Türkgücüs Kothny im AZ-Interview: "Ich werde im deutschen Fußball ernst genommen"
AZ: Herr Kothny, sportlich gesehen war das 0:3 gegen Rostock am Montagabend bestimmt ärgerlich, aber Sie als Geschäftsführer haben nun zumindest Planungssicherheit für die nächste Saison. Denn ein Aufstieg ist kaum noch zu realisieren. . .
MAX KOTHNY: Naja, man spielt nicht unbedingt in der Dritten Liga, um möglichst schnell Planungssicherheit zu bekommen. Aber es stimmt schon: Irgendetwas Positives - neben den ersten 30 Minuten - muss man ja aus diesem Spiel mitnehmen (lacht).
Türkgücü Spieleretat befindet sich im Ligavergleich in der unteren Hälfte
Ihr Präsident und Geldgeber Hasan Kivran bleibt nach seiner Abschiedsankündigung doch weiter an Bord. Genau darin sieht Ralf Becker, Ihr Kollege von Dynamo Dresden, jedoch ein Problem. Sein Vorwurf: Investorenklubs wie Türkgücü würden die Gehälter in der Liga nach oben treiben.
Dynamo hat bei fast gleicher Kaderstärke etwa den doppelten Spieleretat wie wir. Ich denke, das macht deutlich, wer in der Liga die Gehälter nach oben treibt. Unser Spieleretat befindet sich im Ligavergleich in der unteren Hälfte.
Vor ein paar Tagen erst haben Sie Ihr Einjähriges als Türkgücü-Geschäftsführer gefeiert. In diese Zeit fielen der Aufstieg in die Dritte Liga, der Pokal-Streit mit dem DFB, zwei Trainer- und beinahe zwei dutzend Spielerwechsel, das Kivran-Beben, das für den Verein beinahe das Aus bedeutet hätte - und das alles noch eingerahmt von der Corona-Pandemie. Schocken kann Sie mittlerweile nichts mehr, oder?
Nicht zu vergessen die Themen Kurzarbeit und Gehaltsverzicht der Spieler im vergangenen Sommer oder die Frage, in welchem Stadion wir spielen können - ja, es ist wirklich unfassbar viel passiert in dieser Zeit. Deshalb kann ich mir für die Zukunft eigentlich keine Situation vorstellen, in der ich nicht wüsste, wie ich handeln soll (lacht). Das erste Jahr war eine sehr gute Schule für mich.
Kothny ist der jüngste Manager eines Fußball Profi-Klubs
Ihre größte Baustelle bislang?
Definitiv die Lizenzierung für die Dritte Liga 2020/2021. Wenn du monatelang Tag und Nacht an einem Projekt arbeitest und die ganze Zukunft des Vereins an dir, einem völligen Neuling in dem Amt, hängt, das ist schon eine ganz spezielle Drucksituation.
Als Deutschlands jüngster Manager (24) eines Profi-Klubs fehlt ihnen vor allem Erfahrung - kein ganz unwesentlicher Faktor in der Branche.
Wenn man als damals noch 23-Jähriger in solch schwierige Situationen kommt, dann musst du schon Extraschichten einlegen, denn du willst ja insbesondere bei deinen ersten Entscheidungen nichts falsch machen. Am Anfang geht es vor allem darum, sich ein Standing aufzubauen - und das muss sitzen, schließlich gehe ich ja in dem Geschäft mit Vollprofis um, die schon lange wissen, wie der Hase läuft.
Kothny schreibt bald seine Bachelor-Arbeit im Fußball-Management
Werden Sie aufgrund Ihres Alters von Ihren Gesprächspartnern oftmals nicht ernst genommen?
Klar. Zum Beispiel Rainer Koch (BFV-Präsident, d. Red.) oder Reiner Maurer (Ex-Türkgücü-Trainer, d. Red.) haben mich ja öffentlich als den Handlanger von Hasan Kivran bezeichnet. Aber das stört mich nicht, denn ich versuche dann immer, mit Leistung zu überzeugen. Und ich denke spätestens seit dem Pokal-Streit mit dem DFB, wo es ja viel Gegenwind für uns gab, werde ich im deutschen Fußball sehr wohl ernst genommen.
Lizensierungsverfahren anzuschieben, Spielerverträge auszuhandeln, der Umgang mit Sponsoren, Verbänden und Kommunen - so etwas lernt man nicht im Abendstudium.
