1860 duelliert sich mit Vorbild St. Pauli
München - In der vergangenen Saison kämpften sowohl der TSV 1860 als auch der FC St. Pauli noch bis zum letzten Spieltag ums sportliche Überleben in der 2. Liga. Wenn sich die beiden Traditionsklubs am Samstag (13 Uhr/Sky) in der Allianz Arena wieder begegnen, sind die Vorzeichen nun völlig andere. Im Gegensatz zum TSV 1860, der als Tabellenvorletzter erneut tief im Abstiegskampf steckt, finden sich die Hamburger als Tabellenzweiter plötzlich mitten im Aufstiegsrennen wieder. „St. Pauli hat aus der Situation der letzten Saison einfach besser reagiert und die richtigen Schlüsse gezogen“, sagt 1860-Trainer Benno Möhlmann. Das kann Möhlmann bei den Löwen nun ja nachholen – am besten nach dem Vorbild St. Pauli. Die AZ zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Vereine.
Gemeinsamkeit: 1860 und St. Pauli finanziell keine Größen
Die Klubs: Beides sind absolute Traditionsvereine und beide teilen sich große finanzielle Sorgen. 1860 steht mit seinem nicht (weiter) investierenden Investor Hasan Ismaik genauso blank da wie der FC St. Pauli, der den Lizenzentzug in der Saison 2002/2003 mit einer „Retterkampagne“ gerade noch hatte abwenden können. Mittlerweile haben sich die Hamburger aber stabilisiert und fahren seit Jahren Gewinne ein. Scherzhaft feierten sich die Paulianer nach ihrem 2:1-Sieg gegen den FC Bayern 2002 als “Weltpokalsiegerbesieger.“ 1860 und St. Pauli haben etwa 20 000 Mitglieder, die Paulianer etwas mehr als Sechzig.
Pauli-Stürmer war bei den Löwen im Gespräch
Die Mannschaften: Vor allem ein Spieler verbindet die beiden Vereine: Lennart Thy. Vor der Saison stand er im Fokus der Sechzger, der 1860-Beirat schlug einen Kauf des 23-Jährigen vor. Doch dafür war im Sommer kein Geld da. Jetzt schießt Thy seine Tore für Pauli, zuletzt traf er im Spiel gegen Düsseldorf vier Mal. Beide Vereine verzichteten (gezwungenermaßen) auf eine große Transferoffensive.
Lesen Sie hier: Wolf, Wittek, Okotie - so ist die Lage bei den Angeschlagenen
Doch beim FC St. Pauli hieß das zugleich: Klasse statt Masse. Kapitän Lasse Sobiech konnte nach seiner Leihe fest vom HSV verpflichtet werden. Talent Ryo Miyaichi wurde vom FC Arsenal an die Elbe gelockt, fällt aber mit einem Kreuzbandriss noch lange aus. „Die Mannschaft hat sich weiterentwickelt“, erkennt Löwen-Trainer Benno Möhlmann. Unter ihm sind nur die 1860-Neuzugänge Michael Liendl und Milos Degenek gesetzt.
Möhlmann: "Beruhigend, dass man nicht als Dinosaurier herumläuft"
Die Trainer: Am 18. Spieltag der vergangenen Saison übernahm Ewald Lienen den Tabellenletzten St. Pauli. Jetzt spielt seine Mannschaft um den Aufstieg mit. „Er hat Stabilität rein gebracht“, sagt Möhlmann über den befreundeten Kollegen. Kontakt mit Lienen habe er „ab und zu, aber jetzt vor dem Spiel nicht.“ Der 61-Jährige schätzt Lienen und findet es „beruhigend, dass man nicht als Dinosaurier herumläuft“, sondern Gefährten wie Lienen aus seiner „aktiven Zeit im Fußball dabei sind.“
Lesen Sie hier: 1860-Investor Ismaik reist für Gespräche nach München
Das Image: 1860 ist gezeichnet durch den Abstiegskampf und die Unruhe in der Vereinsführung. „1860 stand für Chaos“, stellte der kürzlich verpflichtete Sportchef Oliver Kreuzer fest. Bei den in der Republik als positiv-verrückt bekannten Paulianern haben die Vereinsverantwortlichen nach dem Fast-Abstieg die richtigen Maßnahmen ergriffen, wie Möhlmann anerkennt.
Ex-Löwen-Trainer Karsten Wettberg: St. Pauli als Vorbild für Sechzig
„Kluge Antworten“, warum das bei 1860 nicht geklappt hat, will sich Möhlmann sparen. Aber zusammenzurücken sei sowieso der „Grundansatz meiner Arbeit.“ Bei den Löwen hoffen sie, mit dem frisch gewählten Präsidenten Peter Cassalette und Kreuzer nun Grundlagen dafür geschaffen zu haben, dass eine ähnlich ruhige Vereinsführung wie die des FC St. Pauli zumindest möglich ist. Auch Ex-Trainer Karsten Wettberg nannte St. Pauli einst als Vorbild, wie man neben einem großen Stadtrivalen eine Nische besetzen könne. S. Raviol