Rainer Koch über Ismaik: "Fußball-Wissen? Übersichtlich!"

Der 58-jährige Jurist ist seit 2004 Präsident des bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), 2015/16 war er zusammen mit Reinhard Rauball kommissarischer Präsident des DFB.
AZ: Herr Koch, Investor Hasan Ismaik spaltet die Löwen-Anhänger. Sie kennen den Jordanier aus persönlichen Gesprächen. Ihr Eindruck?
RAINER KOCH: Ein arabischer Geschäftsmann mit übersichtlichen Kenntnissen vom Fußballgeschehen in Deutschland, immer freundlich und höflich. Er kam vor gut einem Jahr mit seinem Bruder und einigen weiteren Personen zu mir in die BFV-Zentrale. Mir gegenüber hat er sich immer respektvoll verhalten, obwohl ich ihm immer klar und deutlich begegnet bin. Ich habe ihm damals erklärt, warum auch ich für die 50+1-Regel bin.
Wie haben Sie argumentiert?
Ich habe ihm mein Verständnis von Fußball in Deutschland erläutert. Und zwar, dass in den Profiligen natürlich Geld eine große Rolle spielt, aber der unternehmerische Ansatz eben nicht der einzige ist. Es ist nichts wichtiger als die Einheit des Fußballs. Deswegen dürfen wir nicht zulassen, dass alles kommerziell betrachtet wird.
Und es geht um Identität und Wettbewerbsfähigkeit, oder?
Ich bin weder Traditionalist noch Romantiker. Natürlich braucht es Investoren und Sponsoren. Ein Regionalliga-Verein wird sich nicht nur durch Zuschauereinnahmen finanzieren können. Die Frage ist aber, wie diese Unterstützung aussieht. Kommerzielle Interessen dürfen den Spielbetrieb nicht ausschließlich bestimmen.
Koch verteidigt die 50+1-Regel
Der Löwen-Investor gilt indes als hochumstritten. Er lässt Medien aussperren und unliebsame Kommentare auf Facebook löschen. Wie passt das alles mit den Prinzipien des BFV und des DFB zusammen?
Vereinsinterne Abläufe kann, darf und will ich nicht kommentieren. Den Ausschluss von Medien habe ich seinerzeit unmissverständlich kritisiert.
Sie sind hin und wieder bei Ihren DFB-Kollegen in Frankfurt. Was halten diese davon, dass der Mehrheitseigner der Sechzger die 50+1-Regel kippen möchte?
Die 50+1-Regel steht seit Jahren juristisch im Feuer. Wer Fußball nur als kommerzielles Business begreift, möchte alleine und ungestört über die Geschäfte "seines" Unternehmens bestimmen, stört sich deshalb an der mit dieser Regel verbundenen Beschneidung unternehmerischer Freiheiten und beruft sich auf europarechtliche und andere Gesetze.
Wir verstehen Fußball anders und wollen, dass Profifußball vorrangig als Sport und nicht nur als kapitalistisches Investment begriffen und reguliert wird. Genau deshalb gibt es die 50+1-Regel.
"Die 50+1-Regel gilt in der Regionalliga Bayern"
Investor Ismaik hat im AZ-Interview indes die These aufgestellt, dass der BFV die 50+1-Regel kurz vor der Lizenzentscheidung bei 1860 wohl im stillen Kämmerlein verankert habe.
Das ist falsch interpretiert. Es gab kein Gespräch zu diesem Thema mit irgendjemandem von 1860. Ich habe mitbekommen, dass die Anwälte von Herrn Ismaik an die Sechzger geschrieben hatten, die 50+1-Regel würde in der 3. Liga ja nicht mehr gelten. Ich wurde gefragt, ob das stimmen würde. Ich habe meine Leute gebeten, aufzuschreiben, wie bei uns die Regelungen sind.
Wie sind Sie?
Kapitalgesellschaften sind in unseren Statuten anders als bei DFB und DFL nicht explizit festgeschrieben, der BFV kennt nur eingetragene Vereine als Mitglieder. Trotzdem haben wir Vereine mit ausgegliederten Kapitalgesellschaften seit einigen Jahren zum Spielbetrieb zugelassen und die Anwendung der 50+1-Regel in den Lizenzvereinbarungen des BFV mit dem einzelnen Verein jeweils mit einem Verweis auf die Statuten von DFB und DFL geregelt. Für die zweite Mannschaft der Löwen hatte Anthony Power diesen Vertrag als Geschäftsführer der KGaA unterschrieben.
