Eriksson kommt wieder - Showdown am Dienstag

BERLIN Wenn Alexander Schmidt von der Natur mit einer ordentlichen Portion Naivität ausgestattet wäre, dann hätte er sich vielleicht sogar geschmeichelt fühlen können. Welcher Trainer kann schon von sich behaupten, bei seinem Debüt im Profifußball von einem weltweit bekannten Coach intensiv beobachtet worden zu sein?
Doch natürlich wird sich Schmidt seinen Teil gedacht haben, als er kurz nach dem 2:2 seiner Löwen bei Union Berlin erfuhr, dass Sven-Göran Eriksson sich offensichtlich immer wohler zu fühlen scheint bei 1860 und im Stadion gewesen war. Schon wieder! „Was soll ich mir Gedanken über ihn machen? Ich bin völlig entspannt”, beeilte er sich zu sagen. Doch was hätte er auch anders sagen können?
Spätestens seit Samstag ist jedenfalls klar, dass die unendliche Schmierensaga bei 1860, an der verschiedenste Verantwortlichen dieses Klubs seit mehr als 150 Jahren arbeiten, um ein Kapitel reicher ist.
War Erikssons Besuch letzte Woche beim 0:2 gegen Köln, das Reiner Maurer den Job kostete, vielleicht noch als Gruß aus Abu Dhabi zu verstehen, dann die Stippvisite des 64–Jährigen in Berlin möglicherweise nichts anderes als die Einladung von Investor Hasan Ismaik zum finalen Showdown mit den Vereinsverantwortlichen. Ismaik will Eriksson lieber heute als morgen zum Trainer machen bei 1860, letzten Freitag war er mit dem Schweden bei einem Polo-Spiel. Das Portal „7Daysin Dubai” zitierte Eriksson danach wie folgt: „Ich habe 24 Stunden mit dieser herzlichen Familie in Abu Dhabi verbracht.” Außerdem wolle er mit „diesen Leuten” zusammen arbeiten. Ergo: bei 1860. Keine 24 Stunden später düpierte er – im Namen Ismaiks – die Löwen – und sorgte für den größtmöglichen Affront: Schmidt gegenüber, vor allem aber den 1860-Bossen gegenüber, die ebenso wie Schmidt völlig überrascht worden waren vom Erscheinen des Schweden. „Wir haben ihn nicht eingeladen”, sagte Geschäftsführer Robert Schäfer, der anders als Präsident Dieter Schneider in München geblieben war. Dessen größte Leistung am Samstag dürfte gewesen sein, die Contenance zu bewahren, als er Eriksson im VIP-Bereich der Alten Försterei im Plausch mit Ismaiks Cousin Noor Adnan Hassan Basha Stadion erblickte. Es spricht für Schneiders gute Kinderstube – und seinen feinen Hang zur Ironie –, dass er den Besuch des neuen Löwen-Groupies wie folgt kommentierte: „Er ist ein freier Mann. Herr Eriksson hat sich vielleicht gedacht er schaut mal nach Berlin, was da so läuft.”
So richtig viel los sein wird jetzt garantiert am Dienstag in München. Vor, während und vielleicht auch nach dem Spiel gegen Paderborn wird es zum ersten Mal seit Mai zu einem persönliche Treffen zwischen Ismaik und Schneider kommen. Was Ismaik will, dürfte spätestens seit Samstag klar: Den maximalen Einfluss. Es scheint, dass er so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich in 1860 pumpen will, um sich den Aufstieg zu erkaufen. Der eben erst eingeschlagene – und von Ismaik zunächst auch goutierte – Weg der schrittweisen und gesunden Konsolidierung wäre damit vorbei. Über die Gründe von Ismaiks plötzlichem Sinneswandel kann ohnehin nur spekuliert werden. Möglich ist, dass Ismaik seine Anteile nach dem Aufstieg gewinnbringend verkaufen möchte– und die Schulden im Klub belassen möchte. Der Verein hätte in diesem Fall ein Vorkaufsrecht. Doch welche Bank soll den Löwen, trotz derzeit sehr niedriger Zinsen, mindestens 20 Millionen Euro leihen?
Überhaupt ist offen, wie die Träume des Jordaniers bezahlt werden sollen. 1860 dürfte nicht mehr als 300.000 Euro für einen Trainer zur Verfügung haben, Eriksson dürfte mit Assistenten rund 1,5 bis zwei Millionen Euro kosten. Gut möglich, dass Ismaik die Löwen zwingen möchte, weitere Kredite bei ihm aufzunehmen. Die Sechzger dagegen wollen dem Vernehmen nach am Dienstag darauf beharren, dass Ismaik ihnen erstmal die mündlich zugesagten Darlehen über 13 Millionen Euro für die nächsten zweieinhalb Jahren überweist – oder eine Bankbürgschaft darüber ausstellt.
Sollte Ismaik sich quer stellen, liefe wohl alles auf einen Investitionsstopp hinaus. Der Etat müsste wieder gesenkt werden, es würden noch mehr lähmende Jahre in Liga zwei drohen – aber die Löwen wären eben noch Herr im eigenen Haus. Und das womöglich sogar ohne Hilfe von außen. Bis 2015 könnte 1860 eine schwartze Null schreiben, sagte der bisherige Ismaik-Berater Hamada Iraki der AZ. Voraussetzung dafür: Die Mannschaft müsste wegen der höheren TV-Gelder jede Saison nicht schlechter als auf Platz 6 abschneiden, der Zuschauerschnitt und die Sponsoreneinnahmen würde in etwa auf dem jetzigen Niveau bleiben.