„Wie auf Stelzen“

AZ: Herr Teuber, vor kurzem haben Sie Ihren 49. Geburtstag gefeiert. Für einen aktiven Profi-Sportler schon ein beachtliches Alter.
MICHAEL TEUBER: Das stimmt, aber in der vergangenen Saison habe ich in Rio nochmal Höchstleistungen abgerufen und meine Karriere-Bestleistung geschafft. Deshalb muss ich sagen: Absolute Leistungsfähigkeit ist auch mit 49 noch möglich, wenn man dranbleibt. Gerade im Parasport gibt es noch die ein oder andere Lücke, die ich zu nutzen versuche. Ich will meine Möglichkeiten optimal ausnutzen und an meine Grenzen gehen.
Deshalb auch Ihre Leidenschaft fürs Bergsteigen? Für einen inkomplett Querschnittsgelähmten ja doch ein ungewöhnliches Hobby...
Mich haben Berge schon immer fasziniert. Vor 20 Jahren hab ich dann einfach mit 3000ern angefangen und mich langsam rangetastet. Irgendwann ist man süchtig nach diesem Gipfel-Erlebnis. Das habe ich auf dem El Teide in Spanien ganz intensiv gespürt. Wenn du dir selbst Ziele steckst und die erreichen willst: Dafür steht für mich ein Gipfel. Das hat eine gewisse Symbolkraft.
Am Sonntag starten Sie nach Ecuador. Sie wollen mit einer Gruppe Bergsteigern auf den Chimborazo, einen erloschenen Vulkan mit 6300 Metern Höhe.
Der Chimborazo galt lange als der höchste Berg der Welt. Und in gewisser Weise ist er das immer noch. Denn aufgrund der elliptischen Form der Erde ist der Gipfel des Chimborazo der am weitesten vom Erdkern entfernte Punkt. Ich hätte mir zig 6000er in Südamerika aussuchen können. Es hätte auch höhere Berge gegeben, die für mich noch machbar wären. Aber das wäre dann eben irgendeiner gewesen.
Kaum ein gesunder Mensch steigt auf einen 6000er. Wie viel schwerer ist es für Sie?
Ich tu’ mich natürlich viel schwerer als jemand, der sich normal in den Bergen bewegen kann. Weil ich kein Gefühl in den Füßen habe, muss ich bei jedem Schritt den Untergrund ertasten, eine Sichtkontrolle machen. Das ist so, als würde man auf Stelzen gehen. Für den Chimborazo habe ich mir jetzt eine Kombination aus Wanderstock und Eispickel besorgt. Die oberen 1000 Meter sind ja komplett vergletschert. Aber es sind trotzdem einige Risiken dabei, vor denen ich Angst habe.
Welche denn?
Die Kälte. Meine Unterschenkel kann ich ja nicht bewegen. Darum sind auch meine Füße schlechter durchblutet und ich spüre ja auch nicht, was da passiert. Gerade die Gefahr von Erfrierungen macht mir schon ein Stück weit Sorgen. Das versuche ich durch gute Ausrüstung und perfekte Vorbereitung zu verhindern. Zuletzt haben wir auf den Gletschern in Österreich intensiv trainiert. Trotzdem warten am Äquator andere Herausforderungen. Darum spielt auch die Akklimatisierung eine große Rolle. Wir steigen in Quito aus dem Flugzeug, auf 3000 Metern Höhe, gewöhnen uns an die Bedingungen und steigen erst nach vier Tagen ins Basis-Camp. Von dort aus unternehmen wir weitere Eingewöhnungstouren, bevor wir den Aufstieg wagen.
Für Sie alleine wäre diese Expedition nicht möglich, oder?
Nein, ich werde zum Glück von meinen Sponsoren unterstützt. Und ich bin froh, dass Thilo Komma-Pöllath mich begleitet, mein Freund und Co-Autor meiner Biografie.
Geht es bei dieser Tortur nur um Ihre eigene Erfahrung oder wollen Sie damit auch etwas deutlich machen?
Eine Botschaft steckt schon dahinter. Jeder soll sehen: Alles ist möglich. Und ich setze mich ja schon lange für Gleichberechtigung im Sport ein. Thilo und ich geben so gesehen ein gutes Beispiel für Inklusion: Ein behinderter Sportler und ein unversehrter Nicht-Athlet bezwingen gemeinsam einen Gipfel.
Und was sagt Ihre Frau zu diesem Trip?
(lacht) Ja gut, die kennt mich und weiß, dass sie mich nicht aufhalten kann. Aber sie weiß auch, was ich schon geschafft habe und traut mir das zu.