Ober-Löwe Mayrhofer: "Viele Dinge müssen sich ändern"
Präsident Gerhard Mayrhofer spricht vor den Relegationsspielen des TSV 1860 gegen Kiel über die bedrohliche sportliche Situation der Löwen, Machtkämpfe im Verein, Ismaik und Poschner.
Herr Mayrhofer, die reguläre Saison ist vorbei, für den TSV 1860 geht es in der Relegation gegen Holstein Kiel aber noch um alles. Wie ist Ihre Gefühlslage vor den beiden Spielen?
GERHARD MAYRHOFER: Im Prinzip ist es ja so: Wir haben ein zweites Leben geschenkt bekommen, waren während des Spiels beim Karlsruher SC schon abgestiegen. Daher müssen wir dankbar sein, dass wir überhaupt in der Relegation antreten dürfen – und dass Aue in Heidenheim nicht mehr dieses eine fehlende Tor geschossen hat.
Dabei hätten sich die Löwen auch direkt retten können, doch die Leistung in Karlsruhe ließ zu wünschen übrig.
Ich war, ehrlich gesagt, schon etwas mitgenommen, was ich da gesehen habe, wie wir beim KSC aufgetreten sind. Ich hoffe, dass diejenigen jetzt nach Kiel reisen, die das Ding drehen können. Als Drittligist sind die natürlich motiviert bis in die Haarspitzen. Da müssen wir ein anderes Gesicht zeigen.
Auch die Fans waren enttäuscht, haben Pyrotechnik gezündet und damit dem Verein wieder einmal geschadet. Wie ärgerlich sind solche Dinge für Sie?
Ich kann verstehen, dass die Fans frustriert sind. Aber wir waren bisher immer in einem sehr guten Dialog. Dass es in so einem Spiel derart eskaliert, ist unschön, und das können wir selbstverständlich nicht gutheißen. Es gab ja sogar einen Verletzten. Das geht nicht.
Kapitän Christopher Schindler fühlte sich nach dem desaströsen Auftritt ohne erkennbares Aufbäumen zu einer Brandrede berufen.
Das war genau richtig, dass er sich als Kapitän der Mannschaft hingestellt hat. Und er hat ja nicht gelogen: Er hat den Ist-Zustand beschrieben, und wenn sich die Situation innerhalb der Mannschaft so darstellt, muss das ausgesprochen werden. Es hat ja keinen Sinn, solche Dinge unter den Teppich zu kehren. Ich denke, das Team hat die Zeichen der Zeit verstanden und wird alles geben, um den Abstieg zu verhindern.
Nicht nur wegen der Auseinandersetzung zwischen Torwart Stefan Ortega und dem Spanier Rodri wirkt es, als wären die Spieler derzeit keine Einheit. Wie können sie da als Mannschaft bestehen?
Darüber wurde schon genügend gesagt. Es ist, wie es ist. Und jetzt gehen wir wieder Fußball spielen.
Warum gibt es zudem immer wieder Machtkämpfe, gerade in einer Phase, wo man dringend Ruhe bräuchte?
Wenn man nach einem so großen Umbruch in der Tabelle dort steht, wo wir stehen, obwohl man mit einer so großen Euphorie in die Saison gegangen ist, werden Erwartungen enttäuscht. Ich verstehe jeden, der enttäuscht ist. Wir sind auch nicht glücklich über die Situation, das ist völlig klar. Wie ich aber schon mehrfach gesagt habe: Jetzt zählt nur der Sport, nur die beiden Spiele. Natürlich muss danach geredet werden: Was ist in der Saison gut gelaufen? Was ist schlecht gelaufen? Viele Dinge müssen sich ändern.
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Sie sollen bereits mehrfach versucht haben, sich von Sportchef Gerhard Poschner zu trennen, heißt es.
Das sind Dinge, über die ich jetzt nicht sprechen möchte. Gerhard Poschner und ich führen viele Gespräche miteinander. Wir führen konstruktive Gespräche. Jedem ist die Situation bewusst, und keiner freut sich. Wenn die Saison beendet ist, muss analysiert werden, wie es in Zukunft weitergeht. Vor allem muss über die Fehler geredet werden, die begangen worden sind.
Sie hatten zuletzt auch die fehlende Kommunikation zwischen Investor Hasan Ismaik und dem Verein angesprochen. Man könnte den Eindruck gewinnen, als wären die Löwen an allen Ecken und Enden zerstritten.
Ich glaube, dass das alles, auch wenn es momentan danach aussieht, jetzt keine Rolle spielt. Es geht einzig und allein darum, dass wir drin bleiben.
Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass es gegen Kiel trotz allem nicht zum „worst case“ kommt?
Zum Einen, weil ich ein gnadenloser Optimist bin, sonst wäre ich wahrscheinlich nicht Präsident der Löwen. Zum Anderen, weil unsere Mannschaft immer wieder gezeigt hat: Wenn es darauf ankommt, kann sie ihre letzten Kräfte mobilisieren. Ich glaube, dass das Löwen-Rudel immer wieder zusammenhält, wenn es eng wird. Und ich hoffe, dass die Situation für alle ein finaler wake-up-call ist. Kleiner Vorteil: Wir spielen erst auswärts und dann vor unseren tollen Fans.
Im Abstiegsfall wurde schon oft über einen Rückzug ins Grünwalder Stadion spekuliert, Nachwuchs-Leistungszentrum und Geschäftsstelle müssten wohl drastische Kürzungen in Kauf nehmen. Wie würde ihr Plan B aussehen, wenn die Löwen tatsächlich runter müssten?
Ich denke überhaupt nicht über einen Plan B nach. Ich denke an Plan A in dem Wissen, dass wir für alle anderen Situationen gut vorbereitet sind.