Interview

Ex-Boss von TSV 1860 München: Investor Ismaik "das geringere Übel"

Ex-Präsident Gerhard Mayrhofer spricht in der AZ über Oberlöwe Robert Reisinger, die Organisation "Pro1860" und Hasan Ismaik.
Matthias Eicher
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Liefern sich einen unermüdlichen Machtkampf: Sechzig-Präsident Robert Reisinger und Investor Hasan Ismaik.
Liefern sich einen unermüdlichen Machtkampf: Sechzig-Präsident Robert Reisinger und Investor Hasan Ismaik. © IMAGO/Ulrich Wagner

Gerhard Mayrhofer (62) war im Juli 2013 zum Präsidenten des TSV 1860 München gewählt worden, im Juni 2015 trat er zurück und kündigte dann mit den Worten "Das ist nicht mehr mein Sechzig, das ist ein Verein von Schwanzeinziehern geworden" seinen Austritt aus dem Verein an. 

AZ: Herr Mayrhofer, beim TSV 1860 geht es derzeit hoch her – nicht auf dem Rasen, vielmehr auf vereinspolitischer Ebene: Was sagen Sie als ehemaliger Vereinspräsident dazu?
GERHARD MAYRHOFER: Ach, ich bin das gewohnt und habe es selbst nicht anders erlebt. Das Traurige an der Geschichte ist für mich, dass immer wieder von einem schlafenden Riese geredet wird – dabei zerstören sich die Löwen von innen heraus! Ich bin schon lange ein Löwe. Der Spruch "Einmal Löwe, immer Löwe" zählt noch immer, obwohl ich zwischenzeitlich einmal frustriert ausgetreten bin. Der Verein lässt mich nicht los, aber die aktuellen Entwicklungen stimmen mich ziemlich traurig.

TSV 1860: Mayrhofer sieht Ismaik als das "geringere Übel"

Was meinen Sie damit, Sechzig würde sich "von innen heraus zerstören"?
Hasan Ismaik ist in dieser Konstellation noch das geringere Übel. Der Investor ist gewiss nicht einfach, er knüpft seine Zahlungen gerne an schwerlich erfüllbare Forderungen und schachert bis zum Schluss, bevor er dann das Geld überweist. Das ist natürlich konfliktbehaftet und es war bei uns damals auch oft schwierig. Aber was noch schlimmer ist und mir überhaupt nicht gefällt, ist, dass man inzwischen alles auf Hasan Ismaik projiziert. Ob das die Ultras sind, der Präsident oder die ganze Vereinsführung: Ismaik ist einfach an allem schuld – anscheinend auch für das eigene Versagen.

Findet klare Worte für die Führung des TSV 1860: Ex-Präsident Gerhard Mayrhofer.

Beginnen wir mit der e.V.-Seite: Die Vereinsoberen verfolgen aktuell einen Konfrontationskurs gegen Ismaik. Nachvollziehbar?
Man kann das schon so machen, diesen Kurs zu fahren, aber dann müsste man als Vereinspräsident eine Alternative in der Schublade haben - und zwar neue Investoren. Ismaik loswerden zu wollen und sich zu fragen: "Was machen wir jetzt eigentlich?", das ist mir zu wenig. Es beschleicht einen langsam aber sicher der begründete Verdacht, dass die derzeitigen Zustände für die Vereinsführung schon genügen: Man spielt Dritte Liga, Hauptsache Grünwalder Stadion – ist doch alles gut. Verstehen Sie mich nicht falsch, das Grünwalder ist die Heimat der Löwen. Aber wo ist der Antrieb, nach vorne zu kommen?

