TSV 1860: Die Löwen im Hintergrund – Norbert Stegmann ist der Meister der Kabine
München - Er ist ein Bär von einem Mann. Baut er sich auf, könnte sich selbst ein gestandener Drittliga-Profi einschüchtern lassen. Bei den Löwen ist er als Trikot-Träger der anderen Art bekannt: als Kabinen-Meister. Kisten-Schlepper. Kummer-Kasten der Spieler.
Die Rede ist von Norbert Stegmann, dem "Steges", wie er bei den Sechzgern nur gerufen wird. Der 72-Jährige ist beim TSV 1860 eine Institution. Seit dem Jahre 1996 ist er Zeugwart.
Zuerst in der Jugend, wo der einstige Spieler ("Bis zur U 11 hab' ich selber bei 1860 gekickt") zusätzlich sogar als Torwarttrainer wirkte. Seit 2017 bei den Profis. "Es gab so viele: Kevin Volland, Julian Weigl, die Bender-Zwillinge, der Timo Gebhart - alle waren bei mir", zählt Stegmann im Gespräch mit der AZ jene Junglöwen auf, die es auf die ganz große Fußball-Bühne schafften.
Stegmann schwärmt: "Schäfer war für mich ein Musterprofi"
Mit fast allen seiner einstigen "Schützlinge", denen er über seinen Kernjob hinaus teils so etwas wie eine Vaterfigur war, verbinden ihn schöne Erinnerungen. "Marcel Schäfer war für mich ein Musterprofi. Der hat nie gemault, wenn er einen Ball holen musste. Er war nie das größte Talent, er musste sich alles hart erarbeiten - und hat trotzdem eine tolle Karriere hingelegt."
Der jetzige Sportchef von Bundesligist VfL Wolfsburg und der Steges sind immer in Kontakt geblieben - und der erste Weg, wenn Ex-Löwe Schäfer immer mal wieder bei den Sechzgern vorbeischaut, führt zu Stegmann. Aktuelle Beispiele für dieselbe Zuneigung: Efkan Bekiroglu, inzwischen beim türkischen Erstligisten Alanyaspor, schlug kürzlich mal beim 1860-Training auf und landete direkt in den mächtigen Armen des Zeugwarts. Über die aktuellen Löwen sagt er: "Sie sind alle großartig, selten hat mein Job so viel Spaß gemacht."
Das war für Stegmann der schlimmste Moment seiner Karriere
Seine prägendsten Augenblicke erlebte Stegmann innerhalb nur eines Jahres. "Der schlimmste Moment, an den ich mich erinnern kann, war der Abstieg 2017. Im Normalfall weinen die Spieler, schimpfen oder fluchen, zeigen irgendwie ihre Emotionen. In diesem Moment war einfach nur Stille, alle haben sich geduscht, umgezogen - und sind abgehauen."
Der Nicht-Aufstieg letzten Sommer im Saisonfinale gegen den FC Ingolstadt hat ebenfalls "brutal wehgetan", doch mehr gestört hatte Stegmann diese Gleichgültigkeit nach dem Absturz sowie die Sprachbarriere unter Trainer Vitor Pereira. Der hatte zwar viele internationale Stars um sich geschart, aber keine echten Löwen beisammen.
Was für ein Glück für Stegmann und seine Sechzger, dass Vereinsikone Daniel Bierofka seine bessere U21 schon in der folgenden Spielzeit in die Dritte Liga führte. "Nach dem Abpfiff im Relegationsrückspiel gegen Saarbrücken haben wir alle einfach nur gefeiert: im Stadion, auf diesem Doppeldecker-Bus und bis in die Nacht. Ich weiß aber noch: Als das Stadion leer war, lag ich einen Moment ganz alleine am Mittelkreis. Ein sehr schöner Moment. Dann ist stundenlang das Bier geflossen, bis es ausgegangen ist."
In Buchbach müssen die Spieler mit den Fans aufs Klo
Witzige Geschichte am Rande: Bei Aufstiegsheld Aaron Berzel hatte Stegmann einmal versehentlich "Brezel" aufs Trikot geflockt. "Dafür sollten sie mir einen Orden verleihen", so Stegmann lachend, denn das versteigerte Wortwitz-Leiberl brachte 1860 Euro für den guten Zweck ein.
Was seinen Job anbelangt, denkt Stegmann nicht in Zahlen, er denkt in Trikotsätzen, Stufen oder Kabinengrößen. "In Würzburg ist es blöd, da müssen wir die Kisten über mehrere Treppen schleppen." Freitags-Gegner im Totopokal-Viertelfinale (19 Uhr), der TSV Buchbach, erinnere Stegmann an Sechzigs Regionalliga-Zeit, wo der Kontrahent noch spielt: "Dort sind die Kabinen so klein, da passen wir kaum alle rein. Und die Spieler müssen mit den Fans auf ein öffentliches Klo. Naja, Hauptsache wir gewinnen!"
Und wie lange machen Sie das alles noch mit, Herr Stegmann? "Ich bleib' so lange bei Sechzig, bis sie mich raustragen", meint Stegmann vielsagend. Möge es ihm vergönnt sein, dass er bis dahin noch viele Löwen-Trikots zurechtlegt.
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