TSV 1860 München: Christian Köppel im großen Weihnachts-Interview
München - AZ-Interview mit Christian Köppel: Der 23-Jährige spielte seit der Jugend als Linksverteidiger beim TSV 1860
AZ: Herr Köppel, mit vier Treffern gehen Sie als fünftbester Torschütze des TSV 1860 in die Winterpause. Da könnte man bei Trainer Daniel Bierofka glatt einen Positionswechsel beantragen.
CHRISTIAN KÖPPEL: Nicht schlecht, oder? Damit hätte ich nie gerechnet. In meine erste Saison bei den Junglöwen bin ich ja als Stürmer gestartet, in der U13. Es hieß aber schnell: Den stellen wir lieber in der Abwehr auf.
Hans Sitzberger, der Köppels Worte offensichtlich gehört hat, steckt den Kopf in den Raum und sagt: "Christian, für mich bist Du die Überraschung der Saison." Köppel dankt dem Vizepräsidenten, der anschließend wieder geht.
Ein präsidiales Lob – dürften Sie sicher gerne hören.
Ja, auch wenn es zwischen Tür und Angel war (lacht). Ich bin selbst dankbar über die Hinrunde und dass ich meinen Teil dazu beitragen konnte, dass wir da oben stehen. Nach dem Abstieg wusste man nicht: Geht es überhaupt weiter? Was macht der Verein? Was macht der Investor? Wie reagieren die Fans? Von daher müssen wir super zufrieden sein. Sechzig lebt wieder. Ein Teil davon zu sein, ist gigantisch.
Sie überraschten nicht nur durch Ihre Treffer, sondern auch durch das, was hinter Ihrem Torjubel steckt: Sie haben sich öffentlich zu Ihrem Glauben bekannt.
Ich bete nicht um drei Punkte oder dafür, dass ich jedes Mal der Beste bin. Ich will den Glauben nicht dazu instrumentalisieren, um für Erfolg zu beten. Das Talent, das ich von Gott erhalten habe, ist ein Geschenk. Das will ich nutzen. Deshalb bete ich für Kraft, für Gesundheit.
Wie leben Sie Ihren Glauben im (Fußball-)Alltag?
Ich versuche, den christlichen Glauben und das Wort Gottes in jedem einzelnen Moment umzusetzen. Am Wichtigsten ist für mich das Stichwort Nächstenliebe: Ich hege für mich den Anspruch, von Herzen gut zu sein.
Bald ist Weihnachten. Was bedeutet Ihnen die Geburt Jesus Christus und wie verbringen die Köppels den Heiligen Abend?
Ich Freude mich sehr darauf, bin ein absoluter Familienmensch. Wir feiern heuer mit vielen Verwandten bei meiner Oma. Wir gehen erst gemeinsam in die Kirche, essen – es gibt Ente, Blaukraut und Knödl – und danach ist Bescherung. Vielleicht lese ich spontan etwas aus der Bibel vor. Es gibt aber kein besonderes Ritual, denn ich lese täglich daraus, gehe danach ins Gebet und bin so gut für den Tag gewappnet. Meine Eltern und meine Freundin sind auch gläubig und finden toll, wie ich das lebe – aber eben nicht nur an Weihnachten.
Fällt Ihnen das in der heutigen Leistungsgesellschaft und dem Haifischbecken Profifußball manchmal schwer?
Klar gibt es diese Ellbogengesellschaft, gerade im Sport. Einer schafft es durch Fleiß und Fairness, ein anderer geht über Leichen. Ich präferiere, mir über meinen Glauben ein festes Fundament zu setzen, keine Angst zu haben und mich auch in schweren Zeiten daran festhalten zu können.
Haben Sie bereits eine solche Phase erlebt, in denen Sie auf die Probe gestellt wurden?
Früher war Fußball neben meiner Familie DER Schwerpunkt in meinem Leben. Es war schon immer mein Traum, Profifußballer zu werden. Vor einigen Jahren, kurz nachdem ich zum Glauben gefunden hatte, gab es eine einschneidende Situation: Ich hatte unter Torsten Fröhling die Chance, bei den Profis zu trainieren – und zog mir einen Wadenbeinbruch zu. Kaum war ich wieder fit, erlitt ich dieselbe Verletzung nochmal. Damals haben sich meine Prioritäten verändert. Ich habe erkannt: Der Glaube ist mein Lebenselixier. Das hat mir enorm geholfen, um daran nicht zu zerbrechen.
Kämpfer, Meister, Retter - das ist Daniel Bierofka
Wo Sie es ansprechen: Wie haben Sie zum Glauben gefunden?
Durch meinen Mitspieler Lucas Genkinger. Er hat mich vor etwa drei Jahren zum Sportlergottesdienst mitgenommen. Der ist jeden Donnerstag und eigens für Sportler, die am Wochenende keine Zeit für die Kirche haben. Meistens in Grünwald, in der evangelischen Freikirche. Ich habe schon vorher an Gott geglaubt, aber es nicht so gelebt. Dort habe ich mich hinterfragt und festgestellt: Genau das brauche ich in meinem Leben. Es ist eine schöne Gemeinschaft, auch Lukas Aigner, Sebastian Koch, einige Nachwuchsspieler und Sportler von anderen Vereinen kommen mit. Egal, welche Konfession oder Religion: Jeder ist dazu herzlich eingeladen. Ob er es annimmt oder nicht, ist durch den freien Willen jedem selbst überlassen.
Liegt in dieser Toleranz auch die Freundschaft zu Mohamad Awata begründet, der als syrischer Kriegsflüchtling zu den Löwen gekommen ist?
Könnte man schon sagen. Ich habe schnell gemerkt: Mo hat etwas Herzensgutes an sich, ist wohl wegen seiner Vorgeschichte sehr demütig. Wenn ihn einer umhaut, steht er einfach wieder auf und spielt weiter. Er ist auch ein gläubiger Mensch und sagt, dass ihm das Verhältnis zu seinen Mitmenschen wichtiger ist als Fußball. Wir treffen uns öfter bei ihm zum Arabisch essen oder bei mir zum Champions-League-Abend. Ich Freude mich sehr für ihn, dass er die Chance hat, hier zu leben.
Man ist geneigt zu sagen: Würden bei Sechzig alle ihrem Nächsten so begegnen wie Sie, gäbe es im Verein keine Auseinandersetzungen, wo es neben machtpolitischen Themen auch um gegenseitigen Respekt und interkulturelle Differenzen zu gehen scheint.
Feuer mit Feuer zu bekämpfen ist nie der richtige Weg. Wenn jeder seinen Sturkopf durchsetzen möchte, funktioniert es nicht. Aber das ist ein schwieriger Komplex, sonst hätte er sich längst geklärt. Als Spieler versucht man, sich rauszuhalten. Ich denke: Wenn man sich die nötige Wertschätzung entgegenbringt, kann man in gemeinsamen Gesprächen schon viel gewinnen. Wir Spieler, der Biero – der alles für Sechzig gibt – der ganze Verein und erst recht die Fans, deren Herzen für die Löwen schlagen: Jeder wünscht sich ein Miteinander.