Weißblaue Bilanzen: Jacobaccis Start im Vergleich zu seinen Vorgängern beim TSV 1860

München - Der TSV 1860 ist seit den glorreichen Zeiten unter Kult-Coach Werner Lorant eher zu einem Trainer-Durchlauferhitzer verkommen. Kaum einmal hielt es ein Verantwortlicher länger als zwei Jahre aus. Michael Köllner schaffte über drei, ein Novum seit der Lorant-Ära. Nun versucht es Maurizio Jacobacci.
Die AZ vergleicht die Premiere des Italo-Schweizers mit den Sechzig-Trainern der letzten knapp zehn Jahre. Wie es begann – und wie es weiterging.
Maurizio Jacobacci

Die Wahl des 60-Jährigen war der kleinste gemeinsame Nenner der Gesellschafter. Jacobacci setzte sein Debüt gegen Viktoria Köln (0:1) in den Sand. Ihm dürfte dabei klargeworden sein, welche Mammutaufgabe er sich aufgehalst hat.
Sein Engagement läuft vorerst bis Saisonende, er macht den Eindruck, als würde er gerne länger bleiben. Dafür muss aber einiges im Team passieren.
Michael Köllner

Kam im November 2019 und entfachte eine Aufbruchstimmung. Seine Premiere endete 1:1 gegen den FC Bayern II, das Remis leitete eine lange Serie mit ungeschlagenen Spielen ein, die Hoffnung machte.
In den beiden nächsten Spielzeiten waren die Löwen im Aufstiegsrennen dabei, der große Wurf blieb aber aus – und sollte in dieser Saison endlich gelingen. Ab Ende September 2022 fehlten die Ergebnisse, die innerbetrieblichen Turbulenzen nahmen zu. Die Trennung war unausweichlich.
Daniel Bierofka

Nachdem er die Löwen 2016 mit einem Kraftakt in der Zweiten Bundesliga hielt und im Winter ein erneutes Intermezzo folgte, erhielt "Biero" nach dem Zwangsabstieg dauerhaft die Verantwortung.
Der Publikumsliebling führte 1860 sofort zum Aufstieg in die Dritte Liga, sein Debüt in der Regionalliga Bayern war mit 4:1 in Memmingen siegreich. Rieb sich später im Vereinsgewirr auf – und trat entnervt zurück.
Vitor Pereira

Mit Fanfaren in Giesing empfangen, ließ der Portugiese gleich aufhorchen. "We go to the top", rief er Fans in einem Brauhaus zu. "We go down", hätte besser gepasst.
Zwar gewann Pereira seine Premiere gegen Fürth (2:1) und drei der ersten vier Ligaspiele. Dann setzte der Tiefflug ein, der im Relegationsabstieg gegen Regensburg und dem größten Chaos der jüngeren Vergangenheit mündete. Heute coacht Pereira übrigens Corinthians Sao Paulo.
Kosta Runjaic

Er sollte Sechzig ab Sommer 2016 in ruhiges Fahrwasser steuern. Stattdessen geriet Runjaic in gewaltige Klub-Turbulenzen. Sein Debüt in Fürth (1:2) ging schief, danach folgte seine beste Phase mit acht Punkten aus fünf Spielen. Insgesamt wurden es nur 13 Zweitliga-Spiele bis zur Beurlaubung, die eine legendäre Pressekonferenz mit Hasan Ismaik nach sich zog.
Und heute? Da arbeitet Runjaic höchst erfolgreich beim polnischen Rekordmeister Legia Warschau.
Benno Möhlmann

Übernahm die Löwen im Oktober 2015 in akuter Abstiegsnot und wurde Mitte April 2016 in akuter Abstiegsnot wieder entlassen. Es folgte Bierofkas Rettungsmission mit drei Siegen in drei Partien. Möhlmann startete wie jetzt Jacobacci mit einer 0:1-Heimniederlage, der Trainer-Routinier blieb lediglich 21 Spiele ein Löwe.
Torsten Fröhling

Auch mit ihm ist ein dramatisches, aber glückliches Löwen-Saisonende verbunden – jenes im Jahr 2015. Er gewann sein Debüt gegen St. Pauli (2:1). Übernahm Sechzig auf Relegationsplatz 16 der Zweiten Liga und dort standen die Blauen auch am Saisonende. Es kam zum denkwürdigen Duell mit Holstein Kiel und einem Happy End. Nach zehn Partien der neuen Saison war Schluss für Fröhling als Tabellenvorletzter.
Markus von Ahlen

Duelle mit Fürth sind beliebt gewesen bei Löwen-Trainerdebüts. Auch von Ahlen startete gegen die Mittelfranken und gewann 2:0.
Wie bei Pereira war der Sieg kein gutes Omen, 15 Spiele dauerte die Amtszeit nur. Es war seine erste als Dauerlösung. 2014 hatte er schon einmal interimistisch die Blauen übernommen – mit zehn Punkten aus fünf Spielen.
Friedhelm Funkel

Vor zehn Jahren noch waren Trainer mit ausgeprägter Bundesliga-Erfahrung keine Seltenheit bei Sechzig. Funkel übernahm die Löwen nach einem missglückten Saisonstart unter Alexander Schmidt und begann mit einem torlosen Remis beim VfR Aalen.
Seine siebenmonatige Amtszeit war ein stetes Auf und Ab und endete im Zweitliga-Mittelfeld. Davon können die Löwen-Fans heute nur träumen.
Fazit: Jacobacci hat schon jetzt Druck
Die Premiere eines Löwen-Trainers hatte schon vor Jacobacci keine große Aussagekraft, ob nun verloren oder gewonnen oder unentschieden gespielt wurde. Sie muss es auch diesmal nicht.
Aber, und das fällt sehr deutlich auf: Bierofka und Köllner, die beiden Trainer der jüngeren Vergangenheit mit mehr als zweijähriger Halbwertszeit, schafften es rasch, eine positive Serie zu starten. Diesen Druck hat der neue Löwen-Dompteur in jedem Fall, sonst bleibt sein Engagement ein kurzes Intermezzo, ein sehr kurzes...