Interview

Martin Schmitt: "Karl Geiger ist auf Kurs"

Skisprung-Ass Karl Geiger ist einer der Goldfavoriten TV-Experte Marin Schmitt, früher selbst Weltmeister und Olympiasieger, spricht in der AZ über die Spiele in Peking: "Sie werden einen anderen Charakter haben".
Thomas Becker |
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In Top-Form nach dem Januar-Loch: Karl Geiger nimmt bei den Olympischen Spielen die Medaillen in Angriff. Experte Martin Schmitt traut ihm dies zu.
In Top-Form nach dem Januar-Loch: Karl Geiger nimmt bei den Olympischen Spielen die Medaillen in Angriff. Experte Martin Schmitt traut ihm dies zu. © picture alliance/dpa

München - AZ-Interview mit Martin Schmitt: Der 44-Jährige holte im Skispringen mit der Mannschaft bei Olympischen Spielen einmal Gold und zweimal Silber.

Olympia in Peking: Spiele mit anderem Charakter

AZ: Herr Schmitt, in Abwandlung des alten Sponti-Spruchs könnte man derzeit sagen: ‚Stell dir vor, es ist Olympia, und keiner geht hin'. Wie groß ist Ihre Vorfreude auf diese in vielerlei Hinsicht speziellen Spiele in Peking?
MARTIN SCHMITT: Man wünscht sich natürlich Spiele, bei denen man vor Ort sein kann, wo kein Corona ist. Ich glaube, dass die sportliche Qualität hoch und der Reiz gegeben sein wird. Wenn man alle Störfaktoren ausblendet, kann man sich auf tollen Sport freuen. Aber natürlich werden die Spiele einen anderen Charakter haben.

Martin Schmitt: Olympia 1998 in Nagano atemberaubend

1998 in Nagano waren Sie erstmals bei Olympia - und nun erstmals nicht vor Ort?
In Sotschi war ich nicht dabei. Und jetzt werde ich im Eurosport-Studio in Unterföhring sitzen.

Was waren Ihre schönsten, stimmungsvollsten Spiele?
Am besten in Erinnerung ist mir Vancouver. In Nagano war eine gigantische Stimmung in den Stadien, die Japaner waren damals richtig gut im Skispringen, eine Wahnsinnsatmosphäre, da kriege ich jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Wir haben aber nicht im Olympischen Dorf gewohnt, sondern in einer Art Skihütte in Hakuba, irgendwo im Wald. Da war nix. Es gab schon Internet, aber eigentlich nicht nutzbar. Man hatte noch keinen Laptop dabei, hat gar nichts mitgekriegt. An der Schanze waren so Terminals, wo man einzelne Events anschauen konnte: Erst da hab' ich den legendären Hermann-Maier-Abflug gesehen. Andere Wettkämpfe außer unseren haben wir nicht gesehen. Das war schon ein bisserl mau.

Martin Schmitt arbeitet mittlerweile unter anderem als TV-Experte.
Martin Schmitt arbeitet mittlerweile unter anderem als TV-Experte. © picture alliance/dpa/EUROSPORT

Wie war es 2002 in Salt Lake City?
Ähnlich. Wir haben nahe der Schanze gewohnt - da war nicht so viel Olympia. Das ein oder andere Eishockeyspiel und ein paar Rodelrennen haben wir immerhin gesehen. 2006 in Turin war nix fertig, überall Baustelle, das habe ich nicht gut in Erinnerung. Aber bei meinen letzten Spielen hat dann alles gepasst. Da hatten wir wirklich eine gute Zeit. Die Begeisterung der Kanadier für die Spiele war einfach da.

Schmitt: Tolle Schanze erwartet die Springer in China 

Wie gut kennen Sie die Skisprunganlage in China?
Nur vom Fernseher. Die ersten Wettbewerbe dort haben ja erst Anfang Dezember stattgefunden. Es muss eine tolle Anlage sein, sehr imposant, vielleicht etwas übertrieben in Ausmaß und Gestaltung. Man sollte gute Wettbewerbe erwarten können.

