Interview

Golfer Martin Borgmeier im Interview: "Longdrive ist kein barbarisches Hau-Drauf"

Der Münchner Golfer Martin Borgmeier ist ein König der weiten Abschläge. Im AZ-Interview erklärt der 1,94-Meter-Hüne, was sein Sport etwa mit Hammerwerfen oder Kugelstoßen zu tun hat.
Thomas Becker |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Gruppenbild mit Golf-Legenden: Tiger Woods, Martin Borgmeier und Bryson DeChambeau (von links).
Gruppenbild mit Golf-Legenden: Tiger Woods, Martin Borgmeier und Bryson DeChambeau (von links). © privat

München - AZ-Interview mit Martin Borgmeier: Der 29-jährige Golfer aus München hat sich auf extrem weite Abschläge (Longdrives) spezialisiert.

AZ: Herr Borgmeier, Sie sind Longdriver, also ein Spezialist für die weiten Abschläge beim Golf. Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal einen Putter in der Hand gehabt?
MARTIN BORGMEIER: Ha! Da muss ich überlegen. Ich glaube: vor ein paar Wochen in der Wohnung von Bryson DeChambeau.

Dem US Open-Sieger 2020, mit dem Sie zusammenarbeiten.
Wir haben zu Jahresbeginn in Dallas die Content-Creation-Gruppe Regecy gegründet - und dann stand ich zu Hause bei ihm auf dem Putting Green.

Können Longdriver wirklich nicht putten?

Wie gut sind Sie als Putter?
Dass Longdriver nicht putten können, ist ein Trugschluss. Mein Putting ist gar nicht so schlecht. Bei meinem Golfen hapert es an anderen Sachen, die ich nicht trainiere, zum Beispiel Distanzkontrolle, alles zwischen 50 und 140 Metern, was ich nicht per Augenmaß machen kann.

Wann haben Sie zuletzt eine ganze Runde gespielt?
Irgendwann letztes Jahr. Ich würde nie meine Zeit so priorisieren, um allein auf den Platz gehen. Ich habe Frau und Kind zu Hause, verbringe so viel Zeit mit Training, tüftele an so viel Schlägermaterial - so eine Runde dauert einfach zu lange. Das bedeutet nicht, dass ich das nicht mag.

Mit neun Jahren kam er zum Golfsport

Wann und wie sind Sie zum Golf gekommen?
Mit neun hat mich mein Papa mit auf eine Driving Range genommen: Fand ich mega! Ich hab' gleich den ersten Ball getroffen und wollte das unbedingt machen. Ich weiß noch genau: Donnerstags war Jugend-Training beim Golf, Messdienern und Basketball - ich musste mich entscheiden. Stellen Sie sich vor, ich wäre Messdiener geworden - da würden wir jetzt nicht miteinander sprechen! (lacht)

Erst Golf, dann Basketball

Bis 16 haben Sie leistungsmäßig Golf gespielt, dann ging's zum Basketball. Wie kam's?
Das war schon immer meine absolute Leidenschaft. Für meine Bachelor-Arbeit bin ich von Paderborn nach Erlangen gezogen und habe beim TB Erlangen fünf Jahre lang Bayernliga gespielt. Parallel habe ich angefangen, an meinem Körper zu arbeiten, denn wer erst mit 16 anfängt, ist nicht so gut wie die Kids, die das von klein auf machen. Ich musste mich irgendwie körperlich durchsetzen.

Daher das Vorbild Blake Griffin (Basketballer).
Genau. Durch diese Kombination aus körperlicher Stärke und den frühen Golf-Skills ist der Ball ganz schön weit geflogen. Im Job habe ich Vertrieb gemacht, war nah am Kunden, dann haben die mitgekriegt, dass ich Golf gespielt habe und gesagt: ‚Bring doch mal dein Bag mit!' Das lag verstaubt im Keller, irgendwann haben mich die Kollegen vom Golfclub Fürth bei der Deutschen Meisterschaft im Longdrive angemeldet, wo ich mit rund 330 Metern den längsten Ball des Tages gespielt und Zweiter geworden bin - obwohl ich im Finale alle Bälle ins Aus gehauen habe.

