Hedos, Passfälscher und Dr. Tod: Neues Buch über die 100 Eishockey-Meister in Deutschland
München - Der erste Held des Münchner Eishockeys hieß: Adi Fischer, Siegtorschütze im Finale 1922. Diese und unzählige weitere Geschichten hat die "Eishockey News" für ihr neues Buch "100 Meister - Geschichte der deutschen Eishockeymeisterschaften" recherchiert. Die AZ stellt die besten und skurrilsten Episoden daraus vor...
Münchner Eishockey-Helden
Sechsmal seit 1912 ging der Titel nach München. Schon in der sechsten Austragung überhaupt, im Jahr 1922, gewann der MTV 1879 - nur der erwähnte Fischer traf damals gegen den Berliner Schlittschuh-Club, der bis dahin jeden Titel gewonnen hatte.
Auch das erfolglose Bundesliga-Gastspiel des FC Bayern - samt Räumungsverkauf nach Augsburg - Ende der 1960er Jahre gehört zur deutschen Eishockey-Geschichte.
Als Serikow von Müller-Wohlfahrt fit gespitzt wurde
Tragisch erging es dem EC Hedos: Als bayerisches Superteam konzipiert, holten Didi Hegen, Gerd Truntschka & Co. 1993/94 die Meisterschale und feierten mit OB Christian Ude auf dem Rathausbalkon. In der Folgesaison, umbenannt in Maddogs, kam der Konkurs nach 27 Spielen.
Die 1999 in München installierten Barons holten in der ersten Saison den Titel. Alexander Serikow hätte fast die Playoffs verpasst, doch er wurde "von Bayern-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt mit Kälberblut und Bienengift fit gespritzt". Serikow erzielte im Finale das Siegtor.
Die jüngsten Erfolge holte der EHC Red Bull München von 2016 bis 2018. Trainer Don Jackson zum Titel-Hattrick: "Es gab eine klare Hierarchie. Es hieß: Entweder du führst - oder du folgst."
Weiß-blaue Eishockey-Dominanz
40 Titel haben bayerische Teams erobert. Bis in die 70er Jahre ging die Meistertrophäe - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nach Berlin oder in den Freistaat. Danach lockten Teams aus Nordrhein-Westfalen die Stars mit so viel Geld, dass die Spieler sogar monatelange Sperren in Kauf nahmen.
Alois Schloder berichtet, dass der EV Landshut 1975/76 einen kompletten Spieleretat von 80.000 Mark hatte - und dass die Kölner Haie Superstar Erich Kühnhackl für 600.000 Mark loseisten. Der Stürmer wurde am Rhein zweimal Meister und holte nach seiner Rückkehr mit Freund und Nachbar Schloder 1983 den Titel nach Landshut.
In den DEL-Jahren (seit 1994) gewann außer dem EHC nur ein bayerischer Klub den Titel: der ERC Ingolstadt. Leitwolf Patrick Köppchen, der einst für die München Barons (mit der Casting-Pop-Band "No Angels" als Pausenprogramm) sein Debüt gab, berichtet nach dem spektakulärsten Titelgewinn der DEL-Historie, dass sogar die eigenen Fans das Team totgesagt hatten.
Doch der ERC zog ins Finale 2013/14 ein, das im siebten Spiel entschieden wurde. "Wir waren mental extrem fit, nachdem wir zuvor durch so viel Scheiße gegangen waren. Wir haben uns unantastbar, unbezwingbar gefühlt."
Windige Eishockey-Stadien
Vom Hobbysport mit Holzschlägern zum Profibetrieb mit hochmodernen Arenen. Mehr Komfort, weniger Romantik. Lothar Sigl, Chef der Augsburger Panther, versteht, dass Fans das alte Stadion liebten: "Nur, es war von drei Seiten offen und an der Spielerbank sind die Wasserflaschen eingefroren. Wenn der Wind bei Schneefall ungünstig stand, hat es aufs Eis geweht. Ich vermisse das alles nicht."
Nach Augsburgs Renovierung sind nun alle Arenen geschlossen. Der Umsatz der DEL beträgt in normalen (nicht-Corona) Jahren rund 130 Millionen Euro.
Eishockey-Skandale
Da gab es viele! Insolvenzen, die Trikot-Werbung des ECD Iserlohn im Jahre 1987 für das "Grüne Buch" von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi, die absichtliche 0:28-Pleite des ESV Kaufbeuren (1959/60) gegen Bad Tölz, um gegen die Ansetzung von drei Spielen in einer Woche zu protestieren.
Der Verband verurteilte den Klub "wegen Missachtung des Sports" zu einer Strafe von 500 Mark. Unvergessen der Passfälscherskandal: In der Saison 1980/81 kauften Klubs falsche deutsche Pässe für Spieler aus Nordamerika, gedruckt wurde in der Essener Kneipe "Schlüsselloch". Der Betrug flog auf, dem Kölner EC und dem DSC Kaiserberg wurden dafür Punkte abgezogen.

Eishockey im Dritten Reich
Rudi Ball war einer der besten Spieler seiner Zeit. Sein Vater war Jude, weshalb der Bronzemedaillengewinner von Olympia 1932 in der Nazi-Zeit das Land verließ. Weil das Regime bei den Spielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen Erfolg haben wollte, umwarb es Ball, der dem Einsatz im Trikot mit dem Hakenkreuz zustimmte - dafür durfte seine Familie aus Deutschland ausreisen.
Ball blieb bis 1943 in der Liga aktiv und traf dort auf Aribert Heim. Der Verteidiger und SS-Mann war wegen Kriegsverbrechen im KZ Mauthausen später auch als "Dr. Tod" bekannt.