WM: Löw-Team im Spiel des Lebens zum großen Pokal
Santo André - Auch die "brandgefährliche Offensive" um Weltstar Lionel Messi, auf die Joachim Löw sein erfahrenes Team um Kapitän Philipp Lahm besessen vorbereitet, soll den deutschen Tor-Express nicht mehr auf der letzten Etappe zum vierten WM-Titel aufhalten.
"Wir wollen mit aller Macht versuchen, den Pokal mit nach Deutschland zu nehmen", versprach der als Linksverteidiger verblüffende Benedikt Höwedes den euphorischen Fans in der Heimat, die den Anpfiff des Endspiels am Sonntag im Estádio Maracanã ebenfalls herbeisehnen. Spätestens nach dem 7:1 gegen Brasilien glauben wohl alle daran, dass die schon 18 Jahre währende Titel-Durststrecke seit dem EM-Triumph 1996 in England am 13. Juli 2014 beendet wird.
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"Die Mannschaft ist richtig heiß", berichtete Löws Assistent Hansi Flick. Nach 33 Tagen löst der riesige DFB-Tross am Freitag das ruhige Stammquartier Campo Bahia auf. Zum Final-Countdown fliegt die Mannschaft nach einem letzten Geheimtraining in Santo André in die pulsierende brasilianische Millionen-Metrople Rio de Janeiro. "Es ist noch ein Spiel bis zu dem großen Pokal, den man hochhalten kann", sagte Flick.
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In Videoschulungen, Sitzungen und mit gedrosseltem Training bereitet Löw seine Mannschaft auf die angestrebte historische Krönung vor; noch keine Mannschaft aus Europa ist in Südamerika Weltmeister geworden. Für Torjäger Miroslav Klose liegt der Schlüssel zum vierten Titelgewinn nach 1954, 1974 und 1990 wie beim Jahrhundertspiel im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien in einem Gemeinschaftswerk. "Es geht nur über die Truppe", betonte der 36-Jährige.
Für eine finale magische WM-Nacht muss der 54-jährige Löw, der seine achtjährige Amtszeit als Chefcoach ebenfalls toppen und sich in die Ruhmesreihe der deutschen Weltmeister-Trainer Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer einreihen möchte, einen letzten Masterplan entwickeln. "Mit kluger Taktik, Einsatz und Willen wollen wir das Spiel für uns entscheiden", kündigte Assistent Flick an.
Löw kann aller Voraussicht nach die zuletzt so starke Stammelf aufbieten. Auch Mats Hummels behindert eine leichte Knieblessur nicht mehr entscheidend. Oder überrascht der Bundestrainer personell noch mal? "Jeder muss versuchen, im Finale etwas Neues zu machen, etwas Entscheidendes", sagte Klose: "Das wird ein sehr taktisches Spiel."
Große Geheimnisse bergen beide Teams eigentlich nicht. Deutschland ist nach der Halbfinal-Gala der Favorit, aber Argentinien hat im Turnierverlauf etliche Willenssiege aneinandergereiht. "Es ist ein WM-Finale, da kommt ein Brocken auf uns zu", sagte Toni Kroos. Der Münchner hat sich in Brasilien zu einer Kapazität im deutschen Spiel aufgeschwungen.
"Unser Mittelfeld ist bei dieser WM immer sehr dominant", schwärmte Löw vom Kraftzentrum, in dem sich Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira an der Seite von Kroos ins Turnier gebissen haben. Die Mannschaft hat in den mehr als 40 Tagen seit dem Start ihrer Titelmission am 21. Mai mit dem Trainingslager in Italien eine enorme Entwicklung durchlaufen. "Was sich in den sieben Wochen von Südtirol bis hier getan hat, ist ein Wahnsinn", sagte Flick staunend.
Vieles, wenn nicht alles, dreht sich bei Argentinien um den viermaligen Weltfußballer Messi, der wie vor vier Jahren in Südafrika beim deutschen 4:0-Erfolg im Viertelfinale wieder auf dem Rasen leiden soll. Der vierfache Turniertorschütze ist der Schlüsselspieler beim Gegner, ihn gilt es vor allem zu stoppen. "Die Nummer 10 bei Argentinien war schon immer gefährlich, das war Maradona und ist jetzt Messi", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. "Messi kann Spiele im Alleingang entscheiden", warnte Klose.
Na und! Deutschland hat Thomas Müller (5 Tore), der wie 2010 nach der Torjägerkrone greift. Deutschland hat WM-Rekordschütze Miroslav Klose (16 Treffer). Deutschland hat Manuel Neuer, den Giganten im Tor. Und Deutschland hat eine Generation von Nationalspielern um Lahm, Klose, Schweinsteiger, Mertesacker, die nach mehr als 100 Länderspielen und mehreren vergeblichen Anläufen endlich als goldener Jahrgang vor den Augen der Weltöffentlichkeit triumphieren will.
Das "beschissene" Gefühl, am Sonntagabend bei der Siegerehrung einem jubelnden Messi mit dem Weltpokal zusehen zu müssen, mögen sich Klose und Co. gar nicht ausmalen. Ohne den rund 6,2 Kilogramm schweren Weltpokal will keiner am Montag die Heimreise antreten. "Wir brauchen eine Topleistung, um Weltmeister zu werden", sagte Kroos. 300 000 Euro Titelprämie winken jedem der 23 Akteure, 25,6 Millionen Euro würde der DFB als Preisgeld vom Weltverband kassieren. Der Ruhm, wieder führend in der Welt zu sein, wäre ungleich wertvoller.