Bürgermeisterin Dietl über Grünwalder-Stadion-Debatte: "Sechzig muss sich bekennen"
München - Mancher hat es als Beschluss missverstanden, als der Stadtrat im April für einen Ausbau des Grünwalder Stadions mit VIP-Logen und Komplettüberdachung und einer Kapazität von 18.000 Zuschauern votierte. Die Wahrheit ist: Es war nur ein weiteres Bekenntnis zum Projekt. Spannend wird es 2023. Bis zum konkreten Beschluss müssen Fragen zwischen Sechzig und Stadt geklärt werden – und die Positionen schienen zuletzt eher weiter auseinanderzuliegen als gedacht.
Zeit, bei Sport-Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) nachzufragen. Sie ist in der Stadtspitze fürs Thema Grünwalder Stadion zuständig. Zuvor war die 1860-Anhängerin auch viele Jahre ehrenamtlich bei den Löwen engagiert.

AZ: Frau Dietl, waren Sie diese Saison schon privat an Ihrem Münchner Lieblingsort – im Grünwalder Stadion?
VERENA DIETL: Nein, das habe ich zeitlich leider noch gar nicht geschafft.
Ihr Zeitplan sieht vor, dass sich Sechzig und die Stadt jetzt schnell einigen, was das Stadion betrifft. Und der Stadtrat dann im ersten Quartal 2023 den großen Umbau endgültig beschließt. Das ist nicht mehr zu schaffen, oder?
Es gibt einen ständigen Austausch zwischen dem Bewertungsamt und 1860. Es hat sich gezeigt, dass für die Berechnung eines marktüblichen Zinses viele Unterlagen notwendig sind. Sechzig hat aufgeführt, wo man Standortnachteile gegenüber der Konkurrenz in anderen Städten sieht, das wollen wir alles berücksichtigen. Die Stadtverwaltung arbeitet intensiv daran und prüft, was davon alles berücksichtigt werden kann.
Umbau-Entscheidung soll im ersten Quartal 2023 erfolgen
Das heißt: Sie sind im Zeitplan?
Ich gehe davon aus, dass wir im ersten Quartal 2023 entscheiden. So, wie es festgelegt wurde.
Wir hören aus dem Umfeld von Sechzig, dass die Löwen ihre Hausaufgaben gemacht haben und das Thema jetzt nur noch in der Verwaltung hakt.
Es war ein Hin und Her, Sechzig hat noch einiges nachgeliefert. Aber ja, jetzt sind wir beisammen.

Gehen Sie davon aus, dass man Sechzig letztlich entgegenkommen kann, die Löwen keine viel schwereren Bedingungen als andere Drittligisten mehr haben, mit den Spieltagen Geld zu verdienen?
Ich habe mir von der Verwaltung darstellen lassen, was möglich ist. Und ich bin sehr angetan. Die Stadt berechnet nun vieles mit ein und kommt den Löwen entgegen. Das läuft sehr in ihrem Sinne.
Geht es da nur um die kurzfristigen Mietausgaben oder auch um die Frage, was das Stadion ausgebaut kosten wird?
Wir haben immer gesagt, dass es nun erst einmal darum geht, Sechzig für die Jahre bis zum Umbau entgegenzukommen. Wir wollen alles auf feste Beine stellen.
Zwei konkrete Punkte, mit denen Sechzig unzufrieden ist: Können Sie die MVV-Abgabe für Eintrittskarten senken? Und: Wird der Name des Stadions verkauft?
Der MVV ist kein Betrieb der Landeshauptstadt allein, das ist eine komplexe Angelegenheit. Das CSU-Wirtschaftsreferat hat auf einen Antrag der CSU dargelegt, dass es in der Frage keinen Spielraum sieht. Ich werde jedoch nochmal Fachleute einladen und das Thema aufgreifen.
Wird das Grünwalder Stadion doch umbenannt?
Und bei den Namensrechten? Dem Vernehmen nach könnte das den Löwen viele Hunderttausend Euro pro Saison einbringen, der Punkt alleine könnte eine sehr große Rolle spielen für 1860.
Das Thema hat Sechzig an mich herangetragen, es wird gerade von der Verwaltung bearbeitet. Wir könnten Einnahmen anrechnen und so die Kosten für die Vereine deutlich senken. Aber es spielen drei Vereine in dem Stadion, wir müssen mit allen darüber sprechen.
Kann es nicht die Variante geben, dass man das Stadion nur zu den Sechzger-Spielen unter einem anderen Namen vermarktet?
Doch. Das wäre dann ein spieltagsbezogenes Namensrecht. Darüber sprechen wir auch.
Dem Vernehmen nach gibt es konkrete Interessenten.
Das habe ich auch gehört. Aber erst einmal muss die Stadtverwaltung prüfen, welches Vorgehen rechtlich möglich ist. Und das tut sie derzeit intensiv.
Klingt, als würde man dieses Thema ernsthaft angehen.
