Vor dem Spiel des TSV 1860 gegen Dynamo Dresden: Löwen auf Schlingerkurs
Neuer Trainer, neue Spieler, neuer Geschäftsführer: Investor Hasan Ismaik hat viel in den TSV 1860 investiert – doch das zahlt sich bislang nicht aus. Stattdessen zittern die Löwen um den Klassenerhalt.
München - Lange hat er zugesehen. Im Hintergrund. Angesichts des chronischen Misserfolgs unzähliger Funktionäre des TSV 1860 Betrug gewittert. Mittlerweile hat Investor Hasan Ismaik die Zügel in die Hand genommen, um aus dem Giesinger Arbeiterverein einen Spitzenklub zu formen – dieser Tage ein Unterfangen auf wackligen Beinen.
"Wir schaffen es an die Spitze"
Erstmals seit Ismaiks Einstieg bei dem finanziell angeschlagenen Zweitligisten im Jahre 2011 konnte der Jordanier einen internationalen Top-Trainer installieren. "Das ist der Mann, der uns wieder in die Erste Liga führen wird", kündigte Präsident Peter Cassalette unter Applaus Mitte Dezember bei der Präsentation des Portugiesen Vitor Pereira im Hacker-Pschorr-Bräuhaus an. Zweifacher Meister mit dem FC Porto, Double-Sieger mit Olympiakos Piräus, erprobt in der Champions League – und kaum bei 1860, mit dem schon jetzt legendären Versprechen: "We go to the top" – wir schaffen es an die (Bundesliga-)Spitze.
Eine Parole nach dem Geschmack Ismaiks, der davon träumt, seine Löwen auf Augenhöhe mit den größten Fußballklubs wie Bayern oder Barcelona zu führen.
Transfercoup Ian Ayre
Nach fünf teils kostspieligen Neuzugängen um den Dänen Christian Gytkjaer, für rund 2,5 Millionen Euro als norwegischer Torschützenkönig verpflichtet, folgte Anfang April mit Ian Ayre der nächste Transfercoup: Liverpools Macher heuerte als Geschäftsführer auf Giesings Höhen an. Man gehe mit Ayre stark in eine neue Ära, so Cassalette. "It’s Ayre, like the air you’re breathing", stellte sich der Brite in der prestigeträchtigen Heimat der Löwen, dem Grünwalder Stadion vor: Sein Name werde so ausgesprochen wie die Luft.
Er, Ian Ayre, der letzte entscheidenden Baustein auf dem Weg in andere Sphären. Einziges Problem an den ambitionierten Plänen: Sie könnten zu Luftschlössern werden, denn die große Gefahr des Niedergangs liegt in der Luft.
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Kurz vor Saisonschluss sehen sich die Sechzger mit einem Szenario konfrontiert, das durch den Umbruch im Winter schlicht als ausgeschlossen galt. "Wir sind zu gut für den Abstieg. Wir haben uns gut verstärkt, stehen im Vergleich zum Vorjahr viel besser da. Es nervt mich, wenn es von außen heißt, wir müssen zittern", tönte Präsident Peter Cassalette Anfang März. Es folgte nicht der (geplante) Aufschwung ins Tabellen-Mittelfeld, sondern der Absturz in den Tabellenkeller – das große Zittern.
"Ich lasse 1860 nie mehr los"
Nun musste nicht nur der Oberlöwe umschwenken, selbst Ismaik konnte die Augen vor der Realität nicht mehr verschließen. Er erkannte nach der 0:1-Niederlage gegen Eintracht Braunschweig vor einer Woche, dass "die sportliche Situation tatsächlich ernst ist". Selbst den als "ungünstigsten Fall X" bezeichneten Gang in die Dritte Liga thematisierte Ismaik in einer seiner zahlreichen Facebook-Botschaften: Selbst wenn man absteigen sollte, "wovon ich nicht ausgehe, würde ich an Eurer Seite bleiben. Ich lasse 1860 nie mehr los", versicherte er nebst Gedanken an Größeres: "Ich werde meinen Traum, die Löwen wieder zu einer großen Nummer zu machen, niemals aufgeben."
Dennoch muss sich Ayre erstmal um einen Plan B für Fall X kümmern, wie er kürzlich im AZ-Interview erklärte: "Natürlich haben wir dafür einen Plan, alles andere wäre unverantwortlich." Während er der Frage auswich, ob Pereira mit in Liga drei gehen würde, bestätigte er die Gültigkeit seines eigenen Vertrags eine Liga tiefer. Die Transferplanungen liegen bei 1860 wieder einmal brach, da sich kaum ein Spieler oder Berater ob der ungewissen Ligazugehörigkeit festnageln lassen.
Das Projekt droht zu scheitern
Somit ist trotz Riesen-Umbruch im dritten bangen Jahr in Folge sportlich irgendwie alles beim Alten. Zweimal sprang Sechzig mit mehr Glück als Verstand von der Schippe. Ist dies nun aufgebraucht? Das Projekt Sechzig droht jedenfalls zu scheitern, bevor es richtig beginnt – allen Pereiras, Ayres und Ismaik-Millionen zum Trotz.