Schlagabtausch bei den Löwen: Ein Sieg für Reisinger

München - Frieden bei den Löwen? Nicht zwischen Robert Reisinger und Peter Cassalette. "Dass Reisinger einen Tag vor der Mitgliederversammlung gegen mich nachtritt, ist ein schäbiges Verhalten. Damit will er von seinem eigenen Fehlverhalten ablenken. Er ist kein falscher Fünfziger, sondern ein falscher Sechziger", wütete Ex-Präsident Cassalette (hier geht's zur Meldung), jetzt 1860-Aufsichtsrat und Statthalter von Investor Hasan Ismaik am späten Samstagabend in einer Presseerklärung, nachdem ihn sein Nachfolger im Zuge der hochdefizitären Abstiegssaison (Fehlbetrag: 22 Millionen Euro!) scharf kritisiert hatte.
Am Sonntag trafen sich die Löwen zur Mitgliederversammlung in der Kulturhalle Zenith (Liveticker zum Nachlesen). "Ich bin nicht der Präsident des Kuschelkurses, aber auch nicht der Präsident der Konfrontation", stellte Reisinger klar und erntete warmen Applaus. Vereinzelt wurde der Oberlöwe in teils hitzigen Diskussionen jedoch auch angefeindet. Die alles überlagernde Frage hieß aber: Kann das "Team Profifußball" den aktuellen Vereinskurs kippen?
Berichte, Diskussionen, Wahlen - die AZ liefert die wichtigsten Fakten zur Tagung von Sechzigs höchstem Vereinsorgan.
Bisherige Verwaltungsrät behalten die Hoheit
Wahl des Verwaltungsrats: Was für ein klarer Sieg für die Initiative "Pro 1860" gegen das "Team Profifußball"! Von dem neuen Zusammenschluss hat es nicht ein einziger Kandidat in den Verwaltungsrat geschafft. In diesen wurden gewählt: Verena Dietl (773 Stimmen), Robert von Bennigsen (670), Sebastian Seeböck (666), Nicolai Walch (657), Dr. Markus Drees (610), Christian Groß (577), Sascha Königsberg (574), Gerhard Mayer (562) und Norbert Steppe (549).
Pikant: Königsberg erklärte zuvor, dass die vielzitierte "Nadelstich-Politik" von Verwaltungsrats-Boss Drees und Co. im "Kicker" "aus dem Zusammenhang gerissen" wurde und sich nicht gegen Ismaik gerichtet, sondern darauf abgezielt habe, "zwei Leute von der Gehaltsliste zu bekommen, die ungewöhnlich viel bezogen haben". Wohl Ex-Geschäftsführer Anthony Power und auch dessen Nachfolger, der ehemalige Liverpool-Boss Ian Ayre.
Video-Botschaft von Michael Scharold: Immer wieder was Neues bei den Löwen, und nicht allzu professionell: Der abwesende KGaA-Boss Michael Scharold hielt seine Rede zum abgelaufenen Löwen-Jahr nur per Video - wegen des Applauses teils nur schwer verständlich. Über Sechzigs rote Zahlen in der abgelaufenen und wohl auch neuen Saison (16, und 2,2 Mio. Euro) sagte er: "Wir stehen noch am Anfang eines Konsolidierungskurses." Cleverer, versöhnlicher Schachzug: Scharold dankte von Reisinger bis zu Ismaik allen Seiten. Trainer Daniel Bierofka (U19-EM in Finnland) und Sportchef Günther Gorenzel ("Wir können das ohnehin nicht beeinflussen") waren ebenfalls nicht vor Ort.
Stadionfrage: Hintergrundgespräche mit der Stadt
Stadionfrage: Es sollte sich laut Reisinger nicht so viel um die ausgegliederte Fußballabteilung drehen, da es "um Wohl und Wehe des Vereins" gehe. Daher erklärte Sechzigs Verwaltungsrätin und Stadträtin Verena Dietl zunächst, dass man für den Neubau einer Turnhalle drei Standorte habe, der Klub nur zehn Prozent mitfinanzieren müsse und man "so nahe dran wie nie zuvor" an einer Verwirklichung einer gemeinsamen Heimat der verteilten Abteilungen zu bekommen. Über die Stadionfrage ließ sie schließlich durchblicken, dass man mit der Stadt im Hintergrund Gespräche führe und dabei nach einem weiteren Ausbau strebe: "Wir wollen das Maximum."
Clinch Reisinger gegen Cassalette: Während das aktuelle Präsidium für zurückliegende Amtszeiten entlastet wurde, straften die Mitglieder Cassalette mit einer Nicht-Entlastung für die Abstiegssaison ab. Das Geschehen stand sinnbildlich für eine Veranstaltung, bei der Reisinger mit seiner Sparkurs-Politik wie schon im letzten Jahr einen Punktsieg einfuhr - ohne überhaupt zur Wahl gestanden zu haben.
Weiter spannend wird dagegen bleiben, wie Reisingers Löwen irgendwo zwischen Kuschel- und Konfrontationskurs mit den ungeliebten Herren Ismaik und Cassalette einen kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Reisingers klare Botschaft, entgegen dem Machtstreben des Jordaniers: "Der Verein sind wir - wir alle, die hier sind."