Nachdem die Anwälte von Ismaik schon für die 3. Liga behauptet hatten, die 50+1-Regel würde nicht gelten, obwohl es im DFB-Statut für die 3. Liga klar drinsteht, habe ich gesagt: 'Leute, jetzt vermeiden wir, dass der BFV mit Herrn Ismaik darüber streiten muss, ob eine Vereinbarung, die Herr Power für die zweite Mannschaft unterschrieben hat, plötzlich nicht mehr gelten soll. Lasst es uns in der Satzung klarstellen.' Das hat sich als wirkungsvoll herausgestellt. Der BFV ist ein Verband, der sehr schnell reagieren kann. Es ist alles satzungskonform gelaufen, jeder weiß jetzt: die 50+1-Regel gilt in der Regionalliga Bayern.
Gegner von 1860 brauchen Ausweichstadien
Die ganze Regionalliga Bayern ist gespannt, wie es nun weitergeht, von den Löwen-Fans ganz zu schweigen. Wie ist der Stand?
Der Lizenzvertrag für die Regionalliga ist zwar noch nicht unterschrieben. Ich sehe aber keine unüberwindbaren Hindernisse und gehe deshalb davon aus, dass die Löwen nächste Saison in der Regionalliga Bayern spielen werden.
Haben Sie keine Sicherheitsbedenken?
Die Frage, wo jedes einzelne Spiel stattfindet, ist mit der Lizenzierung noch nicht geklärt. Es gilt, sich mit den Sicherheitsbehörden abzustimmen. Die Vereine müssen Ausweichstadien für Spiele anbieten, die sie bei sich nicht austragen können. Ein Beispiel: Die zweite Mannschaft des 1. FC Nürnberg spielt normalerweise auf dem Trainingsgelände.
Sicherheitsspiele können dort nicht ausgetragen werden. Wir versuchen, die Regionalliga für die Vereine so billig wie möglich zu halten. Aber Sicherheit steht zuerst. Nürnberg II kann zum Beispiel gegen den TSV 1860 München nicht am Valznerweiher spielen. Zugleich möchte ich an die Sechzger-Fans appellieren: Regionalliga ist in den vorhandenen Stadien nur möglich, wenn sich alle an die Regeln halten.
Bierofka? "Ein Glücksfall"
Alle haben die Bilder aus der Arena im Kopf.
Ich setze darauf, dass sich auch die Ultras an die Regeln halten, weil sie sonst keine Tickets für die Spiele bekommen können. Wenn wir ein Stadion mit 2 500 Plätzen haben, gibt es nur 250 Gästetickets. Man kann ganz klar mit 1860 besprechen, wer diese Tickets bekommen soll. Die Ultraszene wird sich klar entscheiden müssen, ob sie bei den Spielen dabei sein will oder nicht.
Ich möchte, dass sie dabei sein können und bin mir mit Präsident Robert Reisinger und Geschäftsführer Markus Fauser einig, dass wir uns um eine Verständigung mit den Ultras bemühen wollen.
Mit den Derbys gegen den FC Bayern II stehen Hochsicherheitsspiele an. Beide Kontrahenten dürften die Meisterschaft untereinander ausmachen, oder nicht?
Unterschätzen Sie die anderen Teams nicht. Ich weiß nicht, ob nicht zum Beispiel auch der FC Schweinfurt 05 schon im nächsten Jahr soweit ist.
Abschließend: Sie sind auch Fußballfan. In all dem Chaos stand ein Mann immer bedingungslos zu den Löwen: Daniel Bierofka.
Es ist ein Glücksfall, dass er sofort übernommen hat. Es ist ohnehin bemerkenswert, wie alle Beteiligten jetzt die Lage beruhigen: Markus Fauser, Robert Reisinger sowie Heinz Schmidt und Hans Sitzberger. Man stelle sich vor, die beiden Vizepräsidenten hätten auch noch den Rücktritt erklärt.
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