Harting: Bach ist "Teil des Doping-Systems"
Kienbaum - "Er ist für mich Teil des Doping-Systems, nicht des Anti-Doping-Systems. Ich schäme mich für Thomas Bach", sagte der Olympiasieger von London am Dienstag in Kienbaum. Bach habe kurz vor Beginn der Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) "keinerlei Interesse, den Schmerz" der sauberen Athleten "zu fühlen".
Nach der Entscheidung des IOC mit Bach an der Spitze sei für Harting ein Stück die "Welt untergegangen. Und ich kann das eigentlich nicht verstehen."
Das IOC und Bach haben "eine neue Enttäuschungsdimension erreicht", sagte der 31 Jahre alte Berliner, die Entwicklungen der vergangenen Tage, ein russisches Team trotz der Beweise für ein systematisches und staatlich geschütztes Dopingsystem nach Rio zu lassen, sei "einfach peinlich".
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Er habe sich schon gefragt, ob Bach als IOC-Präsident "noch tragbar ist. Aber ich alleine werde da nichts verändern können." Nur eine "Allianz aus Wirtschaft, Medien und Politik" könne Bach stürzen. Dass die russischen Leichtathleten im Gegensatz zu Athleten anderer Sportarten international weiter gesperrt sind, bezeichnete Harting als "richtige Maßnahme. Das ist vielleicht ein Weckruf."
IOC-Präsident Thomas Bach hat scharf auf die Kritik des deutschen Diskus-Stars Robert Harting an seiner Person reagiert. "Es ist eine nicht akzeptable Entgleisung, wenn man jemanden, der nicht der eigenen Meinung ist, in derartiger Art und Weise beleidigt", sagte Bach am Dienstag in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
London-Olympiasieger Harting hatte zuvor sein Unverständnis darüber geäußert, dass das Internationale Olympische Komitee nicht die komplette russische Mannschaft von den Sommerspielen in Rio de Janeiro ausgeschlossen hatte. Dem IOC-Chef Bach hatte er die Hauptschuld daran gegeben. "All diejenigen, die so argumentieren, sollten berücksichtigen, wie viele diesen Entscheidungen zugestimmt haben. Kontinentalverbände, Athletenkommissionen; in der IOC-Exekutive war die Entscheidung einstimmig bei einer Enthaltung", kommentierte Bach. "Es gibt hier unterschiedliche Meinungen. Das muss man akzeptieren, das muss man austragen. Aber es ist nicht hinnehmbar, jemanden so zu beleidigen."
Am Sonntag hatten Bach und sein Exekutiv-Komitee trotz der Enthüllungen im McLaren-Report der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA beschlossen, ein russisches Team unter bestimmten Auflagen für die Spiele an der Copacabana zuzulassen.
Dafür hagelte es für Bach internationale Kritik, zumal die IOC-Ethikkommission der Doping-Whistleblowerin Julija Stepanowa den Start als "neutrale Athletin" in Rio verwehrte. Das sei "echt traurig", sagte Harting. Zwar habe die 800-m-Läuferin der Leichtathletik mit ihrer Dopingvergangenheit "Schaden zugefügt. Aber der Schaden, den sie von der Leichtathletik abgewendet hat, ist viel größer."
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Allerdings wäre ein Start Stepanowas ein "Schlag ins Gesicht von Wladimir Putin gewesen", meinte Harting, der in einer Stiftung mithilft, Geld für die ins Ausland geflüchtete Kronzeugin zu sammeln. Russlands Präsident Putin gilt als Vertrauter Bachs. Diese Verbindung sei für einen Start Stepanowas nicht gerade hilfreich gewesen, sagte Harting und brachte eine Schadenersatzklage durch die Russin ins Spiel.
Olympia-Vorbereitung in Kienbaum
Harting selbst bereitet sich derzeit in Kienbaum intensiv auf Rio vor, nachdem er kurz nach dem Saisonende 2014 im Training einen Kreuzbandriss im linken Knie erlitten und die komplette Saison 2015 verpasst hatte.
Wegen eines Muskelfaserrisses im Brustmuskel und einer Entzündung im rechten Knie musste er zudem im Frühling im Training kürzer treten. Trotzdem peilt der Weltmeister von 2009 bis 2013 wieder Gold an.
"Die anderen Jungs kochen auch nur mit Wasser - hoffentlich", sagte Harting, der mit 68,06 m hinter seinem Dauerrivalen und Weltmeister Piotr Malachowski (68,15) aus Polen und seinem jüngeren Bruder Christoph (68,06) im Moment die Nummer drei der Welt ist.