Warum Poschner sofort entlassen werden könnte
München - Gerhard Poschner weilte am Donnerstag noch in München. Der Sport-Geschäftsführer des TSV 1860 hatte zu tun. Der 28. Mai war für die Löwen der Stichtag, um die Auflagen für die Drittliga-Lizenz zu erfüllen. Eine Pflicht, die vor der Relegation gegen Holstein Kiel wichtiger denn je war. Und eine, die dank der Millionen aus dem Verkauf von Julian Weigl, der zu Borussia Dortmund wechselt, leichter gefallen sein dürfte als befürchtet.
Dennoch fragten sich in Hamburg nicht wenige, ob Poschners Abwesenheit im Trainingslager ein Fingerzeig auf die zuletzt so offen diskutierte Kluft zwischen Sportchef und Mannschaft sei. Dem widersprach der 45-Jährige gegenüber „Sport1“: Mein Verhältnis zur Mannschaft ist mehr als gut.“ Definitiv weniger gut ist das Verhältnis zwischen Poschner und dem Präsidium um Gerhard Mayrhofer. Der Vereinsvorstand versucht angeblich bereits seit Wochen, Poschner an die Luft zu setzen. Es wurde sogar das Gerücht gestreut, die Entlassung scheitere am Veto Noor Bashas und Hasan Ismaiks. Der Kern des Gerüchts: Der Investor stütze Poschner weiterhin und blockiere den Verein in seinem Handeln.
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Doch befindet sich der Verein tatsächlich in der Investorfalle seines jordanischen Geldgebers? Die Antwort lautet: nein. Laut Satzung bestimmt der Beirat über die Bestellung der Geschäftsführer. In diesem Beirat sitzen Ismaik und Basha auf Investoren-Seite sowie Mayrhofer und Karl-Christian Bay auf Vereins-Seite. Das Entscheidende: Selbst wenn eine Abstimmung im Beirat mit einem 2:2 endet, behält der Verein mit Mayrhofer an der Spitze am Ende die Oberhand. Warum? Weil es die Deutsche Fußball-Liga (DFL) so will. Möglich macht es die „50+1“-Regel. Im Klartext heißt das: Entscheidet die Vereinsspitze, dass Gerhard Poschner als Geschäftsführer entlassen werden soll, braucht 1860 nicht die Zustimmung Ismaiks oder Bashas, um Poschner vor die Tür zu setzen.
Die AZ fragte nach. Basha wollte die Sachlage nicht kommentieren, Mayrhofer war nicht zu erreichen. Auch bei der DFL wollte man sich nicht zum konkreten Fall äußern. Doch warum behaupten Mayrhofer & Co., ihnen seien die Hände gebunden? Es darf fleißig spekuliert werden. Soll Poschner zum Rücktritt bewegt werden, um so einen Schuldigen an der Misere präsentieren zu können? Fürchtet das Präsidium, dass man sonst spätestens am 21. Juni bei der Mitgliederversammlung selbst ins Zentrum der Kritik rücken könnte? Schließlich war der von Poschner umgesetzte Umbruch vom Vereinsvorstand gefordert und mitgetragen worden. Oder gibt es etwa geheime Nebenabsprachen, die zwischen Investor und Präsidium getroffen wurden, die die 50+1-Regelung nicht formal, aber faktisch außer Kraft setzen?
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Poschner wischte die Spekulationen am Tag vor dem Relegations-Hinspiel weg. Er sagte „Sport1“: „Ich stelle mich zum gegebenen Zeitpunkt der Kritik, wenn sie sachlich und berechtigt ist. Aber Vereinspolitik ist jetzt genau das, was wir nicht gebrauchen können. Ich werde mich daran nicht beteiligen.“ Einen Rücktritt schloss er jedenfalls kategorisch aus. „Ich bin keiner, der hinschmeißt. Ich verspreche, dass ich das nicht tun werde.“ Und weiter: „Ich möchte hier bleiben. Ich will nicht davon laufen.“ Davon laufen würde er nur, wenn er müsste. Und er müsste, wenn der Verein es so beschließen würde. Unabhängig von Hasan Ismaik oder Noor Basha.