Vor 40 Jahren - 1860 steigt nach drei denkwürdigen Spielen gegen Arminia Bielefeld auf - Aufstiegskapitän Kohlhäufl über das Fußball-Wunder

Der 70-Jährige führte den TSV 1860 im Jahr 1977 als Kapitän in die Bundesliga.
Herr Kohlhäufl, was ist mit dem TSV 1860 los? Am Sonntag findet trotz des Doppel-Abstiegs eine Aufstiegsfeier statt, zu der Sie geladen sind.
Ja, mei – der Zeitpunkt passt vielleicht nicht zu den aktuellen Entwicklungen, aber es ist halt einfach so, dass im Jahr 1977, also vor 40 Jahren, der Aufstieg in die Bundesliga gelang. 40 Jahre ist das schon her. Wahnsinn!
Und Sie waren damals dabei, als in der Relegation gegen Arminia Bielefeld ein Fußball-Wunder gelang: Nach einem 0:4 in Bielefeld schafften Sie durch einen 4:0-Sieg im Rückspiel und ein 2:0 im Entscheidungsspiel den nicht mehr für möglich gehaltenen Triumph.
Das war ein tolles Erlebnis und eine wunderbare Zeit! Die Vizemeister der beiden Spielklassen Nord und Süd mussten damals den dritten Aufsteiger unter sich ausmachen. Bielefeld war mit Spielern wie Torwart Uli Stein und Stürmer Ewald Lienen sehr gut besetzt, und wir waren eine junge Truppe ohne Stars. Uns traute keiner etwas zu. Jeder dachte: Hoffentlich steigen sie nicht ab – und am Ende sind wir aufgestiegen.
Wie erinnern Sie sich an die 0:4-Pleite auf der Alm?
Eine verheerende Pleite. Eine beeindruckende Atmosphäre auf der ausverkauften Bielefelder Alm, der Schiedsrichter war uns nicht gerade wohlgesonnen und Daniel Bierofkas Vater Willi hat auch noch ein Eigentor geschossen. Da hat alles zusammengepasst. Schon haben wir 0:4 verloren. Wir waren am Boden zerstört, aber einer hat nicht aufgehört, daran zu glauben.
Und wer?
Unser Trainer Heinz Lucas. "Wenn wir im Rückspiel zwei Tore vor der Pause machen, dann wackeln die, dann werden sie nervös", trichterte er uns ein. So lange, bis wir daran glaubten – und es genauso kam! Ein Doppelschlag vor der Pause durch Anton Nachreiner und Hans Haunstein. Der Jimmy Hartwig und der Schorsch Metzer haben nachgelegt. So haben wir Bielefeld die Aufstiegsfeier versaut – die hatten schon alles dabei und brachten ihre Familien mit. Wir hätten sogar 5:0 gewinnen müssen, aber das war egal. Wir waren psychologisch im Vorteil.
Im Showdown in Frankfurt behielten Sie die Oberhand.
Das Entscheidende war für mich: Der Trainer hat Hartwig ins Mittelfeld gestellt. Der hatte vorher Probleme gegen Lienen. Den hat hernach Bierofka kaltgestellt, Hartwig hat offensiver gespielt und das 1:0 geschossen. Das haben wir uns nicht mehr nehmen lassen. Ich kann im Nachhinein gar nicht sagen, wie wir das geschafft haben. Wir waren eine echte Mannschaft, hatten keine Streitereien und haben uns voll reingehauen.
Es folgte vermutlich eine ordentliche Aufstiegsfeier.
Das können Sie glauben. Wir haben noch in Frankfurt gefeiert und sind ein paar Stunden später mit dem Flugzeug zurückgeflogen. Wenn du 90 Minuten in den Knochen hast, brauchst Du nicht viel, um einen Schwips zu haben! Am besten war der Trainer: Im Flieger gab es plötzlich einen Ruck, dann meinte er: "Sind wir gelandet? Das ging ja schnell." Dabei waren wir erst abgeflogen. Was haben wir gelacht!
Wie man nachlesen kann, hat sich das Ganze auch finanziell gelohnt.
Stimmt, ich war damals Spielführer und habe mit dem Präsidium verhandelt. Wir haben 12 500 Zuschauer im Schnitt gebraucht, damit die ganze Saison ohne Minus abläuft. Von allem, was drüber hinausging, haben wir Spieler 50 Prozent bekommen. Dann hatten wir 19 500 im Schnitt – und beim Rückspiel gegen Bielefeld 60 000 im Olympiastadion! Dazu haben wir noch eine Aufstiegsprämie ausgehandelt, weil sowieso keiner damit gerechnet hat, dass wir es schaffen. 25 000 Mark! Es war eine grandiose Saison, mit der keiner gerechnet hat – im Endeffekt war sie für den Verein und uns Spieler super.
Dann bleibt uns nur, Ihnen ein schönes Jubiläum zu wünschen. Und die Frage, wann Sie das nächste feiern wollen?
Nach der Saison natürlich! Ich hoffe sehr, dass Bieros Jungs es schnell wieder in den Profifußball schaffen – wo Sechzig hingehört.