"Wenn du ängstlich bist, darfst du nicht hinfahren"

ARD-Reporter Bernd Schmelzer spricht im Interview über den Terror von Paris und die Rückkehr nach Saint-Denis.
von  Patrick Strasser
Bernd Schmelzer bei einer Aufnahme für die ARD.
Bernd Schmelzer bei einer Aufnahme für die ARD. © az

München - Der 50-Jährige Bernd Schmelzer arbeitet als TV-Kommentator und Sportreporter für die ARD. Mit der Abendzeitung hat er über die Situation und die Terrorangst während der EM gesprochen.

AZ: Herr Schmelzer, als Reporter für die ARD kehren Sie heute ins „Stade de France“ von Paris Saint-Denis zurück. Am 13. November letzten Jahres, als Paris von Terrorattacken heimgesucht wurde, haben Sie fast die gesamte Nacht dort verbracht. Wie fühlt sich diese Dienstreise nun an?
BERND SCHMELZER: Ein wenig mulmig ist mir schon. Ich bin gespannt, was die Rückkehr in mir auslöst. Es war eines der merkwürdigsten Erlebnisse, die ich in 20 Jahren als Nationalelf-Reporter hatte.

Kommen jetzt, je näher das Gruppenspiel gegen Polen rückt, die Bilder in Ihren Kopf zurück?
Ich hatte mir vorgenommen, hierher zur EM zu kommen und alle Erinnerungen so gut es eben geht auszublenden. Aber das ist mir nicht gelungen, vor allem wegen all der Fragen an die Spieler zu diesem Thema, die wir Reporter ja selbst stellen, um unsere TV-Beiträge zu machen.

Welche Momente rund um das damalige Freundschaftsländerspiel gegen die Franzosen vor sieben Monaten sind Ihnen am präsentesten?
In erster Linie ein Geräusch. Dieser Knall nach der Detonation nur wenige Meter außerhalb des Stadions. Dann die Bilder, wie die Menschen in Panik zurück in die Arena und dann auf den Rasen gerannt sind. Vor dem Spiel bin ich mit meinem Kamera-Team auch noch ganz in der Nähe der Frittenbude vorbei, an der sich der eine Attentäter in die Luft gesprengt hat. Wir sind durch denselben Eingang, an dem er ins Stadion wollte. Das fühlt sich dann im Nachhinein schon komisch an. Unheimlich.

Wie haben Sie damals überhaupt erfahren können, was in der Stadt und am Stadion wirklich passiert ist?
Man hat nicht viel mitbekommen, erst nach und nach wirklich begriffen, dass das ein Terroranschlag war. Häppchenweise kamen die Infos über Twitter.

Sie mussten aber weiter arbeiten damals. Die ARD blieb lange auf Sendung – auch nach dem Schlusspfiff.
Ich habe versucht, irgendwie zu funktionieren, meinen Job zu machen. Für die BR-Rundschau habe ich TV-Interviews gemacht. Nebenbei habe ich permanent der Familie und Freunden geschrieben, dass bei mir alles in Ordnung ist. Da kamen ja ständig besorgte SMS rein. Später fiel mir ein: Ich bin gar nicht dazugekommen, mich zu fragen: Wie komme ich hier im Ernstfall bei einer Massenpanik eigentlich raus?

Wann war der Spuk, zumindest im Stadion, für Sie vorbei?
Ich hatte viel zu tun und habe daher erst mit der letzten Gruppe das Stadion verlassen. Am nächsten Tag war ich noch bis 19 Uhr in der Stadt.

Mit welchen Gefühlen und Gedanken sind Sie nun auf die Reise nach Paris gegangen?
Sehr positiv. Es bringt ja nichts, sich zu viele Sorgen zu machen. Wenn du ängstlich bist und labil, dann darfst du da nicht hinfahren. Man sollte dennoch wachsam sein, niemals leichtsinnig. Wenn wir am Freitag wieder zurück in Évian sind, kann man einen Haken dran machen. Ok. Alles gut gegangen.

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