TSV 1860 planlos - „Alle Zeit der Welt!“
München - Es sind Floskeln, in die man sich im Fußball so gerne stürzt, wenn man eigentlich nicht viel zu sagen hat. „Die Tabelle sagt die Wahrheit“, sagt Löwen-Trainer Markus von Ahlen vor dem Pokalspiel am Mittwoch (19 Uhr) gegen Bundesligist SC Freiburg.
Nach elf Spieltagen in der Zweiten Liga steht der TSV 1860 nicht etwa ganz oben, wo sich der Klub den eigenen Ansprüchen nach wähnt, sondern unten. Ganz unten. Die Löwen sind Letzter.
Nach der 1:2-Pleite im heimischen Stadion gegen Bundesliga-Absteiger Eintracht Braunschweig, zuvor seit über einem Jahr auswärts sieglos, taumeln die Löwen, deren loyale Anhängerschar sogar schon einen Fanboykott inszenierte, der Drittklassigkeit entgegen. Und zwar planlos.
Nach dem großen Umbruch im Sommer hatten sie (angeblich) einen (Aufstiegs-)Plan – in der elften Zweitliga-Saison endlich zurück in die Erstklassigkeit. Fest steht: Plan A ist schief gegangen. Aber haben die total verplanten Löwen überhaupt einen Plan B? Bisher ist er nicht zu erkennen.
Die AZ zeigt auf, wo ein Konzept fehlt.
Das Saisonziel: Gut, die Vorgabe von Ex-Trainer Ricardo Moniz, man müsse Meister werden, war überzogen. Doch der Aufstieg war das große Ziel. Auch, als der Saisonstart in die Hose ging, hielten die Löwen daran fest, dass man zu gut sei für den Tabellenkeller. Nach dem 1:4-Debakel in Aue sagte Sportchef Gerhard Poschner, dass „der Abstieg definitiv kein Thema“ sei. Nach der erneuten Pleite und dem schlechtesten Saisonstart der Löwen-Historie sind die Aussichten nicht besser geworden, die Ansichten aber noch die gleichen. „Natürlich ist die Gefahr da“, gibt von Ahlen immerhin zu, relativiert aber: „Wenn ich die vier Spiele unter meiner Leitung sehe, waren wir dreimal die bessere Mannschaft.“ Nur: Die Ergebnisse bleiben aus. Die Zeit für Ausreden muss vorbei sein.
Die Spielweise: Die Vision, mit erfrischendem Offensiv-Fußball zu begeistern, schlug fehl. Das angriffslustige 4-3-3-System klappt nicht, weil die Defensive zu anfällig ist (mit 20 Gegentoren die zweitschlechteste Liga-Abwehr) und in der offensiven Dreier-Reihe bisher einzig Knipser Rubin Okotie Torgefahr ausstrahlt. Von zwölf Löwen-Toren hat er die Hälfte erzielt. Von Ahlen hatte nach Moniz‘ Rauswurf angekündigt, das System zugunsten der Stabilität etwas abzuändern, doch die Bilanz lässt mit Ausnahme des Fürth-Spiels zu wünschen übrig: Drei Punkte in vier Spielen, ein Torverhältnis von 4:8. Betrachtet man die nackten Zahlen, muss eine defensivere Ausrichtung her.
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Der aufgeblähte Kader: Die Löwen führen 31 Spieler. Nur 18 Akteure haben Platz im Kader, während eine ganze Elf zuschauen muss. Junge Spieler wie Maxi Wittek oder Marius Wolf spielen ohne Murren in der U21, der Rest dürfte bei dauerhafter Nicht-Berücksichtigung unruhig werden. Eine Mammut-Aufgabe für von Ahlen. Zuletzt wurden Bobby Wood (soll sich mit Co-Trainer Filip Tapalovic gezofft haben) und Markus Steinhöfer (lachte beim vierten Löwen-Gegentor in Aue in die TV-Kamera) gestrichen, trainierten auch am Tag nach der Pleite nicht mit. Von Ahlen: „Sie sind nicht in Ungnade gefallen. Sie hatten frei, weil sie am Sonntag mit der U21 trainiert hatten.“ Eine Aussage, die Raum für Spekulationen lässt. Plan B: Im Winter Spieler loswerden.
Ein eingespieltes Team: In Verbindung mit dem großen Kader und immer neuen Nicht-Berücksichtigungen (zuletzt erstmals Grzegorz Wojtkowiak), würde es jedem Trainer der Welt schwer fallen, eine funktionierende Mannschaft auf den Platz zu zaubern. Von Ahlen ließ gegen Braunschweig Sebastian Hertner als Linksverteidiger auflaufen: Zuvor hatte er keine Rolle gespielt. Auch, wenn von Ahlen („Es ist immer eine Gesamtentscheidung für und nicht gegen die jeweiligen Spieler“) und Poschner („Ich wehre mich dagegen, von einem Ausschluss zu sprechen“) die Situation schönreden: Es bleibt ein Problem. Die ungleich größere Aufgabe bei vielen durchschnittlichen Spielern und wenig Leistungsträgern: ein eingespieltes Team zu etablieren.
Poschner stärkt von Ahlen zumindest den Rücken: „Markus hat unser vollstes Vertrauen. Er hat alle Zeit der Welt, so lange die Arbeit, die wir tagtäglich sehen, hören und fühlen, zu Ergebnissen führt. Und davon sind wir überzeugt.“ Ein schon oft dagewesener Reflex, bevor ein Trainer doch gehen musste. Ob Poschner dafür schon einen Plan B hat?