Ja, ich habe das sofort aufgegriffen, von Sechzig ein konkretes Konzept angefordert. Jetzt geht es um die Frage, wie es umsetzbar ist.
Sie selbst wären dafür?
Absolut. Wenn es eine Möglichkeit gibt, bei der die Vereine profitieren, fände ich das gut.
Dietl: Zweite Liga in Giesing sollte möglich sein
Sie betonen, dass der Stadtratsbeschluss im ersten Quartal fallen soll. Was, wenn die Stadt und die Löwen sich bis dahin nicht einig werden?
Ich gehe davon aus, dass Sechzig sieht, was wir alles tun. Dass das nachvollziehbar ist. Wir wollen Ausgaben nicht 1:1 auf die Nutzer des Stadions umlegen, sondern ganz normale marktübliche Bedingungen für sie schaffen. Aber natürlich brauchen wir irgendwann ein Go von den Löwen. Wir warten da immer noch auf ein endgültiges Signal. Wenn Sechzig sagen sollte, sie sehen ihre Zukunft nicht im Grünwalder Stadion, dann müssten wir mit dieser Situation einen Umgang finden.
Was würde das kurzfristig bedeuten? Sechzig könnte schon nächstes Jahr Zweite Liga spielen.
Ich will natürlich, dass Sechzig aufsteigt. Und wir bereiten uns darauf vor.
Das heißt, von Zweiter Liga in Giesing gehen Sie sicher aus, man wird nicht ins Olympiastadion müssen?
Ich glaube, dass man eine Ausnahmegenehmigung kriegen würde. Wenn die DFL weiß, was wir alles umbauen werden. Zweite Liga sollte möglich sein.
Und Erste?
Sollte es irgendwann noch höher gehen, sind die Aussichten natürlich nicht mehr so gut. Aber auch da sollten wir nichts ausschließen. Wir müssen gesprächsbereit bleiben.
Grünwalder Stadion: Mehr als 18.105 Plätze gehen nicht
Nochmal: Wenn kein Umbau beschlossen wird, aber Sechzig aufsteigt – droht dann im schlimmsten Fall, dass Sie im Stadtgebiet kein Stadion zur Verfügung haben?
Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass es im Grünwalder klappt. Aber wenn Sechzig sich nicht längerfristig zum Stadion bekennt, können wir nicht viel investieren.
Im Umfeld der Löwen halten viele die heutige Kapazität von 15.000 für hingewürfelt, auch die künftigen 18.000 für total beliebig. Die Stehblöcke werden bei Weitem nicht vollgemacht. Kann aus Ihrer Sicht nochmal Bewegung reinkommen, dass doch wieder mehr Zuschauer ins Stadion können?
Wir haben eine umfassende Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die hat als maximale Kapazität 18.105 Plätze ergeben. Das hat planungsrechtliche Gründe. Wenn wir darüberhinaus gehen, besteht das Risiko, dass der Bestandsschutz erlischt. Das wäre ein Problem.
Und wenn es nicht die Stadt macht?
Wenn Sechzig das Stadion übernehmen würde, könnten sie auch selbst bauen. Das können die Löwen gern prüfen und überlegen, ob sie das machen wollen.
Dietl: "Sechzigs Signale haben viele im Stadtrat irritiert"
Gibt es denn Signale, dass Sechzig ernsthaft prüft, das Projekt selbst zu stemmen?
Ich höre, dass die Löwen schauen, was da geht. Aber auch dafür bräuchten wir ein Signal, dass sie wollen – und das gibt es bisher nicht.
Im Stadtrat reagierten nach dem letzten Bekenntnis zum Stadion viele pikiert, weil die Löwen kurz darauf alles in Frage gestellt hätten. Wie schätzen Sie jetzt die Stimmung im Rathaus ein – steht die Zustimmung überhaupt noch?
Eigentlich war die Stimmung sehr gut, dann kam ja auch der fast einstimmige Beschluss. Dass Sechzig anschließend signalisiert hat, das vielleicht alles gar nicht zu brauchen, hat viele irritiert. Natürlich geht es im Stadtrat auch immer wieder um die Anwohner. Aber das kann man ja gut erklären – dass eine Überdachung gerade auch für den Lärmschutz im Sinne der Anwohner sehr gut wäre.
Eine Abschlussfrage nicht an die Bürgermeisterin, sondern an den Löwen-Fan Verena Dietl: Wo wünschen Sie sich Ihren Verein in zehn Jahren? In welcher Liga – und: in welchem Stadion?
Das Grünwalder Stadion ist die Heimat der Löwen. Insofern wünsche ich mir grundsätzlich immer, dass sie da spielen. Auf der anderen Seite will man als Fußballfan natürlich auch immer, dass der eigene Verein ganz oben mitspielt. Ich würde sagen: Am allermeisten wünsche ich mir, dass München die Heimat der Löwen bleibt.