Interview

Sven Ottke: "Usyk hat Boxwitz, Joshua ist nur ein Haudrauf"

Am Samstag kommt es zum Rückkampf zwischen Weltmeister Oleksandr Usyk und dem von ihm entthronten Anthony Joshua. Box-Ikone Sven Ottke spricht exklusiv in der Abendzeitung über den Fight.
Matthias Kerber
Matthias Kerber
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
"Joshua weiß, dass er eher ein Glaskinn hat": Laut AZ-Experte Sven Ottke haben die Treffer bei Anthony Joshua Wirkung hinterlassen. Er stuft Oleksandr Usyk als den besseren Boxer ein.
"Joshua weiß, dass er eher ein Glaskinn hat": Laut AZ-Experte Sven Ottke haben die Treffer bei Anthony Joshua Wirkung hinterlassen. Er stuft Oleksandr Usyk als den besseren Boxer ein. © imago images/Shutterstock

AZ: Herr Ottke, am Samstag kommt es zum Rückkampf zwischen Weltmeister Oleksandr Usyk und Anthony Joshua. Das erste Duell hatte der Ukrainer sensationell klar gewonnen und Joshua in London vorgeführt. Was erwarten Sie von dem Rückkampf?
SVEN OTTKE: Das ist endlich wieder ein Boxkampf, der für Interesse sorgt, auf den man sich wirklich freuen kann, weil nicht schon vorher klar ist, wer siegen wird und wer sich am Ende am Boden wälzt. Wenn es über die Runden geht - und die Punktrichter nur im Ansatz ihren Job machen -, kann es nur einen Sieger geben: Usyk. Aber wir reden nun mal vom Schwergewicht. Da kann ein Schlag alles entscheiden. Klingt nach doofem Klischee, ist aber wirklich so. Wenn ein Mann mit über 100 Kilo richtig zuschlägt, prallt dir mit all der Beschleunigung eine halbe Tonne ans Kinn, das ist einfach Physik. Wenn das passiert, ballert es bei dir im Gebälk, dann knipst einer die Sterne in deinem Schädel an. Von dem her ist Usyk für mich Favorit - und Joshua hat die Siegchance des harten Schlägers.

Der 55-Jährige war von 1998 bis zum Karriereende 2004 Box-Weltmeister im Supermittelgewicht. Nach 34 Profikämpfen trat das "Phantom" als ungeschlagener Champion ab.
Der 55-Jährige war von 1998 bis zum Karriereende 2004 Box-Weltmeister im Supermittelgewicht. Nach 34 Profikämpfen trat das "Phantom" als ungeschlagener Champion ab. © picture alliance/dpa

Sie, der Box-Ästhet, müssen an der Kampfkunst von Usyk eine wahre Freude haben. . .
Absolut. Der kann richtig, richtig, geil boxen. Der hat wirklich eine Weltklasse-Boxschule durchlaufen, der kennt jeden Trick, jede Finte, der macht keinen Fehler zweimal. Joshua kann ihm als Boxer nicht im Ansatz das Wasser reichen, da sind Welten dazwischen. Kaum einer kann boxen wie Usyk. Vielleicht noch Tyson Fury, das ist wirklich auch ein herausragender Boxer. Was der mit seiner Größe. . .

Er ist 2,06 Meter groß.
Genau, Fury ist unglaublich beweglich und schnell auf den Beinen. Es macht Spaß, ihm als Boxer zuzuschauen. Ich mag ihn nur als Typen nicht, der hat einfach nicht alle Latten am Zaun, der ist schlicht verrückt. Erst tritt er zurück, dann kündigt er sein Comeback an, tags drauf tritt er wieder zurück. Das ist doch alles Kindergarten und Pillepalle. Da macht einer Show um der Show willen. Wenn er aufhören will, soll er es tun, es sagen und dann die Fresse halten, so sehe ich das. Und warum soll er überhaupt aufhören? Der kann noch ein paar richtig große Zahltage mitnehmen. Oder braucht und will er die Kohle nicht mehr?

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Fury sagt, dass er nach den Schlägen die er in den drei Kämpfen gegen Deontay Wilder, der als härtester Schläger des Schwergewichts gilt, eingesteckt hat, Angst hatte, irgendwann einen Hirnschaden zu erleiden.
Das verstehe ich vollkommen. Die Schläge, die du im Schwergewicht kassierst, die sind sicher nicht gesundheitsförderlich. Da kann es immer zu Schäden kommen. Die Begründung akzeptiere ich, das Gelaber soll er sich trotzdem sparen, sonst glaubt man ja, der Rücktritt kommt schon zu spät (lacht). Und noch ein Wort zu Wilder: Der ist als Boxer eine Katastrophe, der kann gar nichts, der holt seine Schläge vom Mond her, schrecklich. Aber wenn er nur ein einziges Mal trifft, gehen die Lampen kapital aus.

Zurück zu Usyk gegen Joshua: Wie würden Sie die beiden Fight beschreiben?
Usyk ist eine Augenweide. Er kann alles. Man sagt ja, dass normalerweise Boxer, die vom Cruisergewicht ins Schwergewicht aufsteigen, Probleme bekommen, weil eben in einer ganz anderen Härte zugeschlagen wird. Aber Usyk hat das sehr schnell, sehr gut gemeistert. Dass er den amtierenden Weltmeister Joshua in dessen Heimat, vor 90.00 Fans in England zwölf Runden so vorführt, dass auch die Punktrichter Joshua nicht mehr retten können, sagt alles darüber, wie einseitig der Kampf war. Usyk hat einfach Können und Boxwitz.

Und Joshua?
Der boxt roboterhaft. Die Muskelmasse, die er hat, muss man erst mal koordinieren. Für mich ist er nicht wirklich ein Boxer, sondern nur ein Haudrauf. Wenn er trifft, ist alles vorbei, aber ausboxen kann der kaum jemand. Er erinnert mich an Vitali Klitschko. Der konnte - anders als Wladimir, der richtig gut boxen kann, aber die Schläge nicht wegstecken konnte - auch nicht boxen, hat die Gegner aber mit seiner Kraft, Physis und Willensstärke fertiggemacht. Und er hatte mit den härtesten Eisenschädel, den es im Boxen je gegeben hat. Den konnte man nicht ausknocken. Dem konntest du was auch immer an den Kopf donnern, der hat nicht mal gezuckt. Anders als Wladimir.

117-112, 116-112, 115-113: Usyk siegt im Hinkampf.
117-112, 116-112, 115-113: Usyk siegt im Hinkampf. © picture alliance/dpa/PA Wire

Und anders als Joshua, der gegen Wladimir am Boden war, von Andy Ruiz ausgeknockt wurde und auch gegen Usyk am Rande des K.o.s stand.
Und Usyk ist wirklich nicht der härteste Schläger. Joshua weiß, dass er eher ein Glaskinn hat. Das sieht man seinem Stil jetzt an. Gegen Usyk hat man gemerkt, dass er Angst hat, getroffen zu werden. Wenn man in seiner Karriere oft am Boden war, die Sterne zu deutlich gesehen hat, kriegt man das nicht so leicht aus dem Schädel raus. Sein Schicksal ist aber, das er was riskieren muss. Joshua kann nur durch K.o. gewinnen gegen Usyk. Als Boxer hat er keine Chance. Und er weiß, wenn er wieder verliert, war es das mit der Karriere. Dann nimmt ihn keiner mehr ernst.

Dann war es das mit dem Traum, der erste Boxer zu werden, der mit dem Sport Milliarden verdient.
Was für ein Geschwätz. Die sollen alle boxen, nicht labern.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.