Ende der Super-Serie beim TSV 1860: Warum nun auch zum Saisonende Enttäuschung droht
München - Sechzigs Serientaten waren derart außergewöhnlich, erfolgreich und für die Löwen-Fans gewiss auch so schön, dass sie an dieser Stelle guten Gewissens nochmal aufgeführt werden können. 4:1 gegen den MSV Duisburg, jeweils 1:1 beim VfB Lübeck und gegen den SV Sandhausen, 0:0 im Erzgebirge bei Aue, 2:0, 3:1, 1:0 beim Heimspiel-Hattrick gegen Rot-Weiss Essen, den FC Ingolstadt und den Halleschen FC sowie ein 1:0 beim SC Verl – so liest sich die achtteilige Ungeschlagen-Serie unter Neu-Trainer Argirios Giannikis.
Mit dem 0:1 gegen Aufstiegsaspirant SSV Ulm hat der Erfolgskurs des TSV 1860 am Samstag ein jähes Ende gefunden. Oder lediglich eine kleine Delle bekommen? Die AZ zeigt Sechzigs Serienlehren.
TSV 1860: Der Aufschwung sorgte für Erleichterung und neue Hoffnung
Elf-Punkte-Polster: Zwei mickrige Zähler hatte 1860 Vorsprung auf die Abstiegsränge, als die Herren Giannikis und Christian Werner ihre Jobs in der verwaisten Sportlichen Leitung antraten. Mit "harter Arbeit", wie Giannikis gebetsmühlenartig betonte, aber auch mit "Qualität", die er seiner Mannschaft immer wieder bescheinigte, sowie mit einem guten Händchen in vielerlei Hinsicht schuf sich Sechzig satte elf Zähler Vorsprung. Abstiegskampf passé? "Erst, wenn es rechnerisch soweit ist", sagte Giannikis auf AZ-Nachfrage.
Genau die richtige Marschroute aus Sicht des Chefcoaches in dieser verrückten Liga, in die sich mit Routinier Max Reinthaler und Wirbelwind Abdenego Nankishi auch zwei von vier Werner-Wintertransfers gut einfügten. Erste Lehre: 1860 hat den Hals in Rekordzeit aus der Abstiegs-Schlinge gezogen.
Sechzigs Stimmungs-Hoch: Mit dem wohltuenden Balsam auf die geschundene Löwenseele, endlich wieder Siege und Tore bejubeln zu können, hat sich die Stimmungslage von destaströsem Trübsal bis teils unbeschwertem Hochgefühl spürbar verbessert und ins Positive verkehrt. Wie alle Beteiligten um Kapitän Jesper Verlaat, aber auch vor allem die entfesselten Offensivspieler Julian Guttau und Fynn Lakenmacher mehrfach feststellten, habe 1860 den "Spaß" wieder zurückerlangt.
Abruptes Ende der Serie stoppt auch (vorerst) alle blauen Träumereien
Zu wenig Serie für höhere Ambitionen: Bei aller Euphorie bleibt festzuhalten, dass 1860 das Ziel Rückkehr in die Zweite Liga in den vergangenen Jahren mehrfach verpasste und aus wirtschaftlichen wie vereinspolitischen Gründen künftig wieder kleinere Brötchen beim Giesinger Bäcker bestellen muss. Wer sich vorschnellen Träumen hingegeben und eine XXL-Aufholjagd erwartet hat, hat einen jähen Dämpfer erlitten und wird voraussichtlich auch am Saisonende enttäuscht werden.
Für die ganz großen Ambitionen ist die Serie zu schnell geendet, beziehungsweise ist nun schlicht nicht mehr genug Saison übrig. Angesichts der nun zwölf Punkte Rückstand auf Relegationsrang drei und acht Zähler auf Rang vier, der zur Qualifikation für die Erste Runde des DFB-Pokals berechtigt, sind höhere Ziele nicht mehr realistisch.
Der TSV 1860 und seine neuen Anläufe
Der nächste Anlauf 2023/24: Die Erkenntnis hindert Spielführer Verlaat nicht daran, beim nächsten Auswärtsspiel bei Dynamo Dresden (Freitag, 19 Uhr) wieder von vorne anfangen zu wollen: "Dann starten wir eben in Dresden die nächste Serie!" Sechser Tim Rieder lenkt den Blick ebenfalls weg vom großen Ganzen auf das nächste Spiel: "Freitagabend in Dresden, da gibt's nix Geileres!"
Der nächste Anlauf 2024/25: Die große Frage lautet jetzt: Kann 1860 die Weichen stellen, um in der kommenden Saison einen ernstzunehmenden Anlauf zu unternehmen? Mit Giannikis und Werner haben Trainer und Sport-Boss gezeigt, dass mit ihnen (kurzfristiger) Erfolg möglich ist. Mit Stand jetzt 4,5 Millionen Euro Etat ließe sich aber nicht einmal das aktuelle Gerüst an Leistungsträgern zusammenhalten. Es gilt schon jetzt, im Hinblick auf die neue Spielzeit Klarheit zu schaffen.
Dies betrifft auch die Vereinsoberen: Die Wahl des Verwaltungsrats im Sommer wirft ihre Schatten voraus. Derzeit erhitzt die Frage, ob und wie man mit dem umstrittenen Investor Hasan Ismaik zusammenarbeiten sollte, die Giesinger Gemüter. Sechzigs Serie hat manche strategische Frage übertüncht, aber nicht gelöst.