Löwen-Boss Cassalette - Peter, der Oberlöwe
München - „Wir sind verrufen als Chaoten-Verein. Das Chaotische müssen wir ordnen, dann kommt alles wieder in Ordnung.“ So lautet die Formel von Hans Sitzberger. Im Zenith, der Kulturhalle im Stadtteil Freimann, haben die Löwen gestern tatsächlich einen kleinen Schritt aus dem Chaos getan. Der TSV 1860 hat wieder einen Oberlöwen!
Peter Cassalette wurde bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von zirka 66 Prozent zum Präsidenten gewählt. 306 von 462 stimmberechtigten Löwen-Mitgliedern stimmten mit Ja, 133 Handzeichen gab’s contra Cassalette. „Da ist noch Luft nach oben“, sagte der 62-jährige Harlachinger nach der Wahl, „aber ich bin glücklich, dass die Mitglieder mir das Vertrauen ausgesprochen haben.“ Neben Cassalette wurden in Anwesenheit der beiden Ex-Präsidenten Albrecht von Linde und Gerhard Mayrhofer – der die Wahl durch seinen Rücktritt im Juni erst notwendig gemacht hatte – auch die Vizes gewählt: Hans Sitzberger wurde mit 309 Stimmen zum neuen Vizepräsidenten gewählt (95 Gegenstimmen), auch Peter Helfer wurde mit 294 Stimmen gewählt (88 dagegen) und darf eine weitere Amtszeit ausüben. „Ich bin froh, dass alle Wahlen positiv verlaufen sind. Heute Abend gehen wir noch was trinken, am Montagmorgen beginnt der Ernst des Lebens. Und der ist ernst genug.“
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Schon vor seiner Ernennung hatte der ehemalige Geschäftsführer von Ex-Löwen-Sponsor FTI seine erste Amtshandlung festgelegt: Kontakt zu Investor Hasan Ismaik herstellen. „Die Nummer hat mir schon jemand geschickt. Ich glaube aber nicht, dass man am Telefon ins Detail gehen sollte. Das werden wir face-to-face tun.“ Der neue Oberlöwe wolle dafür sorgen, dass der Jordanier wieder ein zuverlässiger Partner werde – oder im schlimmsten Fall eine Trennung vom Investor anstreben.
Um alle weiteren Themen wie die Stadionfrage anzugehen, die den Löwen-Fans teils gestern schon unter den Nägeln brannten, erbat sich Cassalette 100 Tage Einarbeitungszeit. Schon während seiner Vorstellung riefen vereinzelte Mitglieder nach einem „Konzept“, worauf Cassalette seine Rede merklich verkürzte und die Fans darum bat, etwas Geduld zu haben. Allesfahrer Franz Hell sprang ihm zur Seite: „Ich habe in den letzten Jahrzehnten noch keinen Präsidenten gesehen, der schon ein klares Konzept hatte, bevor er überhaupt gewählt worden ist. Es wäre das erste Mal in 50 Jahren, also geben wir ihm die Zeit.“
Wie bei der Wahl im Anschluss klar wurde, will das Gros der Mitglieder ihm diese geben. Cassalette bekräftigte hinterher: „Nur so kann ich mir einen Gesamtüberblick verschaffen. „Ich möchte kein Vorankündigungspräsident sein, sondern die Dinge wirklich umsetzen.“ Dabei sei ihm eines wichtig: Er wolle Präsident des Gesamtvereins sein und nicht nur jener der ausgegliederten Profi-Fußballabteilung.
Cassalette will sich auch als Löwen-Präsident „zum Anfassen“ geben, nicht den „Unnahbaren, der da oben in seinem Turm sitzt.“ Daher werde er auch in guter Werner-Lorant-Tradition, „zur Christl gehen und einen Espresso trinken“ – die Trainerlegende hat sich bei der Wirtin des Löwen-Stüberls oft sehen lassen. Welches Büro er an der Grünwalder Straße beziehen wird, ist ohnehin noch nicht geklärt. Zuletzt hieß es, dass der neue Sportchef Oliver Kreuzer ins Präsidentenzimmer ziehen werde. Cassalette dazu: „Ich definiere mich nicht über dieses Zimmer. Ich glaube, da werden wir schon eine Lösung finden.“ Wie gut Cassalette zum Problemlöser taugt und inwieweit er seinen Einfluss überhaupt geltend machen darf, wird er nun beweisen müssen. Die Mitglieder haben ihm gleich einen heftigen Auftrag erteilt. Der Antrag „raus aus der Arena“ zur Saison 2016/17 wurde mit 154:126 Stimmen angenommen.
Schwer zu erfüllen, wenn man nicht wieder im Chaos enden will.