Mayrhofer sieht Rückschritt bei der Profimannschaft des TSV 1860

Das müssten Sie ihren Oberlöwen-Nach-Nachfolger Robert Reisinger und die Vereinsführung fragen. Wie bewerten Sie den Weg der e.V.-Bosse?
Ich habe es ja schon einmal gesagt: Ich halte Reisinger als Präsident für völlig ungeeignet. Das mögen manche auch von diesem Mayrhofer gesagt haben, sollen sie ihre Meinung haben. Reisinger ist ein Mensch mit viel destruktiver Kraft. Damals zu meiner Zeit wollte er Geschäftsführer werden und war im Auswahlprozess, aber wir haben uns damals aus guten Gründen gegen ihn und für Markus Rejek entschieden. Danach hat er viel gegen uns - und mich - gestänkert, das scheint der Mann nie verziehen zu haben. Danach hat er mich mal als "Vereinsschädling" bezeichnet. Das gebe ich hiermit gerne an ihn zurück. Aktuell erinnere ich nur an den Fall Hans Sitzberger: Der Hans trägt Sechzig im Herzen, hat sich für den Verein aufgeopfert. Er ist einer der loyalsten Löwen, den ich je kennengelernt habe. Reisinger und der Verwaltungsrat haben sich ihm gegenüber geradezu ekelhaft verhalten – und ihn eliminiert. Man muss sich das mal vorstellen: Ein Vizepräsident, der sich ein konstruktives Miteinander wünscht, muss gehen. Solange dieser Verein derart gespalten ist, dass Andersdenkende so behandelt werden, ist Sechzig nicht zu helfen.

Was man den Vertretern des Muttervereins allerdings nicht vorwerfen kann, ist Stagnation auf allen Ebenen: Der Verein verzeichnet mit über 26.000 Mitgliedern einen Höchststand.
Das stimmt und es ist alles recht und schön, auch mit ihrem neuen Vereinsheim "Bamboleo". Aber man könnte sich auch fragen: Wie viele Mitglieder hätte Sechzig, oder vielmehr könnte Sechzig haben, wenn die Profimannschaft erfolgreichen Fußball spielen und endlich wieder aufsteigen würde? Der Profifußball ist nun mal das Flaggschiff des Vereins und dort herrscht Stillstand – beziehungsweise eher Rückschritt, wenn man die sportliche Entwicklung der letzten Jahre anschaut. Und dann werden andere Vereine auch noch als "unsexy" bezeichnet...

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Mayrhofer: "Bei Sechzig gibt es mehr oder weniger finstere Mächte und einflussreiche Menschen"

Sie spielen auf die Präsentation der Geschäftsführung an, bei der sich der TSV 1860 mit den größten bayerischen Vereinen verglichen und dabei für diese eher abwertende Beschreibungen gefunden hat.
Auch, wenn diese eine Folie der Präsentation nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte: Das zeigt doch eindeutig die Haltung des Vereins. Da wird schwadroniert, wie toll die Marke Sechzig ist und parallel ein Sparkurs ausgerufen. Wo ist da ein wirklicher Plan? So wird Sechzig über kurz oder lang immer mehr von der Bildfläche verschwinden.

Was jenen Leuten angeblich so gut ins Bild passt, die das Grünwalder Stadion befürworten und die alten Traditionen der Sechzger wahren wollen. Wie haben Sie den Einfluss der Organisation "Pro1860" und anderer Strömungen erlebt?
Ich musste damals im Rahmen meines Präsidenten-Castings bei Herbert Bergmaier (Pro1860-Vorstand und Herausgeber des "Wochenanzeigers", d. Red.) antanzen und vorsprechen. Das kam mir extrem seltsam vor, schließlich hatte dieser Mann keinerlei Amt bei 1860. Damals war der Einfluss solcher Strömungen sehr groß und ich bin mir sicher, dass sich das nicht verändert hat. Bei Sechzig gibt es mehr oder weniger finstere Mächte und einflussreiche Menschen, die in die gleiche Richtung ziehen und durch ihr mehr oder weniger öffentliches Wirken dafür sorgen, dass sie Sechzig zu ihrem Verein formen.

