TSV 1860 München: Das Derby spricht für die 3. Liga in Giesing

Manchen mag der massive Polizei-Einsatz und die Fanmärsche ins Grübeln gebracht haben. Aber die Ereignisse vom Sonntag sind kein Argument gegen Drittliga-Spiele im Grünwalder, kommentiert AZ-Lokalchef Felix Müller.
von  Felix Müller
AZ-Lokalchef Felix Müller über das Derby im Grünwalder Stadion.
AZ-Lokalchef Felix Müller über das Derby im Grünwalder Stadion. © AZ/ls

Manchen mag der massive Polizei-Einsatz und die Fanmärsche ins Grübeln gebracht haben. Aber die Ereignisse vom Sonntag sind kein Argument gegen Drittliga-Spiele im Grünwalder, kommentiert AZ-Lokalchef Felix Müller.

Festnahmen, Schlagstock-Einsatz, ein großes Polizeiaufgebot in der Innenstadt und in Giesing: Auf den ersten Blick mag das Szenario rund um das Derby vom Sonntag den Sechzgerstadion-Kritikern Futter geben. Auf den zweiten spricht es sicher nicht gegen Löwen-Spiele in Giesing nach dem (möglichen) Drittliga-Aufstieg. Und das aus sieben Gründen:

  • 1. Fantrennung im Grünwalder funktioniert: Die Stadt hat beim Umbau des Sechzgerstadions verpasst, einen zeitgemäßen Gästeeingang zu bauen. Und trotzdem: Das Sicherheitskonzept greift ganz offensichtlich auch im Fall von Risikospielen. Die Polizei hat die Lage voll unter Kontrolle. Auseinandersetzungen zwischen Fanlagern im Stadion gab es die ganze Saison nicht – auch nicht am Sonntag.
  • 2. Sechzig-Fans verhalten sich gut. Dass es im Stadion selbst am Sonntag ruhig blieb, ist durchaus bemerkenswert. Verpatzte Meisterfeier, rot-weiß angemalte Westkurve: viel aufgeheizter hätten die Rahmenbedingungen nicht sein können. Aber die Blauen beherrschten sich. Wie schon die ganze Saison im Stadion und auch im Viertel, wo die Fans, wie selbst die Polizei lobte, noch an roten Ampeln warten – und sich die Einsatzkräfte wiederum auch sehr zurücknehmen. Eine positive Gemengelage, in der keine Konflikte entstehen. Ganz offensichtlich funktioniert die Selbstregulierung der Fanszene im Alltag ums Grünwalder sehr gut, weil man bei den organisierten Sechzig-Fans verstanden hat, dass es nur so eine Zukunft in Giesing geben wird.
  • 3. Fantrennung ums Grünwalder klappt: Über die beiden U-Bahn-Linien lassen sich Fangruppen hervorragend trennen – sogar am Sonntag funktionierte das ziemlich gut. Das wird auch in der dritten Liga so sein, wo der Wettersteinplatz der U-Bahnhof der Gästefans sein dürfte während weiter fast alle Löwen vor Spielbeginn zur Silberhornstraße oder dem Candidplatz fahren (wenn sie nicht eh schon Stunden früher im Viertel sind).
  • 4. Der FC Bayern bleibt viertklassig: In der dritten Liga kommen 1.500 Gästefans nach Giesing. Allerhöchstens. Das ist eine völlig andere Situation, als wenn 11.000 Bayern-Anhänger, die keine Fans der Amateure sind (sonst kämen ja nicht zu anderen Spielen nur ein paar Hundert) ins blaue Giesing einlaufen, weil sie beim Derby und drum herum den besonderen Kick suchen.
    Ein Giesinger Polizist hat vor Jahren das (damalige) Amateurderby aus Polizeisicht so beschrieben: Sie stehen vor einem Haus in München. Geht die Tür auf und es kommt der Bayern-Fan aus dem ersten Stock raus. Und dann geht die Tür wieder auf und es kommt der Sechzig-Fan aus dem dritten. Das heißt: Die Polizei kann die Münchner Fans nicht flächendeckend auseinanderhalten. Bei problematischen Auswärts-Gruppen ist das ganz anders. Sie werden von der Polizei am Bahnhof in Empfang genommen – beziehungsweise ihre Busse werden direkt hinter die Ostkurve geleitet. Wenn die Münchner Polizei regelmäßig an die 10.000 Frankfurter, Stuttgarter, Schalker quer durch die Innenstadt und Schwabing in die Arena leiten kann, warum sollte das nicht auf den wenigen Minuten U-Bahn Richtung Giesing mit ein paar hundert Gästefans gelingen können.
  • 5. Lotte ist nicht der FC Bayern: Die Gästemannschaften der dritten Liga werden in der Münchner Debatte oft überschätzt. Im Rathaus und in Kommentaren im Netz raunt es immer wieder, das Derby-Szenario müsse man künftig wohl alle zwei Wochen erwarten. Was für ein Unfug. Häufig wird diskutiert, als wären in der dritten Liga 17 riesige Problemfangruppen in Giesing zu Gast. Das stimmt aber nicht. Ja, wahrscheinlich käme Hansa Rostock ins Grünwalder Stadion, vielleicht auch der Karlsruher SC und/oder Waldhof Mannheim. Aber eben auch Lotte, Aalen, Großaspach, Meppen, Fortuna Köln, Wehen Wiesbaden und ähnliche Kaliber. Viele Spiele ohne jede Brisanz, bei denen vermutlich nur so ein Mini-Häufchen Fans mitkäme, dass nicht einmal die Ostkurve geöffnet wird, geschweige denn ein nicht-Fußball-interessierter Giesinger bewusst einen Großaspacher zu Gesicht bekommen wird.
  • 6. Den Ärger gibt es in der Stadt: Das Sicherheits- und Überwachungssystem in den Stadien ist inzwischen so effizient, dass die Probleme eher auf der An- und Abreise auftreten. Das zeigte sich auch am Wochenende, das Aufeinandertreffen von Fangruppen gab es am Sendlinger Tor, auch trafen sich die roten Fans schon vormittags dort. Nur: Das wäre genauso, wenn man woanders spielen würde, mit dem Sechzgerstadion hat es gar nichts zu tun.
  • 7. Die Verkehrssituation ist entspannt: Wer diese Saison häufiger in Richtung Grünwalder unterwegs war, hat gesehen, wie entspannt An- und Abreise ablaufen. Auch bei ausverkauften Abendspielen dürfte manchem Pendler im Liga-Alltag in der U1 und U2 gar nicht aufgefallen sein, dass Fußball ist. Es war immer genug Platz für alle, übrigens auch auf den großen Straßen rund ums Stadion, wo der Auto-, Bus- und Tram-Verkehr selbst rund um An- und Abpfiff immer flüssig lief. Die geplante kleine Kapazitätserweiterung wird daran nichts ändern.

