Türkgücü München: Die Gründe für das Aus
München – An diesem Donnerstagvormittag schauen alle Augen in der Dritten Liga nach München: Genauer gesagt an die Heinrich-Wieland-Straße 100.
Schließlich betrifft das, was da gerade auf der mit Spannung erwarteten Betriebsversammlung von Insolvenzklub Türkgücü verkündet wird, nicht nur den Verein und seine Spieler, sondern hat auch immense Auswirkungen auf die gesamte Liga.
Aber der Reihe nach. Aus der Hoffnung, der berühmte weiße Ritter würde in Gestalt eines neuen Investors doch noch den klammen Klub retten, wurde nichts.Nun ist es fix: Ende März ist Schluss." Eine weitere Aufrechterhaltung des Spielbetriebs wäre nur durch Bereitstellung neuen Kapitals von dritter Seite möglich gewesen. Die zu erwartenden Einnahmen aus dem Spielbetrieb bis Saisonende können die laufenden Kosten bei weitem nicht decken", sagte Geschäftsführer Max Kothny.
Fehlbetrag von zwei Millionen Euro: Türkgücüs Anfang vom Ende
Diese bittere Nachricht musste Kothny auch den versammelten Türkgücü-Mitarbeitern mitteilen. Dabei blickte er in traurige, aber keinesfalls überraschte Gesichter. Schließlich wäre alles andere als das vorzeitige Ende eine Sensation gewesen.
Umso mehr stellt sich die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte und welche Folgen der Türkgücü-Knall nun für Spieler, Bosse, aber auch die gesamte Dritte Liga hat - eine Recherche der AZ:
Der Anfang vom Ende: Im Zuge der DFB-Nachlizensierung im Winter musste Türkgücü einen Fehlbetrag von zwei Millionen offenbaren - aus heutiger Sicht war es der Todesstoß für das ambitionierte Fußballprojekt.
Denn Mäzen und Präsident Hasan Kivran und die anderen fünf Gesellschafter weigerten sich plötzlich - entgegen anderslautender Abmachungen - dieses Minus auszugleichen. Türkgücü konnte daraufhin bereits im Januar die Gehälter nicht zahlen, musste Insolvenz beantragen, was der DFB wiederum regelkonform mit einem Elf-Punkte-Abzug sanktionierte. Der Rest ist Geschichte.
Türkgücü: Es gab bereits Verhandlungen mit einer Investorengruppe
Hasan Kivrans Rückzug: Warum Investor Kivran quasi über Nacht die Lust an seinem Spielzeug verlor, ist nicht bekannt. Der Unternehmer äußert sich weiterhin nicht öffentlich. Im Türkgücü-Umfeld sprechen manche von verletzter Eitelkeit, weil die Spieler, deren - für Drittligaverhältnisse - hohe Gehälter er finanzierte, in der Hinserie weit unter ihren Möglichkeiten geblieben waren.
Sicher ist nur, dass Kivran (besitzt 77 Prozent der Anteile) und seine Mitgesellschafter mit dem Türkgücü-Aus viel eigenes Geld verbrannt haben: Angeblich sollen in den sechs Jahren seit seinem Einstieg insgesamt zwölf Millionen Euro in den Verein geflossen sein.
Noch rätselhafter macht den plötzlichen Rückzug die Tatsache, dass nach AZ-Informationen im letzten Sommer erstmals Verhandlungen mit einer Investorengruppe, die bereits Anteile an mehreren Fußballklubs in Europa besitzt, geführt wurden. Die sportliche Misere in der Hinrunde verhinderte dann den Einstieg bereits im Winter. Aber angeblich wollten sich die US-Amerikaner in der kommenden Saison bei Türkgücü beteiligen - allerdings nur unter der Bedingung, dass der Klub nicht absteigt.
Türkgücü-Spieler wollen sich bei höherklassigen Amateurklubs fit halten
Die Folgen für die Spieler: Mit der Einstellung des Spielbetriebs zum Ende des Monats (solange zahlt die Agentur für Arbeit noch die Gehälter) sind alle 47 Angestellten des Vereins (38 davon im sportlichen Bereich) arbeitslos. Am Donnerstag nach der Betriebsversammlung wurde noch einmal trainiert, ob Trainer Andreas Heraf auch die nächsten Tage Einheiten anbietet, wurde ihm selbst überlassen. Neben den Vereinsmitarbeitern, die am meisten unter der Situation leiden, ist die Insolvenz auch für die nun arbeitslosen Türkgücü-Profis ein herber Karrieredämpfer. Wie sie sich nun fit halten, um in der kommenden Transferperiode bei einem anderen Verein unterzukommen, ist nicht geklärt. Nach AZ-Infos haben einige Profis schon bei höherklassigen Amateurklubs in der Region angefragt, um dort vorläufig mittrainieren zu dürfen.
Die Folgen für die Dritte Liga: Die Liga ist in Aufruhr - ganz besonders der 1. FC Saarbrücken. "Wir werden alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um dieses unsportliche und unfaire Vorgehen des Punktabzuges zu verhindern", teilten die Saarländer, die nach Annullierung der Türkgücü-Partien sechs Punkte verlieren, bereits mit. Dadurch rutscht der FCS von Relegationsplatz drei auf vier ab, auch die Kontrahenten dahinter wie der TSV 1860, Waldhof Mannheim oder der VfL Osnabrück rücken näher heran.
Auch wenn Türkgücü als Profiklub nun erstmal Geschichte ist, die Dritte Liga und auch den dafür verantwortlichen DFB wird der Fall sicher noch lange beschäftigen...