Olympiasieger Thomas Röhler: "Mein Ziel ist Gold"
AZ-Interview mit Thomas Röhler: Der 25-Jährige aus Jena wurde 2016 in Rio de Janeiro Speerwurf-Olympiasieger. Bei der WM in London ist er Topfavorit auf Gold (Qualifikation am Donnerstag, 20.05/21.35 Uhr; Finale am Samstag um 21.15 Uhr).
AZ: Herr Röhler, Sie haben einmal gesagt, es sei von Kindheit an eine Faszination für Sie gewesen, Dinge fliegen zu lassen. Wie hat sich das geäußert?
THOMAS RÖHLER: Für mich als Kind hat ein gelungener Urlaub wirklich so ausgesehen, dass es eine Küste mit vielen Steinen gab. Mich hat es damals schon fasziniert, auszutesten, wie weit ich so einen Stein ins Wasser werfen kann. Das hat einen Reiz auf mich ausgeübt, der mir bis heute erhalten geblieben ist.
2016 wurden Sie in Rio de Janeiro Speerwurf-Olympiasieger. Ist damit Ihr Kindheitstraum in Erfüllung gegangen?
Der erste Traum war der, eines Tages an Olympischen Spielen teilzunehmen. Wenn man dann über die Karriere hinweg spürt, dass vielleicht mehr drin sein könnte, als nur teilzunehmen, wächst natürlich der Wunsch nach einer Medaille. Man kann absolut davon sprechen, dass für mich mit dem Olympiasieg ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen ist.
Nun steht die WM in London an. Wären Sie aufgrund Ihrer Vorleistungen nur mit Gold zufrieden?
Das wäre ein gefährlich gesetztes Ziel. Speerwerfen ist immer tagesform- und bedingungsabhängig. Ich bin mir einer gewissen Favoritenrolle natürlich bewusst. Mein Ziel ist Gold, aber es wäre nicht unrealistisch, auch mit Bronze das Stadion zufrieden zu verlassen.
Ihr größter Konkurrent wird wohl aus dem eigenen Team kommen. Johannes Vetter hat Ihren deutschen Rekord (93,90 Meter, d.Red.) vom Beginn der Saison wenige Wochen später schon wieder überboten (94,44 Meter). Wie ist Ihr Verhältnis zu Vetter? Ist er eher Rivale oder Freund?
Das ist eine spannende Mischung. Im Wettkampf sind wir Konkurrenten, aber danach können wir über alles sprechen. Auch während der Wettbewerbe unterstützen wir uns und geben uns auch mal Tipps. Wir kriegen das ganz gut hin, gleichzeitig ärgste Konkurrenten und Teamkollegen zu sein.
Nur die tschechische Speerwurf-Ikone Jan Zelezny hat mit dem neuen Speer (seit 1986, d.Red.) jemals weiter geworfen als Sie beide. Mit Andreas Hofmann kommt auch der Dritte der Weltjahresbestenliste aus Deutschland. Woher kommt diese neue Stärke des deutschen Speerwerfens?
Das liegt an der Dynamik, die im Team herrscht. Wir sind alle in einem ähnlichen Alter, haben aber völlig unterschiedliche Backgrounds, unsere Heimtrainer verfolgen ganz unterschiedliche Ansätze. Aber: Wir werfen alle diese individuellen Qualitäten in einen Topf und lernen voneinander.
Pushen Sie sich auch gegenseitig hoch?
Natürlich trägt das Duell zwischen Johannes Vetter und mir zur Leistungssteigerung bei. Für den Einzelnen bedeutet es zwar jede Menge Stress, jeder würde es einfacher haben, wenn es den anderen nicht gäbe. Aber wir ziehen eine enorme Stärke daraus. Das ist einer der Gründe, warum wir deutschen Speerwerfer aktuell einen – man kann schon sagen – komfortablen Vorsprung auf die internationale Konkurrenz haben.
Mit einem Oben-ohne-Video aus dem Trainingslager haben Sie und Ihre Kollegen Johannes Vetter, Andreas Hofmann und Lars Hamann kürzlich für Aufmerksamkeit gesorgt. Wie kam es dazu?
Das ist meiner Feder entsprungen. Die Idee ist im Trainingslager entstanden, meine Teamkollegen und ich haben uns hingesetzt und ein kleines Drehbuch geschrieben. Umgesetzt und geschnitten habe es dann ich. Wir hatten eine Menge Spaß dabei. Wir hätten das aber nicht gemacht, wenn wir uns nicht sicher gewesen wären, das mit sportlichem Erfolg unterlegen zu können. Wenn der Erfolg nicht da ist, kann sowas nach hinten losgehen.
Einer der ganz wenigen Superstars der deutschen Leichtathletik ist Robert Harting. Wie würden Sie seine Rolle beschreiben?
Er war eine Zeit lang eine Leuchtturmfigur, auch für uns damals als U23-Athleten. Er war zur richtigen Zeit topfit und hat durch sein Auftreten medial den Nerv der Zeit getroffen. Das hat eine Reichweite für die Leichtathletik generiert, für die wir ihm alle dankbar sein können. Aber im nächsten Schritt geht es darum, neue Charaktere zu promoten.
Sie gehen ja relativ offensiv damit um, dass Sie das Ende Ihrer Leistungsfähigkeit noch nicht erreicht sehen. Wie weit kann es denn mit dem Speer noch gehen? Ist die Marke von 100 Metern ein realistisches Ziel?
Es gibt keine wirklichen Grenzen, nichts, was die Physik des Speeres aufhält. Insofern hilft es erstmal, sich mental keine Schranken aufzubauen. Vielleicht werfe ich am Ende 98 Meter, aber das Denken, dass 100 möglich wären, hat mir dabei geholfen, meine beste Leistung zu bringen.
Bei Ihrem Rekordwurf in Doha haben Sie fast einen Kameramann getroffen, der die Weite Ihres Wurfs offensichtlich unterschätzt hatte. Haben Sie Angst, dass das mal passieren könnte?
Ich kenne einen Athleten, Tero Pitkämäki (Weltmeister 2007, d.Red.), dem einmal das Unglück widerfahren ist, einen Weitspringer getroffen zu haben. Das sind Dinge, die keinem Werfer passieren wollen. Deshalb muss natürlich dafür gesorgt sein, dass das Feld geräumt ist, dafür gibt es Regularien. In dem Sinne: Angst habe ich nicht, aber eine gewisse Vorsicht trägt man in sich.
Sie trainieren manchmal mit Streichhölzern. Was soll das bringen?
Das ist im Wintertraining entstanden. Nach einem harten Krafttraining kam mein Coach mit einer Packung Streichhölzer zu mir und sagte: ‘Komm, wir werfen die jetzt.’ Ich war erstmal erstaunt, habe aber festgestellt, dass es erstaunlich gut geht. Die Herausforderung dabei ist, dass der Muskel, der schon ermüdet ist, noch einmal ganz gefühlvoll arbeiten muss. Das Gefühl kann man damit wirklich schulen.
Und Sie kommen tatsächlich 32 Meter weit?
Das ist der offiziell gemessene Rekord (lacht). Wer das mal ausprobieren möchte: Suchen Sie sich einen windstillen Ort, drehen Sie den Zündkopf nach vorne und fassen Sie das Streichholz leicht angewinkelt zwischen Daumen und Zeigefinger an. Dann denken Sie sich eine gute Flugbahn aus, und auf genau die schicken Sie das Zündholz.
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