Peter Grosser: Das traurige Familien-Schicksal der Löwen-Legende
München - Auch am Wochenende noch kamen traurige Menschen zu der kleinen Gedenkstätte, direkt am Eingang zum Trainingsgelände der Sechzger. Legten Blumen nieder, zündeten ein Kerzerl an, blieben stehen und hielten inne vor den Kränzen, vor den Bouquets mit den weiß-blauen Schleifen.
Meisterschale: Der größte Erfolg in der Klubgeschichte des TSV 1860
Vor dem großen Schwarz-Weiß-Bild, Peter Grosser mit der Meisterschale, manche waren damals vielleicht ja selbst noch dabei, an diesem Regentag im Mai 1966, dem größten Erfolg in der Klubgeschichte des TSV 1860. Viele werden an den grandiosen Fußballer mit der feinen Ballbehandlung gedacht haben, der seine Gegenspieler reihenweise umkurvte und düpierte. Und gleichzeitig aber auch an den machtlosen Menschen, der in einer fürchterlichen Tragik seinerseits vom Schicksal so gnadenlos ausgespielt wurde.
An sich hätte es ja ein recht gelungenes Leben sein können, die Erfolge als Spieler und Meisterlöwe, später dann als Trainer und Vize-Präsident bei der SpVgg Unterhaching. Dazu mit einer schönen Wohnung mitten in der Stadt in der Sendlinger Straße, von wo aus er zu Fuß den Viktualienmarkt, sein Lieblingsplatzerl, so leicht erreichen konnte. Auf einen Kaffee und manchmal auf eine Halbe, am liebsten unter dem strahlenden Münchner Himmel in den Löwen-Farben weiß und blau.
Harte Schicksalsschläge: Peter Grosser verlor zwei Kinder
Und doch hat ein Tag so sonnig gar nicht sein können, als dass nicht doch permanent ein Schatten, ein trüber Schleier auf Peter Grossers Seele lag. Was ihm widerfuhr, dass seine beiden Buben vor ihm hatten gehen müssen, nie hat er es verschmerzt und verwunden, wie denn auch. Auch bei der letzten Begegnung an diesem herrlichen Herbsttag 2018 vor seinem Stammcafé im Asamhof wurde seine Stimme brüchig, als er sagte: "Manchmal fragst dich schon, warum das so brutal zuschlägt. Ein Kind zu beerdigen, ist schon furchtbar. Aber zwei. Drüber weg kommst du nie." Seinen ersten Sohn, den Peter junior, erwischte es 1979, mit gerade einmal 19. Als Beifahrer bei einem Autounfall in Fürstenried, drei Tage lag er noch im Koma, dann starb er. Zu spät sei der Bub damals medizinisch versorgt worden, sagte Peter Grosser, und dass er sonst vielleicht doch noch überlebt hätte.

Beim Thomas ging es ganz schnell. Thomas Grosser, geboren im April 1965, keine sechs Wochen, bevor der glückliche Papa in Wembley um den Europapokal spielte. Wie der Vater war auch der Sohn ein sehr guter Fußballer, 1989 Stammspieler jener Unterhachinger Mannschaft, die erstmals in der Klub-Geschichte in die 2. Bundesliga aufstieg. Nach der Karriere arbeitete er als Verkaufsleiter in der Immobilienfirma von Mäzen Toni Schrobenhauser und kickte für die Alten Herren, die Senioren B der Hachinger, als er im Februar 2008 zum Hallentraining fuhr, als er dort tot zusammenbrach, ohne Vorwarnung, einfach so, als er seine Frau Doris hinterließ und seine drei Söhne Philipp (11) und die Zwillinge Max und Luis (6).
"Da muss der Liebe Gott einen Fehler gemacht haben"
Dass auch sein zweiter Sohn starb, erfuhr Peter Grosser auf Ibiza, wo er mit Schrobenhauser in dessen Villa über Hachings Zukunft sprechen wollte. Bei der ergreifenden Trauerfeier fünf Tage später, in der Kirche St. Korbinian in Unterhaching, sagte Peter Grosser: "Es bleibt die Frage nach dem Warum. Warum er? Warum so früh, im besten Alter?" Eine Frage, auf die Grosser nie eine Antwort fand, wie sollte er auch. Grosser zitierte damals noch die fünfjährige Tochter eines guten Freundes, die zum Tod von Thomas sagte: "Da muss der Liebe Gott einen Fehler gemacht haben." Auf dem Sterbebilchen stand: "Wenn du bei Nacht zum Himmel emporschaust, dann werde ich auf dem schönsten der vielen Sterne sitzen und zu dir herabwinken. Ich werde dir Trost und Licht senden, damit du mich in deiner Welt sehen kannst. Traurig sollst du aber nicht mehr sein, denn schau nur: Ich habe jetzt meinen eigenen Stern."
Vom Band liefen "One" von U2 und "Angel" von Robbie Williams, die Lieblingslieder von Thomas Grosser. Und ein Jahr später spielten sie "You'll Never Walk Alone" - beim Thomas-Grosser-Cup, einem Hallenturnier in Unterhaching, zu dem viele frühere Weggefährten kamen, von Ludwig Kögl bis Manni Schwabl, von Martin Max bis Bernhard Winkler. Bei der Siegerehrung sagte Vater Peter Grosser: "Vielleicht schaut der Thomas ja von seiner Wolke runter." Als Engel da oben. Im Lied von Robbie Williams heißt es: "Wohin es mich auch führen mag, ich weiß, dass mich das Leben nicht zerbrechen wird."
Löwen-Legende Grosser weigerte sich zu zerbrechen
Zu zerbrechen, dagegen wehrte sich Peter Grosser, der später auch den Tod seiner geschiedenen Ex-Frau und Mutter der gemeinsamen Buben zu verkraften hatte, bis zuletzt. Oft ging er in den Jahren danach aufs Grab am Hachinger Friedhof. "Dort kann ich klare Gedanken fassen", sagte er einmal. "Dort komme ich zur Ruhe." Und dort findet er nun auch seine letzte Ruhe. Peter Grosser muss jetzt nicht mehr ankämpfen gegen die ewige Trauer und den Schmerz, er hat nun seinen Frieden, der Schatten hat sich verzogen. Wahrscheinlich sitzen sie jetzt zu viert auf einer Wolke. Oder gleich noch viel weiter oben. Auf ihrem ganz eigenen Stern.