Klitschko exklusiv: "Mir droht die Verhaftung"

Ex-Profiboxer Vitali Klitschko über seinen Kampf auf Kiews Straßen, die drohende Verhaftung, Präsident Janukowitsch und wie es in der Ukraine jetzt weiter geht.      
Matthias Kerber |
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Vitali Klitschko versucht, bei Massenprotesten am Sonntag in Kiew die aufgebrachte Menge zu beruhigen. Dabei kam es zu Ausschreitungen.
dpa Vitali Klitschko versucht, bei Massenprotesten am Sonntag in Kiew die aufgebrachte Menge zu beruhigen. Dabei kam es zu Ausschreitungen.

Ex-Profiboxer Vitali Klitschko über seinen Kampf auf Kiews Straßen, die drohende Verhaftung, Präsident Janukowitsch und wie es in der Ukraine jetzt weiter geht.

Kiew - Der 42-jährige ehemalige Box-Weltmeister Vitali Klitschko, ist Vorsitzender der Oppositions-Partei Udar, der drittstärksten Partei der Ukraine. Hier äußert er sich im AZ-Interview.

AZ: Herr Klitschko, am Sonntag kam es in Kiew zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen abertausenden Demonstranten auf der einen Seite und der ukrainischen Staatsmacht auf der anderen Seite. Sie, einer der führenden Oppositionspolitiker der Ukraine, stellten sich zwischen die Fronten, versuchten das Schlimmste zu verhindern.

VITALI KLITSCHKO: Es war eine ganz, ganz schwierige Situation. Die Situation ist derart aufgeladen, derart explosiv. Seit Monaten werden die Wünsche und Forderungen des ukrainischen Volkes mit Füßen getreten, was sich hier abspielt, ist an der Grenze zum Bürgerkrieg. Ich habe versucht, ein Blutvergießen zu verhindern. Ich habe aber nur zum Teil Erfolg gehabt. Die Aggression, die Wut, der Frust sind einfach zu groß. Gewalt ist sicher nie eine Lösung. Aber das ukrainische Volk ist schon zu lange belogen und betrogen worden. Die Lage ist hochgefährlich.

Und Sie mittendrin....

Ich habe nur mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, versucht zu verhindern, dass die Situation noch weiter eskaliert. Ja, es war eine gefährliche Situation.

Wie geht Ihre Familie, Ihre Frau damit um, dass Sie sich derart in Gefahr begeben?

Natürlich herrscht da große Sorge. Aber ich kann für mich nur sagen: Mein persönliches Schicksal ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig, es geht um das Schicksal einer Nation, eines Volkes. Die Ukrainer haben mehr als berechtigte Forderungen, doch was macht der Staatspräsident? Anstatt auf sein Volk zuzugehen, geht er auf sein Volk los. Er hat menschenverachtende Gesetze erlassen, die sein Volk mit harten Strafen bedrohen, falls sie demonstrieren, die ihnen mit Haft drohen, falls sie auf öffentlichen Plätzen Bühnen erbauen. All diese Gesetze sind eklatante Verstöße gegen die Menschenrechte. Ich habe schon vor Monaten gewarnt, dass wir uns in der Ukraine auf eine Diktatur zu bewegen. Sanktionen statt Dialog, das sind die Mittel dieses Präsidenten. Deswegen sind unsere Forderungen ja auch so klar: Es muss vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geben, das absolute Minimum ist, dass diese Regierung abtritt.

Sie bewegen sich auf öffentlichen Plätzen, Sie demonstrieren. Das heißt: Ihnen droht auch ganz persönlich die Verhaftung?

Ja. Das droht uns allen. Ich bin hier einer von vielen. Und jedem hier droht die Verhaftung. Das ist die Realität, mit der wir hier leben.

Es gibt ein Treffen zwischen dem Präsidenten und der Opposition.

Ich habe mich gezwungenermaßen schon am Sonntagabend mit dem Präsidenten getroffen. Er kennt die Forderungen der Ukrainer. Aber ich denke, all das, was wir hier sehen, das sind nur Maßnahmen, um Zeit zu gewinnen. Viktor Janukowitsch will auf Zeit spielen, weil er glaubt, dass der Protestbewegung die Luft ausgeht. Aber das ukrainische Volk hat einfach genug, von der unglaublichen Korruption, von den vielen leeren Versprechungen. Es gibt nicht wenige unter den Demonstranten, die sagen: Was habe ich schon zu verlieren? Wie schwer Menschen, die derart desillusioniert sind, zu kontrollieren sind, haben wir am Sonntag gesehen.

Wenn man Ihnen so zuhört, scheinen Sie nicht zu glauben, dass der Präsident den Forderungen der Ukrainer nachkommt.

Wer viele Hoffnungen hat, muss meist große Enttäuschungen erleben. Und wer erlebt hat, was hier seit langem abgeht, der hat sicher nicht viele Hoffnungen.

Wie denken Sie, dass es jetzt weitergeht in der Ukraine?

Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich kann nur hoffen und beten, dass die Situation nicht weiter eskaliert. Wir befinden uns auf einem Pulverfass.

 

 

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