TSV 1860 München gegen 1. FC Heidenheim: Das macht Mut - und das Angst

München - Es ist der große Traum: Bundesliga. Davor steht für die Löwen die Mission Verbleib in Liga 2. Die Zuversicht ist groß. Maximilian Wittek sagte, angesprochen auf das sensationelle 6:0 von Arminia Bielefeld gegen Eintracht Braunschweig mit Blick auf die Partei der Löwen am Sonntag in Heidenheim: "Ich weiß nicht, warum wir das nicht schaffen sollten. Wenn du früh ein 1:0 machst und dich in einen Rausch spielst, geht es Schlag auf Schlag", sagte der 21-Jährige.
Die AZ erklärt, was den Löwen Mut macht:
Spieler, die den Abstiegskampf annehmen: Abdoulaye Ba, Michael Liendl und Stefan Ortega bewiesen, dass sie vorangehen wollen. Ba köpfte willensstark das 1:1 gegen Bochum, ist längst der Chef beim TSV 1860. "Wir dürfen nicht über Statistiken reden, das interessiert gar nicht", sagte indes Liendl bei "Sport1". Und auch Ortega ist im Kampfmodus angelangt. "Was machst du denn, wenn du Sport machst? Willst du gewinnen oder willst du verlieren? Ein Punkt oder drei Punkte?", blaffte der Löwen-Keeper einen Reporter an. Sechzig braucht jetzt genau solche Ansagen.
Auch der Präsident geht voran: "So, wie viele tausend Fans, Mitarbeiter, die Mannschaft und die Verantwortlichen bin auch ich etwas konsterniert und ratlos! Auf der anderen Seite bin ich aber auch kämpferisch!", meinte Peter Cassalette auf Nachfrage der AZ. "Wir werden alle zusammen mit Löwengeist in das letzte Spiel in Heidenheim gehen und alles versuchen, die Relegationsspiele zu vermeiden." Keine Frage, Cassalette gibt nicht klein bei. Unlängst hatte der Ober-Löwe erklärt, dass die Mannschaft ohnehin zu gut für den Abstieg sei.
Die Unterstützung und die Rahmenbedingungen stimmen. "Ich kann nur an die Fans appellieren, dass wir es nur gemeinsam schaffen. Wir hoffen, dass die Fans zahlreich mit nach Heidenheim fahren", meinte Wittek. 15 000 Zuschauer passen in die Voith-Arena, das Kontingent der Löwen, 1500 Plätze, ist längst vergriffen. Über die A8 und A7 sind es nur knapp 160 Kilometer bis auf die Ostalb. Gut möglich, dass deutlich mehr Sechzig-Fans Tickets geordert haben. Auch Ian Ayre wird dabei sein. Mit dem neuen Geschäftsführer, Trainer Vitor Pereira und der Aussicht auf einen groß angelegten Umbruch haben die Giesinger beste Rahmenbedingungen geschaffen.
Die Konstellation am letzten Spieltag spricht für Sechzig: Die Würzburger Kickers müssen bei zwei Punkten Rückstand (34) beim VfB Stuttgart ran. Vor allem der 1. FC Kaiserslautern (38) taumelte zuletzt bedenklich, muss gegen den 1. FC Nürnberg bestehen. Bei Bielefeld (36) bleibt abzuwarten, ob die Ostwestfallen die Leistung aus dem Braunschweig-Spiel auch in Dresden abrufen können.
Die Erfahrung im Abstiegskampf ist hilfreich: Zum dritten Mal in Folge geht es gegen den Abstieg. "Wir haben ja in den letzten Jahren bewiesen, wie man in solchen Situationen reagieren muss", meinte Cassalette. "Spieler wie Stefan Ortega, Kai Bülow, Sascha Mölders und Ivica Olic kennen solche Situationen", erklärte Wittek. "Ich mache das auch das dritte Jahr mit. Wir wissen genau, worauf es ankommt. Die Nervosität darf nicht zählen. Wir müssen unseren Job machen."
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Es ist bittere Realität: Sechzig kann am Sonntag direkt absteigen. Es könnte – ebenfalls nicht wunschgemäß – die Relegation werden. Wieder. Beim 1:2 gegen den VfL Bochum spielten die Sechzger erschreckend schwach. In den sozialen Netzwerken prophezeit manch Fan schon Schreckensszenarien. Doch behalten die Pessimisten Recht?
Die AZ erklärt, was den Löwen vor dem Showdown in Heidenheim Sorgen macht:
Die Auswärtsschwäche: In der Auswärtstabelle belegen die Giesinger nur den 16. Rang, wie auch in der Gesamttabelle. Auf fremdem Platz gab es in dieser Saison nur drei Siege, dafür elf Niederlagen und zwei Unentschieden. Selbst ein Remis könnte für den TSV 1860 (36 Punkte) diesmal zu wenig sein, sollte Arminia Bielefeld (36) bei Dynamo punkten. Dann ginge es mindestens in die Relegation. Bei einem Sieg der Würzburger in Stuttgart hieße es dann sogar: direkter Abstieg.
Die mangelnde Torgefahr: "Die haben die Dinger gemacht und wir nicht“, analysierte Levent Aycicek nach der Pleite gegen Bochum. Nur drei Teams haben weniger Tore geschossen als Sechzig (36): Würzburg (31), Kaiserslautern (28) und Karlsruhe (26). Vor allem über die Außen kommt zu wenig Gefahr. Aycicek nimmt sich zu selten einen genialen Moment, Amilton hat einen schwachen Schuss – und Maximilian Witteks Distanzschüssen fehlt die Präzision.
Aigner und Gytkjaer blieben blass
Das Tief der Hoffnungsträger: Christian Gytkjaer ist für kolportiert 2,3 Millionen Euro dafür geholt worden, um Tore zu schießen. In 14 Partien kommt der Däne aber erst auf zwei Treffer. Gegen Bochum tauchte der 27-Jährige, der oft mit sich hadert, völlig ab. Körpersprache ist auch bei Stefan Aigner ein Kritikpunkt. Voranzugehen gelingt dem 29-Jährigen selten. Auch er blieb gegen Bochum blass.
Die Pereira-Frage: Ist der erfolgsverwöhnte Portugiese der richtige Coach für den Abstiegskampf? Wegen seinen Aufstellungen stand der 48-Jährige ebenso in der Kritik, wie wegen umstrittener Einwechslungen. Markant ist die System-Besessenheit. Pereira hält strikt an einem 3-4-3 fest, gegen Bochum stellte er sehr spät auf zwei Stürmer um. Das wurde bestraft. "Sie haben im Mittelfeld zu dritt gespielt. Wir haben versucht, zu pressen, sie haben aber unsere Linie überspielt“, schilderte Aycicek. Doch kann Pereira seine Mannschaft auch wachrütteln? "Der Trainer versucht von außen, den Druck von uns zu nehmen, spricht an, was unsere Stärken sind und redet uns gut zu“, meinte Wittek.
Doch reicht das?
Die mentale Belastbarkeit: Hier versagten die Löwen zuletzt. Mancher wirkte gegen Bochum hypernervös. "Ich denke schon, dass wir mental stark sind“, sagte Aycicek in leiser Tonlage. Doch auch Pereira hatte hier ein Problem ausgemacht. "Mit Ball, stimmt, waren wir heute zu eifrig und hatten nicht die Geduld, um Räume zu schaffen“ sagte der Löwen-Trainer. Er sollte dieses Zu-viel-Wollen schleunigst aus den Köpfen bekommen. Ansonsten droht mindestens die Saisonverlängerung.