Zum Tode von 1860-Legende Peter Grosser: Peter, der Große

Spieler, Trainer, Mensch: In Teil eins der AZ-Serie über Sechzigs verstorbenen Meisterkapitän Grosser steht der Fußballer im Mittelpunkt. "Ein echtes Schlitzohr", erinnert sich sein ehemaliger Bayern-Spezl Ohlhauser.
von  Florian Kinast
Unvergessener Moment in der Historie des TSV 1860: Kapitän Peter Grosser stemmt im Jahr 1966 die erste und bis heute einzige Meisterschale für die Löwen in die Höhe. Anfang der Woche verstarb Grosser im Alter von 82 Jahren.
Unvergessener Moment in der Historie des TSV 1860: Kapitän Peter Grosser stemmt im Jahr 1966 die erste und bis heute einzige Meisterschale für die Löwen in die Höhe. Anfang der Woche verstarb Grosser im Alter von 82 Jahren. © imago images/ZUMA Press/Keystone

München - Bei der allerletzten Begegnung kurz vor seinem Achtzigsten ging es beim Abschied in seinem Stammcafé im Asamhof noch um seinen Geburtstagswunsch. Gsund bleim, sagte Peter Grosser und schob dann hinterher, wie pfundig es doch wär, wenn er es noch vor seinem Neunzigsten erleben dürfte, dass seine Sechzger wieder ganz oben in der Bundesliga spielen.

Peter Grosser durfte es nicht mehr erleben. Als er Anfang der Woche mit 82 starb, waren seine Blauen als Drittliga-Sechster gar vom Aufstieg in die Zweitklassigkeit noch ein gutes Stück entfernt. Aber dafür war der Nachbar aus Harlaching ja da, wo er hingehört. Als Tabellenführer in der Bundesliga. Der FC Bayern, sein FC Bayern.

Einst noch ein Roter

Als Bub war der kleine Peter ja ein Roter durch und durch. "Für mich hat's damals keinen anderen Verein gegeben als die Bayern", sagte er. Bald war er dann auch dort, 1956, nach dem Wechsel vom MTV an die Säbener Straße, 1958 das Debüt in der Ersten Mannschaft. "Der Peter war ein begnadetes Talent, einer der ganz feinen Techniker in unserer Mannschaft", sagt Rainer Ohlhauser. "Trickreich. Ein echtes Schlitzohr." Ohlhauser kam 1961 zu den Bayern, Grosser war dort im Mittelfeld mit 22 schon immer mehr in die Rolle des Führungsspielers hineingewachsen. Ohlhauser spricht von Sachen, die der Peter mit dem Ball gemacht habe, "die konnte sonst keiner." Allerdings war Grosser launisch, schwankend in seinen Leistungen.

Ohlhauser erinnert sich, dass manche Bayern-Spieler nach zwei, drei schlechten Spielen bei Trainer Helmut Schneider murrten, warum er am Grosser trotzdem noch festhalten und ihn unbeirrt aufstellen würde. "Schneider sagte dann aber nur, dass der Grosser einer sei, der jedes Spiel auch ganz allein entscheiden könne. Man wisse eben nur nicht, wann und welches Spiel." Zwei Jahre spielte Ohlhauser mit Grosser zusammen, bis 1963. Bis es zwischen Bayern und Grosser zum Bruch kam, Hintergrund war der Machtkampf zwischen dem neuen Präsidenten Wilhelm Neudecker und seinem Vorgänger, dem Hauptmäzen und Grosser-Spezl Robert Endler.

AZ-Reporter half beim Grosser-Wechsel mit

Grosser erzählte im Gespräch einmal, dass er deswegen auf Vermittlung von AZ-Reporter Rolf Gonther die Seiten gewechselt habe. Zu den Blauen, die als Süddeutscher Meister anders als die Bayern einen Platz in der neugegründeten Bundesliga zugesprochen bekamen. Ein Tabubruch - für die Bayern-Fans war Grosser ein Verräter und für die Blauen ein ungeliebter Überläufer.

Bei Sechzig kamen dann die großen Erfolge, 1964 der Pokalsieg, 1965 das Europacup-Finale, 1966, als Grosser die Löwen zum Titel führte. "Zinko" riefen sie ihn damals längst schon in der Mannschaft, weil er so verzinkt spielte, so raffiniert und unberechenbar. So wie damals am vorletzten Spieltag in Dortmund, als er beim vorentscheidenden Spiel um die Meisterschaft nach einem überragenden Sololauf das wichtige Tor zum 2:0-Endstand erzielte.

Eine Woche später bekam er dann im strömenden Regen die Meisterschale überreicht, als Giesings Peter der Große auf dem Gipfel war, als bislang einziger Meisterlöwenkapitän im erdgeschichtlichen Zeitalter des Anthropozän.

Ein Poster von Meister-Kapitän Peter Grosser im Löwenstüberl.
Ein Poster von Meister-Kapitän Peter Grosser im Löwenstüberl. © imago images/Lackovic

Es blieb der letzte Höhepunkt in der Spielerkarriere des Peter Grosser, außer noch der Tatsache, dass es ihm und Petar Radenkovic gelang, den Aufstand gegen den ungeliebten Trainer anzuzetteln, mit dem sie Max Merkel im Dezember 1966 absägten. Viel kam danach nicht mehr, 1969 ging er zu Austria Salzburg, es war mehr ein fußballerisches Austragsstüberl, das er nicht mehr so ernst nahm.

Peter Grosser: Nur zwei Länderspiele für Deutschland

In der Rückschau sagte Peter Grosser damals zum Achtzger, dass es drei Dinge gäbe, warum er manchmal mit a bisserl Wehmut auf seine Karriere zurückschauen würde. Das verlorene Finale in Wembley gegen West Ham war der eine Punkt. Dass man zu zufrieden gewesen sei und nicht mehr bereit für den letzten Schritt.

Dann die Sache mit der WM 1966. Zwei Länderspiele hatte Grosser bestritten, bei seinem Debüt im September 1965 hatte er beim entscheidenden WM-Quali-Spiel in Stockholm sogar das 2:1-Siegtor durch Uwe Seeler vorbereitet. Als Helmut Schön dann kurz vor der Kadernominierung im Juni 1966 bei Grosser anrief, erwiderte der Meisterkapitän nur, er sei gerade aus dem Urlaub zurückgekommen und habe nichts für seine Fitness gemacht. Auch das bedauerte er, Grosser spielte nie wieder für Deutschland.

Und dann eben noch die Sache mit dem FC Bayern, dass er oft daran dachte: Was, wäre er doch bei den Roten geblieben. Hätte er als Routinier im besten Fußballeralter die neuen jungen Spieler geführt und geformt, als Teil einer der gewaltigsten Achsen in der Geschichte des deutschen Fußballs. Maier, Beckenbauer, Grosser, Müller. "Der Gedanke hat mich nie losgelassen", sagte er. Ihn genauso wenig wie Rainer Ohlhauser, der dann 1965 die Bayern mit seinen Toren in die Bundesliga schoss. "Ich habe oft überlegt, wie großartig das gewesen wäre, wäre der Peter bei uns geblieben", so Ohlhauser, "das hätte richtig toll funktioniert."

Aber mit Sechzig passte es ja dann auch ganz gut.

 

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