Mit der Harley Davidson zum TSV 1860 München: Graham Agg über Ian Ayre
Ian Ayre steht auf Hubraum und Drehmoment. Motorenöl ist sein Geruch, nach Feierabend tauscht er das Sakko gegen die Lederjacke ein. Dieser Mann also, britische Gesichtszüge, dezent graues Haar, wird der künftige Geschäftsführer des TSV 1860. Ein Mann, der längst unter die Cruiser gegangen ist, dessen Leidenschaft seiner Harley Davidson gehört.
Als Ayre auf seiner Harley einst in Liverpool fotografiert wurde, kursierten bald Fotomontagen des 52-Jährigen in den sozialen Netzwerken. Eine zeigte ihn auf dem Drachen Fuchur aus "Die unendliche Geschichte" von Michael Ende, eine andere auf dem Wal Keiko aus dem Tierspielfilm Free Willy.
So spaßig diese Fotomontagen sind, so sehr versinnbildlicht der Harley-Kult um Ayre das Bild von einem Mann aus dem Volk. "Man konnte ihn öfters auf seiner Harley durch die Stadt fahren sehen. Normalerweise fährt ein Geschäftsmann luxuriöse Autos, einen Mercedes oder einen Porsche", erzählt Graham Agg im Gespräch mit der AZ. "Aber Ayre kommt auf einer Harley nach München."
Agg ist Liverpooler durch und durch, wie Ayre. Beide gingen an der Merseyside einst in dieselbe Schule, die Litherland High School. Litherland liegt sieben Kilometer nördlich vom Stadtzentrum. Hier kommen die bodenständigen Leute her, erzählt Agg.
"Ayre stammt aus einer einfachen Familie. Liverpool ist eine Arbeiterstadt. Auch sein Vater war ein Arbeiter." In diesem Umfeld wuchs der künftige Chef des Münchner Arbeiterklubs auf. 2014 lernten sich beide erstmals persönlich kennen. Er als Sekretär des Fanklubs German Reds Official Supporters Club – und Ayre als Chef des Premier-League-Vereins.
'Selfmade-Millionaire' aus der Arbeiterstadt Liverpool
Agg hat seit 1989 hat er eine Dauerkarte an der Anfield Road. Regelmäßig wird er von "BBC Merseyside" in eine Expertenrunde eingeladen, im "Liverpool Echo" hat er seine eigene Kolumne.
"Seine Eltern hatten früher kein Geld. Er ist, wie man bei uns in England sagt, ein 'Selfmade-Millionaire', einer, der durch harte Arbeit zum wohlhabenden Geschäftsmann wurde", erzählt Agg von der gemeinsamen Begegnung. Ayre hatte ihn in die Chef-Loge eingeladen, stellte ihm die amerikanischen Besitzer Tom Werner und John Henry vor.
"1860 hat einen Top-Mann geholt"
Alles, weil Agg Jahr für Jahr eine Fanfreundschaft mit Anhängern von Borussia Mönchengladbach organisiert. Es zeigt Ayres Nähe zu den Fans. "Er kennt die Stadt, den Verein, die Fans, er weiß, wie Liverpool tickt", sagt Agg über den nahbaren Menschenfänger: "1860 hat einen Top-Mann geholt." Einen, dessen Auftrag sich aus Liverpool damals auf Giesing heute wie per Schablone übertragen lässt.
Ein Rückblick: Das Jahr 2007. Liverpool lebt von seiner bewegten Vergangenheit – und mit großen finanziellen Schwierigkeiten. Ayre kommt als Commercial Director, "LFC akquirierte fortan viele Sponsoren, nahm richtig Geld ein", schildert Agg. Vor drei Jahren machten die Besitzer Ayre schließlich zum Geschäftsführer Sport.
Das Ergebnis: Liverpool wurde einmal Vize-Meister, erreichte mit dem von Ayre von Borussia Dortmund verpflichteten Teammanager Jürgen Klopp das Finale des League-Cups und der Europa League.
Es gab aber auch Kritik, insbesondere an seiner Transferpolitik. "Er sollte große Spieler holen, hat es aber nicht geschafft, diese zu verpflichten", erzählt Agg. Unter anderem soll es um Ex-BVB-Star Henrikh Mkhitaryan und Chelsea-Torjäger Diego Costa gegangen sein.
Mit solchen Kalibern wird es Ayre bei Sechzig (zunächst?) nicht zu tun haben. Aber mit vielen anderen Baustellen. Mancher in Giesing wartet gespannt auf den Tag, wann er erstmals auf seiner Harley an der Grünwalder Straße vorfährt.
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