Ex-Trainer Karsten Wettberg: "Beim TSV 1860 stimmt es einfach nicht"
München - AZ-Interview mit Karsten Wettberg: Der jetzt 81-Jährige trainierte den TSV 1860 von 1990 bis 1992 und führte die Löwen in die Zweite Liga. Seitdem gilt er als der "König von Giesing".
AZ: Herr Wettberg, der TSV 1860 ist in der abgelaufenen Saison mit 57 Punkten Achter geworden. Was sagen Sie dazu?
KARSTEN WETTBERG: Das ist für jeden Löwen-Fan eine große Enttäuschung, da brauchen wir nicht darüber zu diskutieren. Fehler waren überall – die brauchen wir auch nicht aufzuzählen. Bei 1860 stimmt es leider in vielen Bereichen einfach nicht.
Karsten Wettberg: "Es gab zu viele Spieler, die nicht funktioniert haben"
Machen wir's trotzdem: Weshalb hat es Ihrer Meinung nach nicht für eine bessere Platzierung oder gar den anvisierten Aufstieg gereicht?
Wo soll man da anfangen? Als Sechzig unter Michael Köllner, den ich sehr schätze, Erfolg hatten, gab es eine Art Waffenstillstand der Gesellschafter. Leider hat auch Köllner Fehler begangen: Die Löwen hatten nie eine wirkliche Startelf. Es gab zu viele Spieler, die nicht funktioniert haben: Martin Kobylanski oder Raphael Holzhauser. Wenn man zwar ein feines Füßchen hat, aber nicht genug Biss, wird es schwierig.
Dafür waren mehrere Löwen am Schnapsglas gut unterwegs.
Ich sag' mal so: Die schwierigen Spieler sind oft die Besten. (lacht) Ich hätte einen Joseph Boyamba nicht gehen lassen. Einen solchen Spieler muss man in die Spur bekommen. Unter dem neuen Trainer Maurizio Jacobacci hat das am Anfang sehr gut geklappt. Leider war für Sechzig am Ende nichts mehr zu holen.
Verschenkte der TSV 1860 den Aufstieg? "Man darf seine Ziele nie frühzeitig aufgeben"
Die Interimsphase von Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel verlief alles andere als glücklich. Das Ende aller Träume?
Ich will Günther Gorenzel ja nicht unterstellen, dass es Absicht war, um sich zu profilieren. Da haben wohl viele Leute gedacht, dass man gegen die Teams da unten massig Punkte machen wird. Wenn man sich Osnabrück anschaut, wie die durchgestartet sind: Sechzig war zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit weg. Man darf seine Ziele nie frühzeitig aufgeben.
Wettbergs Forderung: "Der TSV 1860 braucht einen Torjäger"
Diese Kritik dürfte in Richtung Präsident Robert Reisinger abzielen, der genau dies getan hat.
Das kannst du nicht machen. Schade, dass Jacobacci nicht früher gekommen ist – vielleicht hätte es doch noch irgendwie gereicht.
Einen richtigen Torjäger hatte 1860 aber nicht: Fynn Lakenmacher ist mit gerade mal acht Treffern bester Schütze...
Für den Jungen ist das schön, denn er war ja zuvor bei Havelse, einem kleinen Verein. Aber wie Sie sagen: Sechzig braucht einen Torjäger, der 15, 20 Hütten schießt. Ich weiß auch nicht, was mit einem Marcel Bär passiert ist, aber der ist ja ohnehin weg. Lakenmacher hat sicher noch Entwicklungspotenzial, ich habe da einige technische Mängel erkannt. Vielleicht ist er in der zweiten Saison auch vom Kopf her weiter, denn bei 1860 hast du ganz anderen Druck.
Schmerzhafte Verluste: Wörl und Deichmann kehren dem TSV 1860 den Rücken
Was die Kaderplanung für die neue Saison angeht: 1860 hat bisher zehn Abgänge zu verzeichnen und noch keinen Neulöwen geholt.
Wie kann man einen Marius Wörl ziehen lassen? Das muss sich Gorenzel auf die Fahne schreiben lassen. Es ist auch sehr schmerzhaft, einen Mann wie Yannick Deichmann zu verlieren. Der war einer, der vollen Einsatz geliefert hat. Ich will nicht der Anführer der Gorenzel-Kritiker sein, aber vielleicht ist es Zeit für einen Neuanfang, wenn er ohnehin gehen will.
Künftig werden die Löwen kleinere Sechzger-Brötchen backen müssen: Der Etat soll auf 4,5 Millionen gesenkt werden.
Hasan Ismaik hält sein Investment momentan leider auch nur am Laufen. Diese Machtkämpfe müssen endlich aufhören. Kein Wunder, dass er nicht viel investiert. Wenn man ausnahmsweise mal wieder zusammenarbeiten würde, vielleicht würde wieder was gehen.
Lob für die Löwen-Fans: "Sechzig kann nicht die graue Mause der Dritten Liga sein"
Bei so vielen Unstimmigkeiten braucht der Löwen-Fan doch auch mal eine gute Nachricht. Was hat sie in der abgelaufenen Saison positiv gestimmt?
Die Fans selbst. Wenn 15.000 Zuschauer kommen, eine tolle Stimmung machen und nicht schon vor Spielschluss gehen, so wie bei den Bayern, dann ist das schon viel wert.
Ihr Aber ist schon fast zu hören.
Irgendwann braucht es wieder sportlichen Erfolg. Sechzig kann doch nicht die graue Maus der Dritten Liga sein! Wenn wir noch länger im Niemandsland herumdümpeln, dann sagt der eine Schulbub zum andren irgendwann: "Du Sechzger-Depp!" Ich hoffe, dass die Löwen wieder einen Weg miteinander finden, sonst hauen uns irgendwann die Fans ab.