Welche Rolle spielt(e) der Verwaltungsrat des TSV?
Der Verwaltungsrat ist ein mächtiges Gremium, das den Präsidenten vorschlägt, kontrolliert und gerne auch mal steuert: Wenn ein Funktionär zu nahe an Ismaik dran war, wollte man ihn nicht mehr. Zu meiner Zeit war das Sportchef Gerhard Poschner. Es war ein einziges Schmierentheater, bis er weg war. Das Aus von Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer sah ähnlich aus. Gestützt wird dieser Kurs von den Ultras und den Mitgliedern, die von der Vereinsführung mobil gemacht werden. Meine Frage ist, weil sie diesen Spruch ja so gerne für sich reklamieren: Sollte Sechzig nicht der Verein von allen Mitgliedern sein?

Mayrhofer kritisiert Ismaik: "Einen Klub aus der Ferne zu führen, geht nicht" 

Sprechen wir über den Gegenpol, den polarisierenden Investor: Können Sie uns ihren Umgang mit Ismaik skizzieren?
Ich bin damals völlig neutral an die Sache rangegangen, ich kannte Ismaik nur aus der Zeitung. Ich bin dann nach Abu Dhabi geflogen, um mir selbst ein Bild zu machen. Alleine deshalb hatte ich bei manchen Leuten schon zwei, drei Messer im Rücken. Am Anfang hat es ganz gut funktioniert, würde ich sagen. Aber Auseinandersetzungen mit Herrn Ismaik gab es schon immer. Einen Klub wie Sechzig aus der Ferne zu führen, geht nicht. Ich habe dann versucht, Noor Basha als Statthalter zu etablieren. Es war trotzdem anstrengend, weil immer wieder Vorwürfe von Ismaik kamen und man ihm viele Dinge erst einmal erklären musste. Unser Sportchef Florian Hinterberger etwa musste unbedingt fort. Einmal kam Ismaik an und wollte selbst Präsident werden. Ich habe ihm gesagt: "Du kannst dich gerne bei der nächsten Wahl aufstellen lassen." Leider war meine Amtszeit damals durch den Rechtsstreit mit Helmut Kirmaier überschattet, das hat leider oftmals vom Wesentlichen abgelenkt. Unter dem Strich gilt es, festzuhalten: Herr Ismaik hatte noch nie die besten Berater.

Der Jordanier behauptet stets, er würde seine Anteile nie verkaufen. Dazu passt aber nicht, dass im Jahr 2015 mit Startrainer Felix Magath und einem Konsortium über einen Anteilsverkauf verhandelt wurde.
Richtig. Es liefen Gespräche mit Felix Magath und einem Konsortium im Hintergrund, man war sich schon ziemlich einig. Dann meinte der Hasan mitten in der Nacht: "We need a binding offer!" Ein solches bindendes Angebot, ohne in die Geschäftsbücher zu schauen, das würde wohl kein Investor der Welt machen. Danach ist der Deal gescheitert.

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Wie ernst ist denn sein aktuelles 100-Millionen-Euro-Versprechen aus Ihrer Sicht zu nehmen?
Das kann ich nicht beurteilen. Herr Ismaik hat während meiner Amtszeit aber zumeist nur so viel investiert, dass der Laden nicht den Bach runtergeht. In der Amtszeit meines Nachfolgers Peter Cassalette hat er unheimlich viel Geld verbrannt. Ich habe noch nicht begriffen, was Ismaik will: sein Spielzeug? Oder vielleicht 50+1 aussitzen und 1860 dann gewinnbringend verkaufen? Ich glaube schon, dass man mit vernünftigen Managementmitteln und einem gewissen Budget bei Sechzig etwas bewegen könnte.