Ins Aus?
Der Ball muss in einem 40 Meter breiten Korridor landen. Von der Länge her hätte ich den Konkurrenten um 60 Meter geschlagen. In dem Moment war mir klar: Ich versuche das!

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Longdrives: "Nicht nur barbarisches Hau-Drauf"

Ist der Longdrive-Abschlag so anders als ein normaler?
Ja. Es ist viel mehr Dynamik im Schwung. Seit den vergangenen Jahren gibt es viel mehr Anerkennung für unseren Sport, auch dank Spielern wie Bryson DeChambeau, der gemerkt hat: Okay, einzelne Longdrive-Prinzipien können auch für Weltklasse-Golfer Sinn ergeben. Es ist nicht nur das barbarische Hau-Drauf, sondern sehr technisch, sehr zahlengetrieben. Das Ziel ist: physikalisch die bestmöglichen Abflugdaten für meinen Ball erzeugen. Geschwindigkeit maximieren, perfekter Abflugwinkel mit der perfekten Spin-Rate.

Sie haben sich ja den schönsten Moment rausgesucht: nicht die Fummelei, bis der Ball ins Loch plumpst, sondern diesen irren Sound, wenn man beim Abschlag voll trifft.
Der Sieges-Putt bei einem großen Turnier ist sicher auch sehr emotional, aber der Weg ist anders. Eine Golfrunde geht ewig, man versucht, das Adrenalin gleich zu halten, im Longdrive heißt es: Saug alles auf und nutze es! Es ist viel explosiver, näher an einer Olympischen Sportart wie Hammerwerfen, Kugelstoßen oder Speerwurf.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Martin Borgmeier will den Weltmeister-Gürtel

Hierzulande hat Ihr Weltrekord für Aufsehen gesorgt: ein Schlag mit 373 km/h. . . .
Der Rekord wurde vor ein paar Wochen von einem Amerikaner gebrochen, um 2,4 km/h. Jetzt bin ich dran, den wieder zu schlagen. So hab' ich's viel lieber: Dass da eine Dynamik ist, dass wir uns battlen. Aber noch lieber als den Weltrekord hätte ich gern im Oktober den Weltmeister-Gürtel. Letztes Jahr bin ich Dritter geworden, die beiden Jahre davor fiel alles aus. Bei vier US-Turnieren 2021 bin ich Erster, Dritter, Zweiter und Dritter geworden. War eine gute Saison.

Sie verteilen 110 Kilo Muskeln auf 194 Zentimeter. Wie trainieren Sie?
Es ist ein Zusammenspiel des kompletten Körpers: Kniebeugen, Kreuzheben, Klimmzüge, Schulter- und Bankdrücken. Die Arme kommen am Ende. Sieht toll aus, hilft aber nur mittelmäßig viel. Es sind die großen Muskeln im Körper, die den Schwung schnell machen. Es geht vor allem um Explosivkraft, weniger um 25 Wiederholungen. Viel Gewicht schnell bewegen. Und genau timen, wann mein Speed peakt. Ich habe ja nur den einen Wettkampftag.

Die Wetterbedingungen spielen eine große Rolle

Wie sieht so ein Wettkampf aus?
Bei uns spielen die Bedingungen eine große Rolle, je nach Wind. Deswegen kann ich auch gar nicht sagen, was mein weitester Ball war. Bei der WM mit 16 Spielern geht der Wettkampf über vier Tage: vier Spieler gleichzeitig auf der Tee-Box, unterschiedliche Ballfarben, in zweieinhalb Minuten schlagen wir sechs Bälle, der längste zählt.

Sechs Bälle in zweieinhalb Minuten ist flott.
Alle 22 Sekunden: Ja, da muss man schon Gas geben!

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.