Wladimir Klitschko: "Ich kämpfe für die Ukraine"

Der Box-Weltmeister trainiert für seinen nächsten WM-Kampf – doch in Gedanken befindet er sich auf bei seinem Bruder Vitali. Im AZ-Interview spricht er über die Lage in seiner Heimat und Russland.  
Matthias Kerber |
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Wladimir Klitschko beim Sparring im Traingslager im Stanglwirt in Going.
dpa Wladimir Klitschko beim Sparring im Traingslager im Stanglwirt in Going.

Der Box-Weltmeister trainiert für seinen nächsten WM-Kampf – doch in Gedanken befindet er sich auf bei seinem Bruder Vitali. Im AZ-Interview spricht er über die Lage in seiner Heimat und Russland.

AZ: Herr Klitschko, Sie befinden sich gerade Trainingslager und bereiten sich im Stanglwirt auf Ihre Titelverteidigung gegen Alex Leapei am 26. April vor. Können Sie sich mit den sich überschlagenden Ereignissen in Ihrem Vaterland Ukraine überhaupt richtig auf den Kampf konzentrieren?

WLADIMIR KLITSCHKO: Das ist eine gute Frage, eine schwere Frage. Ich würde es so sagen: Ich bin mit dem Körper hier und auch voll bei der Sache. Aber mein Kopf, der ist in der Ukraine, bei den Menschen dort, die teilweise um ihr Leben, um ihr Überleben kämpfen.

Und Ihr Herz?

(lacht) Das ist eine noch schwerere Frage! Mein Herz ist an beiden Orten gleichzeitig. Ich betreibe meinen Sport mit vollem Herzblut, bin aber auch von ganzem Herzen Ukrainer. Ich hoffe, dass ich mit dem Kampf den Leuten daheim für einige Momente Glücksgefühle bescheren kann, dass sie für einige Momente all die schrecklichen Ereignisse vergessen. Dieser Kampf ist auch für die Ukraine.

Ihr Bruder Vitali, der ja der Chef der Partei Udar in der Ukraine ist, hat Sie kürzlich hier besucht. Wie viele Sorgen machen Sie sich denn dieser Tage um ihn?

Ich bin in großer Sorge um mein Land, die Menschen dort und natürlich besonders meinen Bruder. Aber es ist nicht so, dass ich vor Angst vergehe. Vitali weiß genau was er tut, er steht für seine Überzeugung, seine Werte ein. Dafür ist er auf die Barrikaden gegangen, so wie abertausende Ukrainer. So wie ich es getan hätte, wenn ich in dem Moment vor Ort gewesen wäre. Ich war oft und lange dort. Bis zum 25. Februar andauernd, bis mein Trainingslager begann. Ich war da, als nur auf paar hundert Menschen auf dem Maidan waren, ich war da, als eine halbe Million Menschen demonstrierten.Man versucht im Moment die Spaltung der Ukraine in Ost und West voranzutreiben. Aber wir sind ein Volk, wir gehören zusammen. Das hat man bei der Fußball-EM 2012 in unserem Land gesehen. Wir haben zusammen gejubelt über Erfolge, wir haben zusammen getrauert und geweint über Niederlagen. Da gab es keine Spaltung in Ost und West. So wird es wieder werden!

Glauben sie das wirklich? Russland treibt die Trennung der Ukraine ja gewaltig voran, jeden Tag gibt es separatistische Übergriffe.

Ich sehe beim Verhältnis der Ukraine zu Russland viele Parallelen zu der Beziehung zweier Brüder. Es gibt einen großen und einen kleinen Bruder, aber deswegen darf doch der Größere den Kleineren nicht zwingen, Dinge zu tun, die er nicht will. Jeder hat seine eigene Meinung, seinen eigenen Charakter. Auch und gerade als Bruder muss man den anderen respektieren, seine Grenzen, seine Freiheiten anerkennen. Uns verbindet doch alle mehr als uns trennt.

Im Moment gibt es aber mehr Dinge, die die Menschen in der Ukraine trennen als verbinden. Am Dienstag gab es Parlament mal wieder üble Schlägereien unter den Abgeordneten.

Es ist schmerzhaft, das zu sehen. Das Schlimme ist, man hat sich schon fast dran gewöhnt, dass dies bei uns passiert. Eines ist klar, Gewalt – in welcher Form auch immer – hat in der politischen Auseinandersetzung nichts, aber auch gar nichts, verloren. Politik ist Sache des Wortes, des Dialogs, der Diplomatie, nicht der Gewalt. Ich hoffe, ich habe das zum letzten Mal sehen müssen, denn dafür muss man sich schämen. Vitali würde sich nie an so etwas beteiligen. Er war zwar Boxer, aber nie ein Mann der Gewalt.

Warum hat er seine Kandidatur für das Präsidentenamt zurückgezogen und unterstützt nun Petro Poroschenko?

Vitali tut das, damit unser Land bei der Präsidentenwahl nicht weiter zerrissen wird, damit sich die demokratischen Kräfte bündeln. Vitali kämpft für die Ukraine, nicht für Vitali. Ich unterstütze seine Entscheidung und ihn zu hundert Prozent. Ich würde ihn nicht unterstützen, wenn er ein Verbrecher wäre. Da wäre die Bande des Blutes nicht dicker als alles andere. Vitali könnte problemlos ein sorgenfreies Leben führen, er müsste nicht sich, sein Ansehen, seine Gesundheit riskieren – aber er tut es. Die Ukraine ist seine Herzensangelegenheit, für die kämpft er genau so hart wie früher im Ring. 

 

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