Kai und die knifflige Kiste: Flicks Optionen im Angriff
Al-Ruwais - Ein anerkennendes Kopfnicken, hochgezogene Augenbrauen - die englischen Reporter waren baff erstaunt nach Ende der Pressekonferenz am Freitagmittag im DFB-Quartier in Al Ruwais. "Wow! So ehrlich und meinungsstark, die Jungs", sagten sie zu ihren deutschen Kollegen. Offenbar sind sie von ihren heimischen Akteuren aus der Premier League anderes gewöhnt...
"Do-or-Die" gegen Spanien
Tatsächlich war der Auftritt des Dortmunders Julian Brandt und vor allem jener von Kai Havertz (FC Chelsea) in der Medienrunde beachtlich - andererseits: was bleibt ihnen übrig, als nach der 1:2-Pleite gegen Japan Klartext zu sprechen vor einem - wie die Briten sagen würden- "Do-or-Die-Match" am Sonntag (20 Uhr, ZDF und Magenta TV sowie im AZ-Liveticker) gegen Spanien? Alles oder Nichts.
Havertz: "Wir wissen, was wir können"
Es geht gegen Spanien im zweiten Gruppenspiel um das Verhindern des vorzeitigen WM-Ausscheidens. "Ich war die letzten Tage nicht sonderlich gut gelaunt", meinte Havertz, "aber wenn man das langsam verdaut, kommt die Vorfreude auf Sonntag. Wir wissen, was wir können. Jetzt geht es darum, das auf den Platz zu bringen."
Wenn es so einfach wäre. Auch, was Havertz selbst betrifft. Der 23-Jährige konnte gegen Japan nicht überzeugen, bekam als Neuner im Sturmzentrum wenig Bälle, hatte keine Torchance und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die öffentliche Schelte von Ilkay Gündogan ("Man hatte das Gefühl, dass nicht jeder den Ball unbedingt haben wollte") speziell ihm zugeschoben wurde.
Havertz: "Wir haben diskutiert, hatten einen sehr guten Austausch"
"Es war konstruktive Kritik von Ilkay", meinte Havertz, "ich kann die Jungs verstehen. Wir haben darüber gesprochen. So eine Kritik tut der Mannschaft auch gut, weil wir uns weiterentwickeln. Da ist keiner sauer."
Auch Brandt betonte: "Wir haben besprochen, was wir nicht gut gemacht haben. Wir haben diskutiert, hatten einen sehr guten Austausch. Wir sind alle mit dem Gefühl aus der Besprechung gegangen, dass wir das Spiel gewinnen wollen."
Wohin mit Havertz?
Zurück zu Havertz, dessen Positionierung im zweiten Spiel für Bundestrainer Hansi Flick zum Spielchen Kai und die knifflige Kiste werden könnte. Wohin mit dem Champions-League-Sieger mit Chelsea des Jahres 2021? Wieder als Neuner aufstellen? Doch eher nach links mit dem Rechtsfuß? Oder auf rechts? Gar auf die Bank? Was auch davon abhängt, ob Leroy Sané (Knieprobleme) rechtzeitig fit wird. Am Freitag war sein Knie noch bandagiert, er wärmte sich mit Ball auf, das Teamtraining absolvierte er aber noch nicht.
Havertz: "Ich habe die Verpflichtung, Tore zu schießen"
"Die Positionsfrage nervt mich mittlerweile echt, muss ich sagen", entgegnete Havertz, "jeder weiß jetzt mittlerweile, dass ich flexibel einsetzbar bin, dass ich auf der Nummer neun spielen kann, dass ich auf der Nummer zehn spielen kann, dass ich rechts spielen kann, dass ich links spielen kann." Er bekräftigte: "Ich gebe Gas, egal wo es im Endeffekt ist."
Havertz gab den Reportern Nachhilfe. Als Zehner sei man "ein bisschen besser im Spiel integriert", erklärte der Ex-Leverkusener, "du musst andere Räume finden als auf der Nummer neun. Aber wie gesagt: Ich kann da vorne wirklich viele Positionen spielen."
Er wolle "wieder mein Bestes geben und der Mannschaft helfen". Da bewirbt sich aber einer. Zehn Tore in 32 Länderspielen ist keine überragende Ausbeute für einen Offensivspieler.
Havertz weiß, "dass du als Stürmer die Verpflichtung hast, Tore zu schießen. Das habe ich gegen Japan jetzt nicht gemacht". Und daher überlegt Flick intensiv, Müller die Rolle als vorderster Stürmer zu geben. Havertz wäre es ganz recht.