Olympia: Björgen weint nach Olympiasieg bittere Tränen
Marit Björgen weinte im Ziel hemmungslos. Während Norwegens Fans den ersten Triumph von "Königin Marit" bei den Winterspielen in Sotschi bejubelten, kullerten der Ausnahme-Langläuferin Tränen tiefer Trauer über die Wangen.
Sotschi – Einen Tag vor dem olympischen Skiathlon war der Bruder ihrer Teamkollegin Astrid Jacobsen unerwartet verstorben. Das norwegische Team stand auch nach Björgens Triumph in der ersten Langlauf-Entscheidung unter Schock.
"Meine Gedanken sind bei Astrid und ihrer Familie, es ist unglaublich schmerzhaft. Der Tag gestern war unglaublich hart, aber Astrid wollte, dass wir an den Start gehen", sagte die nun viermalige Olympiasiegerin. Am Samstagmorgen hatte das Olympische Komitee Norwegens den Tod von Jacobsens Bruder mitgeteilt. Die 27-Jährige war nicht für einen Start im Skiathlon vorgesehen. Ob sie Sotschi vorzeitig verlässt, blieb zunächst offen.
Im Athletenzelt hinter der Ziellinie lagen sich die vier Norwegerinnen um Björgen schluchzend in den Armen und spendeten sich Trost. Das Ergebnis eines packenden ersten Rennens geriet zur Nebensache. "Es ist unglaublich schwer für alle von uns. Man findet in diesen Situationen schnell heraus, dass die Skier nicht das Wichtigste im Leben sind", sagte die viertplatzierte Therese Johaug.
Björgen, die in Sotschi sechsmal Gold holen will, hatte ihre Rekordjagd zuvor standesgemäß begonnen. Das 33 Jahre alte Kraftpaket aus Trondheim lag nach 2x7,5 km und 38:33,6 Minuten 1,8 Sekunden vor der Schwedin Charlotte Kalla, Bronze ging an die Norwegerin Heidi Weng (+13,2).
Beste der enttäuschenden deutschen Läuferinnen war die Oberstdorferin Nicole Fessel, die nach starkem Beginn noch auf Platz 14 zurückfiel. Ein Desaster erlebte Rückkehrerin Claudia Nystad, die Doppel-Olympiasiegerin war nach Platz 43 völlig bedient. "Dies war einer der schwärzesten Tage für mich. Es ist das erste Mal, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll", sagte die 35-Jährige: "Wir werden jetzt so tun, als sei das nicht passiert."
Die traurige Triumphatorin Björgen kann in Sotschi zur erfolgreichsten Athletin der Winterspiel-Geschichte und im Idealfall zum erfolgreichsten olympischen Wintersportler überhaupt werden. Mit dreimal Gold in Sotschi würde Björgen nach ihrem Triple von Vancouver in der "ewigen" Bestenliste an der führenden Russin Ljubow Jegorowa vorbeiziehen, die 1992 und 1996 sechsmal im Langlauf triumphiert hatte.
Mit einem historischen Sechsfach-Erfolg in Sotschi würde Björgen nicht nur ihren Landsmann und achtmaligen Olympiasieger Björn Dählie als erfolgreichsten Wintersportler der Geschichte ablösen, sondern auch die Bestmarke des US-Eisschnellläufers Eric Heiden auslöschen, der 1980 in Lake Placid fünf Goldene gewann.
Vor rund 10.000 Zuschauern, darunter gewohnt viele norwegische Schlachtenbummler, lief Fessel von Beginn an ein mutiges Rennen und hielt als einzige der vier Deutschen mit der Spitzengruppe Schritt. Kurz vor dem Ski- und Stilwechsel zur Halbzeit, musste auch Fessel abreißen lassen – zu brutal war das Tempo, das die Skandinavierinnen vorlegten.
Auf den beiden Freistil-Runden lief Björgen ein dosiertes Rennen – Körner sparen angesichts ihres olympischen Mammutprogramms hieß die Devise. Kurz vor dem Ziel attackierte Kalla, nur Björgen folgte – und spielte im Spurt ihre ganze Stärke aus.
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