Die Löwen in der Krise: „Komplett versagt“

1860-Sportdirektor Gerhard Poschner kritisiert nach dem 1:4 gegen Aue die Mannschaft. Von Leidenschaft über Kommunikation bis zu Anführern - Die AZ zeigt: Daran mangelt es bei 1860.
Marc Merten |
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Von Ahlen (l.) und Okotie (r.) nach der Aue-Pleite im Dialog mit aufgebrachten Fans.
imago Von Ahlen (l.) und Okotie (r.) nach der Aue-Pleite im Dialog mit aufgebrachten Fans.

München - Sonntagnacht war es mal wieder so weit: Beim TSV 1860 schlossen sich an der Grünwalder Straße die Türen zu einer nächtlichen Krisensitzung. Und die AZ war vor Ort. Gerade erst hatten die Löwen bei Erzgebirge Aue mit 1:4 die Hucke vollgekriegt, da versammelte Geschäftsführer Gerhard Poschner die Kick-Versager um 21 Uhr noch zur gehörigen Standpauke in die Kabine.

Ein „Monolog und Dialog“ sei es gewesen, beschrieb Poschner die Kabinenpredigt am nächsten Morgen. Die Mannschaft habe „komplett versagt“, habe die „Wachheit“ vermissen lassen, die man „von jeder Profimannschaft zu jedem Zeitpunkt erwarten“ könne. „Deshalb gab es das erste Mal eine Situation, in der wir uns intensiv austauschen mussten.“ Ein Austausch über grundlegende Probleme in der Mannschaft und im Verein, die nicht innerhalb weniger Tage behoben werden können.

„Hot in the heart, cool in the head“: Der Schlachtruf, den Trainer Markus von Ahlen vor dem Fürth-Spiel seinen Spielern zugerufen hatte, steht für das wohl größte Problem in der Mannschaft. Sie ließ gegen Aue Herz, Leidenschaft und Gier vermissen und offenbarte ein völlig instabiles mentales Kartenhaus, das bei der kleinsten Erschütterung in sich zusammenbrach. Weder waren die Spieler mit dem Herzen bei der Sache, noch bewahrten sie kühlen Kopf. Sie gingen unter, jeder für sich. Nicht als Mannschaft, sondern als Individualisten, die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, als dass sie sich gegenseitig hätten helfen können.

Kommunikationsprobleme: „Wir sind nicht so weit, dass wir einen so frühen Rückstand wegstecken können“, analysierte von Ahlen. Das lag auch daran, dass die Spieler sich nicht gegenseitig halfen. Nicht nur sportlich, sondern auch verbal. Weder auf, noch neben dem Platz hat sich bislang eine Kultur des Miteinanders entwickelt. Auch, weil Anführer fehlen.

„Es gibt Soldaten und Generäle“, erklärte Poschner. „Am Sonntag hatten wir keinen einzigen General auf dem Platz.“ Keinen Lautsprecher. Keinen, der voran geht. Keinen, der seine Mitspieler auch mal verbal aufrüttelt. „Es geht darum, wie die Mannschaft miteinander kommuniziert“, so der 45-Jährige weiter. „Da haben wir viel Luft nach oben.“ Wie viel, offenbarte Poschners Aussage, dass die Profis selbst zu selten Dinge offen ansprechen würden. „Das muss häufiger geschehen, auch, wenn es wehtut.“ Den Löwen mangelt es an einer gesunden Streitkultur, an Reibung, an Spannung. Die Spieler sind zu lieb, die Löwen zu zahm. Ein Team, in dem Probleme nicht offen und knallhart angesprochen werden, ist kein Team.

Kann von Ahlen das Team führen?

Der Mann, der diese Reibung nun schnellstens erzeugen muss, ist Markus von Ahlen. Doch der Trainer ist selbst nicht der Typ Mensch, der riskiert, sich mit verbaler Härte Feinde in seiner Mannschaft zu machen. In seinen Augen ist die Hierarchie in seinem Kader „in Ordnung“. Auf ihn wird es in den kommenden Tagen und Wochen besonders ankommen. Er muss beweisen, dass er eine Mannschaft führen kann, nicht nur taktisch, sondern menschlich. Er ist der Gegenentwurf zum egozentrischen Moniz, der an dieser Aufgabe gescheitert war. Von Ahlen weiß, dass er nicht viel Zeit bekommen wird zu beweisen, dass seine Art die bessere für die Löwen ist.

Wankelmütige Vereinspolitik: Das weiß von Ahlen auch deswegen, weil er selbst schon genug mitgemacht hat, seit er vor nicht mal zwei Jahren an die Grünwalder Straße kam. „Ich habe drei Cheftrainer erlebt, war dreimal Interimstrainer, jetzt bin ich selbst Cheftrainer. Dieses Gesamtpaket musst du erst mal verarbeiten“, kritisierte er ungewohnt deutlich die wankelmütige Vereinspolitik der vergangenen Jahre. Poschner gab ihm recht und forderte, „nicht den gleichen Mechanismen Platz zu machen, die in der Vergangenheit immer da waren“. Der Klub müsse beweisen, dass man sich von den alten Mustern lossagen könne.

Wohlwissend, dass die negative Entwicklung der letzten zwei Spiele die Löwen mitten in den Abstiegskampf gespült hat. Ob die Mannschaft die Qualitäten hat, die sie in dieser Situation benötigt, ist nach dem kläglichen Auftritt in Aue fraglich. Von Ahlen forderte „Laufbereitschaft, Zweikampfstärke und mentale Härte“ – eben jene Komponenten, die seinen Spielern im Erzgebirge abgegangen waren.

Doch anstatt mit den Spielern sofort mit der Arbeit an diesen Defiziten zu beginnen, bekamen die Profis erst einmal einen Tag frei. Ein fatales Signal, wenn die Realität Abstiegskampf heißt.

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