Löwen, bloß kein Super-GAU
München - Er starrte mit leerem Blick über den Platz. Löwen-Kapitän Christopher Schindler blieb auf dem Feld stehen und ließ sich von Investoren-Vertreter Noor Basha trösten, bevor er wie eines von mehreren Häufchen blaues Elend vom Rasen des Karlsruher Wildparkstadions schlich.
Dass 1860 mit einer nicht zweitligareifen Vorstellung im Abstiegsfinale beim KSC mit 0:2 verloren und damit den direkten Klassenerhalt verpasst hatte, konnte er nicht fassen. „Mir fehlen die Worte für die Leistung“, sagte der Kapitän. Wo war das Aufbäumen? Der Wille im Kampf gegen den Abstieg? Leerlauf, Hinterherlaufen, Abstiegskrampf. Nur aufgrund der Tatsache, dass Erzgebirge Aue trotz Aufholjagd und einem Kopfballtreffer von Keeper Martin Männel aus einem 0:2 „nur“ noch den Ausgleich schaffte, kriegen die Löwen als Tabellen-16. eine letzte Chance. Der letzte Strohhalm, um den Super-GAU zu verhindern.
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Ein Abstieg würde nicht nur ein Auseinanderfallen dieser Mannschaft, die eh keine ist, bedeuten. Den Löwen würden allein an Fernseheinnahmen etwa sieben Millionen im Etat fehlen, das Amateur-Team müsste in die 5. Liga zwangsabsteigen, mit betriebsbedingten Kündigungen in der Geschäftsstelle ist zu rechnen. Ob Investor Hasan Ismaik nicht die Lust verliert, jedes Jahr Millionen in einen Verein zu stecken, der ihn eh nur enttäuscht, ist auch alles andere als klar (siehe Seite 25).
Die Löwen kämpfen gegen Kiel nicht nur gegen den Absturz in die Drittklassigkeit, für diesen Traditionsverein, den Meister von 1966, geht es vielleicht wirklich ums Überleben. Karsten Wettberg, der frühere Kult-Trainer, hat schon mal den Verantwortlichen für den Niedergang ausgemacht: „Gerhard Poschner ist eindeutig der Hauptschuldige“, sagte er im „Blickpunkt Sport“ über den Sportchef der Löwen.
„Dank anderer sind wir noch in der Relegation und können die Liga aus eigener Kraft halten“, resümierte Trainer Torsten Fröhling: „Jetzt müssen wir es aber selbst regeln!“ Wie schwer die Aufgabe in den Abstiegs-Verhinderungsspielen gegen Drittligist Holstein Kiel wird für die Löwen, lässt Schindlers wütende Selbsterkenntnis erahnen: „Wenn wir so in Kiel auftreten, kriegen wir auf die Fresse.“
Kiel? Da war doch was. Die Löwen-Profis wissen, was sie im 11 000 Zuschauer fassenden Holstein-Stadion erwartet. In der 1. Pokal-Runde gewannen sie beim Drittligisten zu Saisonbeginn 2:1. Fröhlings Vor-Vorgänger Ricardo Moniz saß damals als Trainer auf der Bank. Rubin Okotie, (damals noch) Top-Torjäger und mittlerweile Schatten seiner selbst, traf doppelt und verhinderte den Pokal-K.o. trotz der Tatsache, dass Kiel über eine Stunde lang das bessere Team war. Aber auch Fröhling kennt die „Störche“: In der Saison 2009/10 trainierte er dort die U23. Nach der Beurlaubung des damaligen Cheftrainers und Ex-Löwen-Coaches Falko Götz fungierte er für einige Wochen als Interimstrainer der Profis. „Das ist ein sehr gut geführter Verein. Das ist bestimmt keine dankbare Aufgabe“, sagte er.
Beim nächsten und um Längen bedeutenderen Duell beider Klubs treten die Löwen zunächst im hohen Norden gegen den Drittligisten an, das Rückspiel steigt schließlich in der Allianz Arena (siehe Kasten). Die Sechzig-Fans werden wie beim 2:1 gegen den 1. FC Nürnberg sicher wieder zahlreich erscheinen, um ihrem Traditionsverein mit ihren Stimmen voller Inbrunst und Abstiegsangst einen entscheidenden Impuls zu geben. Übrigens: Seit Wiedereinführung der Relegation gab es sechsmal das Duell Zweite gegen Dritte Liga – fünfmal gewann der Drittligist...