Null Tore und trotzdem schon 1860-Kultstürmer: Das Phänomen Linsbichler
Belek - Kaum ist Sascha Mölders weg vom Löwen-Fenster, wird bei den Giesingern ein anderer Stürmer gefeiert. Der "Linsi".
Null Tore, null Vorlagen, erst einen einzigen Startelfeinsatz beim 3:0 vor der Winterpause in Würzburg, so seine Bilanz: Jung-Stürmer Tim Linsbichler (20) hat beim TSV 1860 nicht ansatzweise so viel geleistet wie der ausrangierte Oldie, tatsächlich ist er kaum überhaupt in die Gänge gekommen.
Jubel von allen Seiten
Und dennoch wird der gebürtige Wiener bei jeder Gelegenheit gefeiert. In Dortmund (2:0), als Linsbichler als Joker ins Spiel gekommen war, hielt ein 1860-Fan ein "Linsi"-Schild in die Höhe. Im Trainingslager in Belek wird der hochaufgeschossene Kicker in jeder Trainingseinheit frenetisch bejubelt. "Li, li, Linsbichler!", stimmten die Fans gegen Hansa Rostock (3:1) an.
Doch woher kommt der "Linsi-Kult"?
"Diese Frage stelle ich mir auch", sagte der Österreicher lachend, als er zum Abschluss des Trainingslagers seine erste Medienrunde mit Bravour meisterte: "Das hat angefangen, als wir im Sommer in Windischgarsten waren, ausgelöst wahrscheinlich durch die österreichischen Löwen-Fans."
Quasi ein Heimspiel des Ösis. Linsbichler weiter: "Dass sich das jetzt über das halbe Jahr durchgezogen hat, überrascht mich. Aber es taugt mir. Ich find's selber auch witzig. Es ist schon ein cooles Gefühl, wenn die Fans nach jedem Tor im Training deinen Namen rufen."
Der Stoßstürmer gibt zu, dass sich selbst seine Mitspieler fragen, wie er es denn so tief in die Herzen der Löwen-Fans geschafft hat. "Die anderen Spieler fragen natürlich, wie ich das angestellt habe, dass mich die Fans so feiern."
Was eine Rolle spielt: Der Sommer-Neuzugang des Jahres 2020 hat einiges, das ihn zum Fanliebling macht. Da wäre seine sympathische Art, kombiniert mit der quälend langen Leidenszeit. "Das Jahr habe ich in der Reha begonnen und mit einem Stadioneinsatz beendet.
Vom Sorgenkind zum Startelf-Ersatz
Das war schon ein geiles Ende", meint er über seine Entwicklung vom Sorgenkind mit Schambeinentzündung zum Startelf-Ersatz von Spielmacher Richard Neudecker. Trainer Michael Köllner scherzte auf AZ-Nachfrage: "Vielleicht hat er die Fans auf der Tribüne bestochen." Ernsthaft schob er hinterher: "Es freut mich für den Jungen, wenn er gefeiert wird."
Sechzig mit Linsbichler in die Zweite Liga?
"Der Linsi ist ein netter Bursche, der leider keine leichte Zeit bei uns hatte", sagte Ober-Fan Roman Wöll, um das Mysterium zu lüften: "Ich steh' auf seinen Wiener Schmäh."
Die Hoffnung des Allesfahrers, trotz des Wissens darum, dass der Jungstürmer (vorerst) nicht an dem zuletzt bestens harmonierenden Duo Stefan Lex und Marcel Bär vorbeikommen wird: "Der Linsi schießt uns nauf!" Rauf in die Zweite Liga? Damit würde sich der Stürmer endgültig unsterblich machen bei den Blauen.
Linsbichler: Der Zopf kam durch Corona
Auch das äußere Erscheinungsbild Linsbichlers hat das Zeug zum Löwen-Kult. "Ich war immer ein großaufgeschossener Mann, schlanker als die anderen. Aber ich hab's irgendwie geschafft, dass ich's von der Koordination her hinkriege", witzelt der 1,93 Meter große Torjäger und sagt in Anspielung auf Mölders' Wampe von Giesing: "Ich muss körperlich noch zulegen, aber ohne Wampe."
Passender Spitzname: Die Stelzen von Giesing. Dazu kommt sein "Corona"-Zopf: "Der ist entstanden, als während Corona die Friseure zu waren. Viele sagen, ich muss ihn unbedingt abmachen. Ich sage: auf keinen Fall." Beine, Zopf, Leidenszeit: Bei Linsbichler ist irgendwie alles lang. Auch sein Atem auf der Jagd zum Premierentreffer?