zu einer geheimen Mission aufbrechen in Begleitung vom berühmtesten Zwerg der Stadt.“ Er wendet sich ab, Tyrion schaut ins Leere. „Varys!“, ruft er ihm doch noch hinterher. Der dreht sich um. „Der berühmteste Zwerg der Welt!“ Der Meister der Flüsterer lächelt.

Wer ist dem Iron Throne aktuell am nächsten?

Da von den geheimen Widerstandsplänen von Königin Margaery bisher nichts zu sehen ist, hat der High Sparrow die Hauptstadt von Westeros weiterhin fest in der Hand. Doch es gab ja schon einmal einen Targaryen, der die Metropole und den Thron mit drei Drachen in seine Gewalt gebracht hat – und Dany ist schon auf halbem Weg.

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