AZ-Kurzkritik zu Folge 6: Ein Mädchen entscheidet sich

Schwiegereltern-Besuche sind auch in Westeros unangenehm, eine neue Allianz beginnt und zwei verloren geglaubte Menschen kehren zurück. Die Nachtkritik zur sechsten Folge der neuen, sechsten Staffel.
von  Anja Perkuhn
Mehr als die Hälfte ist schon wieder rum: Die AZ-Nachtkritik zur sechsten Folge der sechsten Staffel Game of Thrones
Mehr als die Hälfte ist schon wieder rum: Die AZ-Nachtkritik zur sechsten Folge der sechsten Staffel Game of Thrones © HBO

Vorsicht, Spoiler: Dieser Text enthält kaum bis gar nicht verschleierte Hinweise auf den Inhalt der aktuellen Folge von "Game of Thrones". Wenn Sie "Blut von meinem Blut" noch nicht gesehen haben und nichts verraten bekommen möchten, sollten Sie den Artikel später lesen.

Die sechste GoT-Staffel wird parallel zur US-Ausstrahlung immer in der Nacht auf Montag in Deutschland auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Online veröffentlicht. Wahlweise stehen das englische Original und die deutsche Synchronisation zur Verfügung. Im Fernsehen laufen die Folge der neuen Staffel immer montags um 21 Uhr auf Sky Atlantic.


Was ist passiert?

Eine dritte Chance wird es nicht geben, das weiß Arya Stark (Maisie Williams), das hat ihr der gesichtslose Jaqen H'ghar eindrücklich genug gesagt. Also führt im Grunde nichts daran vorbei, dass die junge Azubi des Hauses von Schwarz und Weiß sich ihre Haare wieder zu Prinzessin-Leia-Gedächtnisknötchen dreht und als Austern-und-Muschel-Verkäuferin getarnt den Auftragsmord an Schauspielerin Lady Crane zu Ende bringt.

Aber auf Regeln hatte Arya ja noch nie Lust, und offenbar hat sie ihr Herz für die unschuldig wirkende Dame entdeckt: Noch Sekunden vorher hat sie selbst ein kleines Fläschchen Gift in deren Rum gegossen, aber bevor das Glas mit dem Gebräu die Lippen von Lady Crane berührt, schlägt sie es ihr aus der Hand. Ein Mädchen hat sich also entschieden – und kramt auch prompt das Schwert Needle wieder hervor, das sie eigentlich hatte loswerden sollen, um wirklich ein Niemand zu werden.

Puh, Schluss mit der ganzen Testerei und nie wieder dieses alberne Stocktraining mit der extrem unfröhlichen Mitarbeiterin des Hauses von Schwarz und Weiß! Allerdings hat die jetzt einen Mordauftrag vom Chef bekommen. Ziel: Arya Stark. „Lass sie nicht leiden“, gibt Chefausbilder Jaqen H'ghar ihr mit auf den Weg.

Währenddessen müssen der Jon-Snow-Vertraute Samwell Tarly (John Bradley-West) und Wildling-Freundin Gilly (Hannah Murray) ebenfalls einen Test ablegen: erster Besuch vom – eigentlich verbannten – Sohnemann mit seiner neuen Freundin im Haus Tarly. Und das kann natürlich auch in Westeros richtig unangenehm werden, vor allem, wenn der Herr des Hauses ein Rassist ist, der Wildlinge nicht an seinem Tisch duldet.

Die beiden fliehen ziemlich schnell, im Gepäck das schicke Kleid, das Sams Schwester Gilly für den Abend geliehen hat, und (das wird sich mittelfristig wahrscheinlich noch praktischer erweisen, als ersteres) ein Schwert aus dem Familienbesitz, das aus Valyrischem Stahl gefertigt ist. Und mit dem kann man ja White Walker in die Ewigen Jagdgründe zurückschicken.

Und wer auf den Gang der Buße von Margaery Tyrell (Natalie Dormer) gewartet hat, wird erleichtert – oder enttäuscht – sein: Sie wird weder kahlgeschoren noch ausgezogen noch bespuckt oder mit vergammelten Lebensmitteln beworfen wie ihre Schwiegermama Cersei Lannister (Laura Headey). Deren Zwillingsbruder und Tommens tatsächlicher Vater Jaime Lannister ist also zwar sehr publikumswirksam aber sinnloserweise mit der königlichen Garde vor dem Sitz der militanten Religiösen aufmarschiert und mit seinem weißen Pferd eine Treppe hochgaloppiert wie ein Märchenprinz. Der Kindskönig Tommen hat sich nämlich etwas ausgedacht (auch wenn die Idee sicherlich nicht aus seinem kleinen Köpfchen kam): eine neue, gestärkte Allianz zwischen den „Spatzen“-Fanatikern und der Krone.