Natürlich: Es ist okay und nachvollziehbar, wenn Münchner den Kopf schütteln über einen Riesen-Polizeieinsatz und Fußballfans, die gewaltbereit sind (oder dafür gehalten werden). Es gibt Argumente für die These, dass nicht mehr länger die Allgemeinheit für die Sicherheit um die Spiele zahlen soll.  Aber: Menschen begehen Straftaten, nicht Stadien.

Und noch ein Gedanke zum Abschluss: Was wäre denn besser gewesen, hätte man das Derby am Wochenende (wie vom FC Bayern geplant) in der Arena gespielt? Zehntausende Fans wären auf einer U-Bahn-Linie nach Fröttmaning gefahren – quer durch Schwabing, wo übrigens auch viele Münchner im Alltag mit Fußball-Fans in den Bahnen konfrontiert werden. Es hätten sich auf der unübersichtlichen Esplanade Rote und Blaue vermischt, alle wären sofort nach dem Spiel wieder zur Bahn gedrängt, weil niemand sich noch auf gemütliche Bierchen in der Nachbarschaft aufhält. Fangruppen hätten sich genauso davor und danach in der Innenstadt aufgehalten - und sich genauso provoziert. Was besser gewesen wäre? Eigentlich nichts.

Nein, dieses Derby ist ganz sicher kein Argument gegen Sechzig-Alltag in Giesing. Und ziemlich sicher auch keins für Derbys in der Arena.

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