Gibt es eigentlich chinesische Skispringer?
Schon, aber bislang sind die kaum in Erscheinung getreten. Sie werden schon jemanden an den Start schicken, aber Finalchancen sehe ich da nicht.

Die Schanze ist für alle neu. Ist absehbar, ob sie dem ein oder anderen Springer eher liegen könnte?
Nein, aber man weiß ja, wie die modernen Schanzen gehen. Darauf kann man sich einstellen. Die Erfahrung zeigt: Wer in Form ist, kommt auf jeder Schanze zurecht. Für Karl Geiger ist es gar nicht schlecht, dass es auf der kleinen Schanze losgeht.

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Schmitt: Geiger und Eisenbichler für Peking in Topform 

Sie sprechen die Form an. Eine Skisprungsaison ist lang, oft legen Geiger & Co. los wie die Feuerwehr, fallen ausgerechnet zur Vierschanzentournee verlässlich in ein Formtief, um danach wieder an die Spitze zu springen - wie kriegt man solche Schwankungen in den Griff?
Man bereitet sich körperlich ganz gezielt auf das Großereignis Olympia vor. Ich denke schon, dass der Karl einer der Top-Favoriten ist. Muss er ja sein, wenn er im Gelben Trikot des Führenden im Gesamtweltcup anreist. Er ist auf jeden Fall in Top-Form. Das ganze Team hatte nach der Tournee das fast schon gewohnte Januar-Loch, hat sich aber schnell berappelt und ist jetzt wieder auf Kurs.

Was trauen Sie Markus Eisenbichler zu?
Er springt auch eine super Saison. Es fehlt meistens halt etwas ganz nach vorne, aber mit wenigen Ausnahmen ist er immer unter den besten Zehn, sehr konstant, kaum Ausreißer nach unten. Sein Symmetrieproblem scheint er besser im Griff zu haben. Er ist ein Typ, der immer volles Risiko geht, und das kann an so einem entscheidenden Tag natürlich auch mal voll aufgehen. Er ist schon für etwas Außergewöhnliches gut.

Coronaausbruch: Nachnominierung von Freund und Wellinger möglich 

Das Sprung-Team reist mit fünf Athleten an - was passiert, wenn einer oder zwei positiv getestet werden? Kann dann, wie unlängst bei der Handball-EM, der ein oder andere Springer nachnominiert werden?
Severin Freund und Andreas Wellinger wurde jedenfalls gesagt, dass sie sich bereit halten sollen. Wie genau das dann vor Ort ist, wie knapp vor dem Wettkampf das möglich ist, weiß ich nicht genau. Aber hoffen wir mal, dass alle gesund bleiben.

Beim Skispringen ist der Kopf sicher noch mal wichtiger als womöglich beim Langlauf - wie schafft man es, diesen ganzen Corona-Zinnober aus dem Oberstübchen zu verbannen?
Es ist ja nun schon die zweite Saison und fast zur Routine geworden, dass man testen muss, dass man schwitzt, dass bei einem nichts ist. Die Jungs wissen, dass das dazu gehört - und dass es mitten während der Spiele vorbei sein kann. Umso mehr werden sie versuchen, ihre Chance zu nutzen, wenn sie am Start stehen. Wer in der Situation hadert, hat schon verloren.

Schmitt: Olympia hält immer besondere Momente bereit

Hatten Sie früher bei Olympia noch mal so ein Extra-Kribbeln im Bauch?
Ich habe immer versucht, das zu nutzen. Egal ob WM oder Olympia: Ich habe es total gemocht, mich auf den Moment vorzubereiten. Es ist unglaublich, was man aus dem Körper rausholen kann, wenn man die Trainingssteuerung aus Belastung und Erholung optimal hinbekommt. Wenn man ganz ausgeruht ist und gezielt kleine Trainingsreize setzt, um sein Leistungsniveau noch mal zu pushen. Wenn das dann aufgeht und man sich auf das Ereignis hin tuned, ist das einfach eine tolle Erfahrung.

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