Wilfried Sauerland im AZ-Interview über die Zukunft von Arthur Abraham
Wilfried Sauerland (77) ist der Chef des Sauerland-Boxstalls, der Henry Maske und Axel Schulz groß gemacht hat. Zu seinen momentanen Schützlingen gehört Ex-Champion Arthur Abraham.
AZ: Herr Sauerland, in der Nacht auf Sonntag wurde Ihr Schützling, Ex-Boxweltmeister Arthur Abraham, von seinem Gegner Chris Eubank jr. regelrecht vorgeführt. Wie sieht es mit Ihrer Gefühlslage aus? Wut? Enttäuschung? Mitleid?
WILFRIED SAUERLAND: Ich bin über alle Maßen enttäuscht. Dass Arthur es wieder einmal nicht geschafft hat, in einem großen Kampf seine Leistung zu bringen, geht mir nicht in den Kopf. Ich war sicher, dass er in der letzten Runde mal alles auf eine Karte setzt und versucht, den Kampf mit einem Volltreffer noch zu drehen.
Davon war nichts zu sehen.
Gar nichts! Es wirkte so, als sei er sogar zufrieden, nicht ausgeknockt worden zu sein. Es tat weh, das mitanzusehen. Ich glaube, dass noch nie Arthurs boxerische Limitiertheit und Eindimensionalität derart offenbart wurden. Ihm ist es ja in all den Runden nie gelungen, ein einziges Mittel zu finden, damit er nicht diese vielen, vielen Schläge von Eubank nehmen musste.
Abrahams Trainer Ulli Wegner urteilte danach harsch: "Arthur hat kein Herz mehr!"
Dem muss ich widersprechen. Wer gesehen hat, wie viele Schläge Arthur ein- und weggesteckt hat, kann ihm das Herz nicht absprechen. Vielleicht die boxerische Klasse in diesen Momenten, aber nicht das Herz. Ich muss zugeben, dass ich selber in der achten, neunten Runde daran gedacht habe, dass man das Handtuch werfen sollte. Aber irgendwie habe ich gehofft, dass Abraham noch einen Schlussspurt hinlegt, wie er es ja so oft in seiner Karriere getan hat, als er verloren geglaubte Kämpfe noch gewonnen hat. Leider kam nichts.
Letztlich muss man sagen, dass sich Arthur mit seinem mangelnden Trainingsfleiß immer selber im Weg stand.
Mich hat es sehr geärgert, dass er es bei diesem Kampf nicht geschafft hat, das Gewichtslimit gleich zu bringen. Da fehlt einfach das letzte bisschen Professionalität, das letzte bisschen Disziplin. Arthur soll ja zwei Stunden vorher noch das Gewicht gehabt haben. Da nimmt man als Boxer halt dann mal einen Schluck Wasser. Arthur trinkt dann aber eben gleich eine ganze Flasche aus.
Warum versagt Abraham immer wieder bei den großen Kämpfen im Ausland? Seine Leistung vor einem Jahr in Las Vegas gegen Gilberto Ramirez war eine Bankrotterklärung.
Das stimmt. Ich war an dem Abend nicht vor Ort. Was man mir aber erzählt hat, und die paar Runden, die ich nachher auf Video gesehen habe, waren erschütternd. Schlicht katastrophal! Dagegen war sogar die Darbietung gegen Eubank eine große Steigerung. Arthur scheint ein Kopfproblem zu haben, dass er bei diesen Kämpfen eine Blockade hat.
Abraham ist 37. Auf Weltklasse-Niveau kann er nicht mehr mithalten. Ist es nicht an der Zeit, die Karriere zu beenden?
In diese Entscheidung werde ich mich nicht einmischen. Wenn er weitermachen sollte, was ich ihm nicht unbedingt raten würde, gibt es nur zwei Optionen in meinen Augen: Entweder einen Abschiedskampf gegen einen Gegner bestreiten, den er gut bezwingen kann, um mit einem Sieg abzutreten – oder sich mit unserem Weltmeister Tyron Zeuge in einem deutschen Duell noch einmal zu messen.
Was würden Sie ihm raten, wenn er Ihr Sohn wäre?
Als Arthurs Vater würde ich sagen: Hör auf! Ich glaube jedoch nicht, dass er auf mich hören würde. Aber es geht hier um Boxen. Da kann es immer sein, dass der eine Kampf, den man bestreitet, der eine Fight zu viel ist.
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