1860 in der Analyse: Kein Pokal-Wunder, aber wunderbare Löwen
München – Alle riss es von ihren Sitzen. Oberlöwe Robert Reisinger. Vize Hans Sitzberger. Hasan Ismaiks Statthalter Anthony Power. Geschäftsführer Marc Pfeifer.
Alle erweckten auf der Tribüne des Grünwalder Stadions den Eindruck: Mit geballter Power geeinter Löwen liegt da was in der Luft - das blaue Wunder von Giesing.
Tatsächlich kratzte der TSV 1860 im Erstrundenduell des DFB-Pokals gegen Bundesligist Eintracht Frankfurt (1:2) an einer Sensation. Aber die kampfstarke Elf von Trainer Michael Köllner verpasste es am Samstag mehrfach, in Führung zu gehen. Der Doppelschlag durch die beiden Stürmerstars André Silva (51.) und Bas Dost (55.) glich zwei Stichen ins Löwen-Herz. Phillipp Steinharts Anschlusstreffer per Elfmeter (78.) reichte nicht, um die Verlängerung, vielleicht gar ein Elferschießen zu erzwingen.

TSV 1860: Keine Blinden
"Dass wir keine Blinden sind, wussten wir auch schon vorher. Wir haben gegen die Würzburger Kickers auch ordentlich gespielt", meinte Kapitän Sascha Mölders, der mit einem Pfostenkopfball scheiterte (23.), über Sechzigs Totopokal-Sieg gegen den Zweitligisten. Cheftrainer Michael Köllner grämte sich: "Wir haben ein Super-Spiel gezeigt. Es wäre mehr drin gewesen. Das ist das, was einen im Nachhinein immer ärgert."
Die AZ zeigt, in welchen Bereichen die Köllner-Löwen wunderbar agierten - und weshalb es dennoch nicht für den Pokal-Hammer reichte.
Kampfgeist
Das Prädikat "wunderbar" verdiente sich der TSV dafür, die Tugenden seines Wappentiers zu beherzigen.
Kratzen, beißen, kämpfen - kann Sechzig seit jeher. "Kompliment an 1860. Sie haben es gut gemacht und uns vor Probleme gestellt", sagte Eintracht-Trainer Adi Hütter.
Kollege Köllner zeigte sich trotz seiner Enttäuschung stolz: "Wir haben eine starke Leistung geboten. Ich habe großen Respekt davor, was die Mannschaft auf den Platz gebracht hat." Er lobte zudem, dass "selbst nach dem 0:2 der Ofen nicht aus war".
Abwehrleistung
Sechzigs Taktik und die Qualität in der Viererkette ließen keinen Zwei-Klassen-Unterschied erkennen. Neuzugang Stephan Salger und Quirin Moll erwiesen sich als Abwehrbollwerk, auch die Außenverteidiger Marius Willsch und Phillipp Steinhart erwischten keinen fehlerlosen, aber einen guten Tag.
Im Abwehrverbund schaffte es 1860 trotz des übermächtigen Gegners, überwiegend die Ordnung zu halten, Frankfurts Passwege durch eine immense Laufleistung immer wieder zuzumachen. Fazit: Trotz der Gegentore präsentierte sich Sechzig stabil.

Freche Löwen
Torjäger Mölders ist mit allen Wasser gewaschen. Aber auch Stefan Lex glänzte mit seinem Direktspiel.
Zudem ärgerte der schnelle Youngster Fabian Greilinger die Gäste. Und: Die Neuzugänge Erik Tallig und Joker Richard Neudecker zeigten in Ansätzen, dass sie keine Angst vor Goliath Frankfurt hatten, wobei das Duo Steigerungspotenzial hat.
Kondition und Physis
1860 spulte vor dem Seitenwechsel ein Pensum ab, das kaum aufrechtzuerhalten war. Kein Wunder, dass Frankfurt im zweiten Durchgang eine Schippe drauflegen konnte, während den Giesingern langsam aber sicher die Puste ausging.
Keine Kaltschnäuzigkeit
Köllner kritisierte die "mangelnde Chancenverwertung" und erkannte: "Wir waren vor dem Tor nicht kaltschnäuzig genug."
Zu nennen sind die Alleingänge von Mölders (14.), Greilinger (33.) und Neudecker (68.), die allesamt scheiterten.
Wunderliche Pfiffe
Worüber sich der Oberpfälzer in der Pokalpartie (ohne Videobeweis) wunderte, oder besser ärgerte: "die ein oder andere Entscheidung des Schiedsrichters". Beispiele nannte der 50-Jährige nicht. Es dürfte sich unter anderem um Mölders' fragwürdig aberkanntes Tor handeln (64.).
Am Ende bleibt für die verhinderten Pokal-Helden viel Lob, die vom DFB im Vergleich zum Vorjahr reduzierte Erstrunden-Prämie von 137.500 Euro – und die Erkenntnis, dass sich 1860 teuer verkauft hat auf der großen Fußball-Bühne.
Koa Wunder, aber wunderbar.