Könnte das "BündnisZukunft1860", das den Schulterschluss mit Ismaik sucht und in den Verwaltungsrat einziehen will, was bewegen?
Ich sehe da ausnahmslos integre und erfolgreiche Menschen. Genau das ist es, was der Verein braucht: Erfolgreiche Geschäftsleute, die Sechzig vorwärtsbringen wollen, eine Zusammenarbeit mit dem Investor und anderen Geldgebern suchen, aber dennoch im Sinne des Vereins agieren. Es wäre eine gute Sache, wenn das Bündnis in den Verwaltungsrat schaffen würde. Leider spricht es Bände, wie diese Menschen angefeindet werden, um sie von vorneherein zu diskreditieren.

Beide Gesellschafter liefern sich derzeit einen Schlagabtausch: Herr Ismaik tingelt auf seiner Wahlkampftour durch Bayern zu den Fanklubs, nicht ohne die e.V.-Bosse teils harsch anzugreifen. Die Vereinsvertreter wehren sich durch Stellungnahmen und Einschätzungen ihrer Unterstützer: Es geht um diverse Vorwürfe, Bezichtigungen der Lügen und insbesondere die Schuldfrage am Absturz 2017. Wer hat Recht?
Auch das ist auch keine neue Situation: Es gibt bei Sechzig doch permanent Streitigkeiten, die gab es schon vor dem Einstieg von Herrn Ismaik. Da dürfen sich beide Seiten gegenseitig die Schuld zuschieben, wie sie wollen – denn sie tragen sie eindeutig beide. Deswegen ist diese Wahl absolut richtungsweisend für die Löwen: Geht es so weiter mit Herrn Reisinger und dem Verwaltungsrat im Hintergrund, gibt es keinerlei Veränderungspotenzial. Dann sehe ich für die kommenden Jahre schwarz.

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62 Kommentare
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  • Chris_1860 am 13.06.2024 14:14 Uhr / Bewertung:

    loewenhunderl:
    "ich frage mich was die drei dauerschreiber eigentlich bezwecken wollen in dem sie uns normalen Fans mit ihren dauernden Interpretationen und falschen behauptungen überziehen."

    Da hast du vollkommen Recht.
    Die täglich ewig gleichen Postings deiner Kollegen "Ultralöwerl", "löwenstark" und "soissesned" aus dem Hasi-Fanclub haben mit der Wahrheit genauso viel zu tun, wie Hasis angebliches 200 Mio. Geschenk, das in Wahrheit nur ein 90 Mio. Darlehen einer arabischen Bank sein soll, das er vermitteln würde.

    Bestimmt war's wieder ein Übersetzungsfehler, wie auch beim versprochenen Stadion-Neubau und beim "Augenhöhe mit Barca".

    Aber ab Sonntag ist dann wieder Ruhe hier.

  • Kaiser Jannick am 13.06.2024 14:13 Uhr / Bewertung:

    @shark.
    "Daher sollte man sich trennen."

    Ich bin auch für einen Neuanfang.

    D.h. ALLE derzeitigen Personen austauschen, sowohl bei HAM, ohne BZ wie auch beim e.V., damit nicht vorbelastete Fachleute das Schiff wieder auf Kurs bringen.

    Gerne auch mit einem echten Investor, der nicht nur Geld verleiht und Allmachts-Phantasien hat, sondern mit potenten sachkundigen und soliden Geschäftsleuten, die nicht nur Märchen aus 1001-Nacht verzapfen.

    Das Problem wird nur weiterhin sein, dass, solange Ismaik herumholzt, kein richtiger Investor ins Boot einsteigen wird uns dass wir ihn gegen seinen Willen wohl nur schwerlich loswerden können.

    Wie lautet also Ihr praktikabel umsetzbarer Vorschlag, "sich von HI zu trennen"? Ich bin mir sicher, dass Tausende Löwenfans Sie feiern würden, wenn Sie einen realisierbaren Vorschlag auf der MGLV einbringen können. Gerne höre ich davon am Sonntag im Zenith.

  • shark am 13.06.2024 15:37 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kaiser Jannick

    Ich kann leider am Sonntag nicht im Zenith sein.
    Das Thema Ismaik wird sich n.m.M: bald klären

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