Was, zweifelt da gerade jemand daran, dass das eine gute Idee ist? Sofort ab in den Kerker!

Lesen Sie hier: So war die fünfte Folge

Wer ist in dieser Folge gestorben?

Tatsächlich niemand – aber die Zuschauer erfahren, dass Benjen Stark so-etwas-wie-tot ist. Der jüngere Bruder des früh geköpften Ned Stark ging uns in der ersten Staffel von „Game of Thrones“ im kalten Norden verloren, nun taucht er wieder auf als dunkler, mysteriöser Reiter, und rettet seinen Neffen Bran und dessen Begleiterin Meera vorm untoten Gefolge der White Walker. Genau die haben ihn offenbar in der ersten Staffel getötet, als er einfach von der Bildfläche verschwand.

Aber die Kinder des Waldes, die Bran und Meera während Brans Dreiäugige-Krähe-Schulungen betreut haben, hatten offenbar Magie zur Hand, um ihn zumindest ein bisschen zurückzuholen. Auch wenn Benjens Gesicht höchstens noch taugt für ein „Vorher“-Foto in einer Werbung für Gesichtscreme: immerhin ein weiterer Verbündeter.

Wem hätten wir eher den Tod gewünscht?

Walder Frey (David Bradley) hat sich in Erinnerung gerufen – der Gastgeber der unheilvollen und tödlichen „Red Wedding“, bei der unter anderem der ambitionierte Robb Stark, seine Frau und das ungeborene Kind und Catelyn Stark starben, obwohl sie unter dem Schutz des Gastgebenden standen. Frey ist motzig: Er will die Macht über die Riverlands zurückhaben. Und dass man diesem Mann dabei kein Glück wünschen möchte, daran erinnert er selbst nochmal: Er lässt sich den in Ketten gelegten Edmure Tully vorführen – den Mann, der bei der Red Wedding das zweifelhafte Glück hatte, den Part des Bräutigams zu spielen und über dessen Verbleib man schon länger gerätselt hatte.

Unterm Strich: Mehr Haut oder mehr Blut?

Kein Gang der Buße – also auch keine religiös und politisch inszenierte Nacktheit. Und auch der große Blutrausch ist ausgeblieben. Diese Lieber-reden-als-handeln-GoT legt ein paar Grundsteine für (hoffentlich) bevorstehende größere Ereignisse.

Die Poesie der Folge?

Arya Stark hat gerade das nun leere Giftfläschchen verstaut, da trifft sie auf dem Rückzug das potenzielle Opfer. Lady Crane erkennt sie wieder, plaudert nett darüber, wie sehr die Schauspielerei sie schon als Mädchen fasziniert hat und sie mit den Künstlern durchgebrannt ist. Und du?, fragt sie Arya, die sich mit einem falschen Namen vorgestellt hat, damit sie den Auftrag von Jaqen H'ghar ausführen kann, um endlich Niemand zu werden, „tust du gern so, als wärst du jemand anders“?

Hier geht’s zur Kritik der vierten Folge

Der beste Spruch?

König Tommen hat die neue Allianz ausgerufen und steht mit seiner Frau Margaery auf der Freitreppe, Jaime hat die Tiefe dieser Entscheidung schon verstanden (allerdings sicher nicht, dass Tommen ihn aus der King’s Guard entlassen und nach Riverrun schicken wird), aber Margaerys Vater – der zwar ein eigenes Pferd für den Angriff bestiegen hat, das aber von einem Soldaten am Zaumzeug geführt werden muss – Mace Tyrell begreift noch nichts. „Was passiert denn?“, fragt er tumb. Olenna Tyrell (Diana Rigg) zischt ihn mit maximal kaltem Hass an: „Er hat uns besiegt. Das ist passiert.“

Wer ist dem Iron Throne aktuell am nächsten?

Die religiösen Fanatiker haben King’s Landing und nun auch das Königspaar fest in der Hand. Aber die letzte Szene der Folge gehört wieder einmal der goldhaarigen Daenerys Targaryen. Sie ist gerade mit dem Reitervolk der Dothraki unterwegs gen Meereen und/oder Welteroberung, da taucht der lange verschwundene Lieblingsdrache Drogon wieder auf. Es dauert nicht lange, da sitzt die Eroberin auf seinem Rücken – und gibt den Dothraki eine Attacke-Ansprache, die Mel Gibson in „Braveheart“ hätte vor Neid unter der blauen Schminke erblassen lassen. „Folgt ihr mir, jetzt und für immer?!“ Der Rest ist angriffslustiges Geheul.

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