Max Merkel: Schleifer, Provokateur, Autokrat

Max Merkel führte den TSV 1860 in die 1. Liga, zur Meisterschaft und dem Pokalsieg. Trotzdem ist der Trainer wegen seiner harten Methoden umstritten. „Uns hat‘s damals reihenweise umgehauen.“
Matthias Eicher |
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Von 1961 bis 1966 als 1860-Trainer erfolgreich: Max Merkel.
imago Von 1961 bis 1966 als 1860-Trainer erfolgreich: Max Merkel.

München - Wenn es um das Thema Max Merkel geht, mussten die Löwen-Spieler nicht nur früher keuchen. Auch heute noch atmen sie erst einmal tief durch, bevor sie über ihn sprechen. Mit ihrem damaligen Trainer verbinden sie Erinnerungen, die zu den schönsten ihres Lebens gehören. Andere dagegen hätten sie lieber verdrängt.

1918 in Wien geboren, bei Rapid Idol als Spieler, steht der Österreicher wie kein Zweiter für den Triumph der Löwen. Nach 13 Trainerstationen in halb Europa, von den Niederlanden über Heimatklub Wien bis nach Deutschland, Spanien und die Schweiz, hatte Merkel mit den Sechzgern mit die glanzvollste Zeit seiner Karriere. Von 1961 bis 1966 führte er sie im Jahresrhythmus in die eingleisige Bundesliga (1963), zum DFB-Pokalsieg (1964), ins Finale des Europapokals der Pokalsieger (1965) bis zur Meisterschaft (1966).

„Max Merkel war Vater des Erfolgs. Ohne ihn hätten wir zweifelsohne nicht so viele Siege errungen“, sagt Peter Grosser der AZ. Vom früheren Meisterkapitän stammt aber auch die legendäre Aussage: „Wir sind nicht wegen, sondern trotz Merkel Meister geworden.“

400-Meter-Läufe mit zwei Medizinbällen

Die Methoden des Meistertrainers? Heute undenkbar. Merkel war Schleifer, Provokateur, Autokrat. „Als ich damals zu ihm gekommen bin, erlitt ich einen mittelschweren Schock. Es war unvorstellbar, wie er mit seinen Spielern umging. Das war kein demokratischer Führungsstil wie heutzutage“, erzählt Alfred Kohlhäufl der AZ. In der Meistersaison lief der einstige Vorstopper in der Reserve auf, „ich wurde von ihm kaum bemerkt“. Und konnte sich daher von außen ein Bild davon machen, was ihm später während Merkels zweiter Amtszeit (1974-75) blühte, als auch Kohlhäufl ein zweites Mal für Sechzig spielte (1974-79).


 Von den Fans gefeiert: Eine Choreografie der 1860-Kurve für Ex-Trainer Max Merkel. Foto: Rauchensteiner/Augenklick

„Das Training war unglaublich hart. Zweimal täglich, am Spieltag ‚nur‘ einmal. Wir mussten Schwergewichte schleppen, 400-Meter-Läufe mit zwei Medizinbällen machen. Die Wenigsten kamen ins Ziel, uns hat‘s reihenweise umgehauen“, erzählt Kohlhäufl. Meisterlöwe Fredi Heiß ergänzt: „Wir haben Muskeln bekommen, wo es eigentlich gar keine gibt.“ Und Hansi Rebele, unter Merkel einer der Jungspunde, wusste: „Vor allem mit uns jungen Spielern ist er alles andere als zimperlich umgegangen.“

"Die Alkoholiker gewannen 7:1 - Sauft’s weiter!"

Kohlhäufl blieben zwei Dinge besonders im Gedächtnis: Einmal, als sich Otto Luttrop und Merkel „Nase an Nase gegenüberstanden“ und man „bloß drauf wartete, wer zuerst zuschlägt.“ Im letzten Moment seien die Spieler dazwischen gegangen, Luttrop wurde in Kohlhäufls Reserve strafversetzt. Zweitens: „Wer nicht spurte, musste zum Rapport. Mich hat er mal so zusammengeschissen, dass mir Hören und Sehen verging. Als ich mich dann verteidigen wollte, sagte er: Deine Märchen kannst deiner Oma erzählen.“ Legendär auch Merkels Sprüche, einst sagte er: „Im Training habe ich mal die Alkoholiker meiner Mannschaft gegen die Anti-Alkoholiker spielen lassen. Die Alkoholiker gewannen 7:1. Da habe ich gesagt: Sauft’s weiter!“

Die Spieler stimmten für seine Ablösung

In der Meistersaison eskalierte das Verhältnis zu Merkel. Dessen überhartes Training in der Winterpause, Auseinandersetzungen mit den Spielern, nicht selten mit Torwart Petar Radenkovic, „weil der am öftesten widersprochen hat“ (Grosser) vergifteten das Klima. Die Meisterschaft hielten die Spieler durch, aber in der nächsten Saison, als Merkel Torwart Wolfgang Fahrian verpflichtete, „Radi“ aussortieren wollte und 1860 in der Tabelle abstürzte, gingen die Spieler auf die Barrikaden: „Wir haben uns in einer Abstimmung für seine sofortige Ablösung ausgesprochen“, so Grosser. Erst mit 17:3 Stimmen, in einer Wiederholung gar mit 19:1 – Merkel musste gehen.

Seine zweite Amtszeit geriet weniger erfolgreich, später verdingte er sich als Autor („Zuckerbrot und Peitsche“) und Kolumnist einer Zeitung, 2006 starb er. Was bleibt? „Der Erfolg hat ihm Recht gegeben“, sagt Grosser. Auch, wenn es heute noch ein bisschen schmerzt.

Teil 1 der Serie: Die Meisterlöwen im Porträt

Teil 2 der Serie: Fredi Heiß - "Die schönste Zeit meines Lebens


Morgen lesen Sie: So erlebte Peter Cassalette die Meisterschaft

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