Geholfen hat mir sicherlich, dass ich nebenher noch Fußball-Management an der FHAM in Ismaning studiere. Dafür bleibt mir aktuell natürlich kaum Zeit, aber jetzt muss ich eh nur noch meine Bachelor-Arbeit schreiben. Dazu gibt es übrigens eine lustige Anekdote.
"Im Moment ebne ich mir mit Türkgücü meine und unsere Zukunft"
Wir sind gespannt. . .
Der bei der Lizenzierung für die Dritte Liga zuständige Zulassungsleiter beim DFB, Jens Futterknecht, war auch mein Dozent im Fach Zulassungsverfahren - und da bin ich leider durchgefallen (lacht).
Den Praxistest haben Sie dann ja mit Türkgücü erfolgreich absolviert.
Ja, und inzwischen habe ich an der FHAM auch die Nachholprüfung bestanden.
Neben Türkgücü und Studium gibt es da überhaupt noch Platz für den Privatmenschen Max Kothny?
Nicht wirklich. Mein Freundeskreis nimmt zum Glück Rücksicht - und es mir auch nicht übel, wenn ich mal abends bei der Bierrunde nicht dabei bin. Aber meine langjährige Freundin, die den ganzen Weg eigentlich mitgemacht und mich immer gestärkt hat, und ich - wir mussten das Beziehungsthema erstmal auf Eis legen, denn im Moment ebne ich mir mit Türkgücü meine und unsere Zukunft. Und das ist eine 24/7-Aufgabe, die vollste Konzentration verlangt.
Türkgücü München bald im Olympia-Stadion?
Zurück zum Sportlichen. Für die Lizenz für die neue Saison haben Sie neben dem Grünwalder erneut das Olympia-Stadion angegeben. Kann sich Türkgücü die Miete für diese Kultstätte auf Dauer überhaupt leisten?
Um die Situation im Grünwalder mit dem TSV 1860, dem FC Bayern II und uns zu entlasten, werden wir weiter dort einen Teil unserer Heimspiele austragen. Da wir uns freiwillig aus dem Grünwalder Stadion zurückziehen, muss jedoch gemeinsam mit der Politik eine Lösung gefunden werden, dass wir zu gleichen Mietkonditionen unseren Spielbetrieb aufrecht erhalten können.
Da wäre also politischer Wille gefragt - genauso wie beim Thema Nachwuchsleistungszentrum. . .
Wir fahren zweigleisig: Wir sind mit der Stadt im Austausch, was Flächen anbelangt. Es geht um eine neue Bezirkssportanlage oder eine Fläche, die wir in Erbpacht übertragen bekommen können. Ich habe übrigens auch erstmalig das Gefühl, dass man bei der Stadt unsere Anliegen ernst nimmt. Unsere Themen sind nicht mehr nur im Sportamt angesiedelt, sondern jetzt auch bei der Stadtspitze. Gleichzeitig schauen wir aber auch - nach politischer Empfehlung - nach privaten Flächen, denn ein NLZ ist für uns notwendig, wenn wir uns im deutschen Profi-Fußball etablieren wollen. Das ist ein Projekt, das innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre realisiert werden soll.
Kothny zur Trainerfrage: "Wir schauen uns auf dem Markt um"
Bei zwei ganz wichtigen Personalien müssen Sie rasch eine Entscheidung treffen: Wird ihr Trainer Serdar Dayat auch über den Sommer hinaus eine Chance bekommen und haben Sie bei Ihrem Kapitän Sercan Sararer die Option für die Verlängerung seines Kontrakts bis 2022 bereits gezogen?
Wir haben ein Anforderungsprofil für einen Trainer erstellt und schauen uns auf dem Markt um. Wir werden im Sommer wieder viele Spieler verpflichten müssen, die der Trainer dann integrieren muss. Dazu ist es uns wichtig, dass der Coach wie schon in dieser Saison mit Kilian Fischer, Omar Sijaric oder auch Noel Niemann auf junge Spieler setzt und diese entwickelt. Aber diese Vorgaben sprechen auch nicht unbedingt gegen Serdar Dayat. Wir haben uns noch nicht entschieden.
Und Sararer?
Bereits als wir im Sommer den Vertrag mit Sercan verlängert haben, wurden die Konditionen für ein weiteres Vertragsjahr vereinbart. Die Option gilt es noch zu ziehen, da sind wir aber im Zeitfenster. Sercans Leistungen sind sehr, sehr gut und warum sollten wir ihn abgeben, wenn wir es aus wirtschaftlicher Sicht nicht müssen.