TSV 1860: Nach der Fahrstuhl-Saison – wer trägt die Verantwortung?
München - Eine einzige Löwen-Saison, gleich sechs zu bewertende Funktionäre: Die Spielzeit 2023/24 hat für jede Menge Unruhe, gleich zwei Trainerwechsel und einem vor die Tür gesetzten Geschäftsführer geführt. Unter dem Strich ist der TSV auf einem gerade noch ausreichenden Tabellenplatz 15 gelandet und konnte den Klassenerhalt erst am vorletzten Spieltag sichern – trotz gänzlicher anderer Ziele und trotz eines mehr als ordentlichen Etats. Der fünfte Teil der AZ-Saisonzeugnisse: die bemühten Bosse der Profifußballer.
Maurizio Jacobacci: Note 5
Der 60-jährige Coach mit italienisch-schweizerischen Wurzeln durfte nach einer mittelprächtigen Bilanz aus der Vorsaison (sechs Siege, je vier Remis und Pleiten) bleiben. Der Saison-Auftakt mit zwei Siegen aus zwei Spielen gegen den SV Waldhof Mannheim (2:0) und beim MSV Duisburg (3:0) manövrierte Sechzig direkt an die Tabellenspitze. Enorm hoch, die anfängliche Löwen-Latte.
Es folgte ein rasanter Abwärtstrend mit vier Niederlagen in Serie, danach ging die Giesinger Achterbahnfahrt eher schleichend weiter. Jacobacci machte sich zudem nicht nur durch seinen distanzierten Umgang mit den Spielern angreifbar: Er legte Sturmtank Fynn Lakenmacher öffentlich eine Leihe nahe, rechtfertigte sein Vertrauen für Stammtorhüter Marco Hiller zunächst in einem minutenlangen Monolog, um ihn eine Pipinsried-Pokalblamage (0:1) später auf die Bank zu setzen. Sechs Siege, zwei Remis und neun Pleiten in 17 Drittliga-Spielen sorgten für einen schwachen Liga-Punkteschnitt von 1,18 und seine Entlassung im Dezember.
Marc-Nicolai Pfeifer: Note 3
Der Schwabe machte als Finanz-Boss einen guten Job, sammelte fleißig Sponsorengelder ein, arbeitete an der Einführung des Dauerkarten-Zweitmarktes mit und stellte mit seinem Team einen mehr als soliden Etat von sechs Millionen Euro auf. Pfeifer, mit dem sich die Investorenseite überaus zufrieden zeigte und Hasan Ismaiks Statthalter Saki Stimoniaris von einer Vertragsverlängerung sprach, machte sich auf e.V.-Seite durch seine Nähe zum Jordanier und laut Präsident Robert Reisinger die angeblich "gezielte Verschleppung" der Sportchef-Suche unbeliebt. Das Verhältnis war nach juristischen Auseinandersetzungen nicht mehr zu kitten, Pfeifer wurde von den Vereinsbossen auf fragwürdige Weise entsorgt – trotz guter Geschäftszahlen.
Frank Schmöller: Note 4
Der gebürtige Hamburger, eigentlich U21-Trainer, durfte nach Jacobaccis Entlassung für zwei Spiele übernehmen: Gegen Waldhof Mannheim (0:1) und Arminia Bielefeld (0:2) standen zwar zwei Pleiten zu Buche. Doch glaubt man den Worten von Leistungsträger Morris Schröter, hat der auf den ersten Blick knorrig-kühle, aber bei den Spielern beliebte Interimscoach durch seinen menschelnden Führungsstil dazu beigetragen, das Team wachzuküssen.
Argirios Giannikis: Note 3
Der Deutsch-Grieche kam, sah und blieb acht Spiele in Serie ungeschlagen. Durch seine Höflich- und Sachlichkeit kam er nach dem Tohuwabohu anfangs bestens an und brachte 1860 zurück in die Erfolgsspur. Eine Spezialität des Mannes, der dem TSV einen schnörkelloseren Fußball einimpfte: richtige Einwechslungen, dafür Torschützen zugunsten des verdienten Applauses vom Feld holen. Mit dem zerplatzten Traum einer Aufholjagd bis zum Aufstieg war die Luft raus und Giannikis muss sich anlasten, sein Team nicht früher zum Klassenerhalt geführt zu haben (je sieben Siege und Pleiten, fünf Remis).
Christian Werner: Note 4
Sportchef? Geschäftsführer? Monatelang stand der promovierte Sportwissenschaftler parat, bevor er Anfang 2024 vom e.V. per 50+1 inthronisiert wurde. Mit Giannikis fand er einen Trainer, der den Klassenerhalt sicherte, seine vier Winter-Transfers (Max Reinthaler, Abdenego Nankishi, Eliot Muteba und Serhat Güler) enttäuschten dagegen. In der Öffentlichkeit profilieren konnte sich Werner kaum, aber der Sport-Boss hat seine erste gesamte Saison ja noch vor sich. Die ersten Transfers um den Ex-Hachinger Patrick Hobsch und Thore Jacobsen (SV Elversberg) machen Lust auf mehr – der Ertrag bleibt abzuwarten.
Oliver Mueller: Note 4
Der neue Finanz-Boss fiel bisher hauptsächlich durch seinen "neuen Biss des Löwen" auf, der 1860 einen Sparkurs verordnet – inklusive "Folien-Fail" mit einem wenig charmanten bayerischen Vergleich. Auch der Ex-Boss der Kölner Haie kann und muss sich noch beweisen.