Alfons: "Wir Franzosen lieben die Verlierer und Betrüger"
Der 49-jährige Comedian Emmanuel Peterfalvi hat die Kunstfigur des rasenden Reporters Alfons, eines Klischee-Franzosen, geschaffen. Am 15./16. Dezember tritt er im Lustspielhaus in München auf.
AZ: Monsieur Petervalfi, wie weit geht bei Ihnen als französischem Comedian, der die Kunstfigur Alfons erschaffen hat, der in Deutschland lebt, die deutsch-französische Freundschaft?
EMMANUEL PETERFALVI (Alfons): Ich erleb’ sie jeden Tag, wenn ich die Leute treffe und mir alte Omis liebevoll angesichts des orangenen Augenschmauses einer Jacke anbieten, eine neue zu stricken. Das ist gelebte Freundschaft. Das ist wichtiger, als wenn sich Hollande und Merkel treffen und so tun, als würden sie sich mögen. Ich lebe seit 25 Jahren in Deutschland. Freiwillig! Das muss man bei einem Franzosen hier stets dazu sagen.
Geht die Freundschaft so weit, dass Deutschland den Titel holen darf?
Es darf nicht nur, Deutschland wird gewinnen. Es ist alles arrangiert, Franz Beckenbauer hat das Geld schon überwiesen, Frankreich hat die Liquidität nötig. Das ist eine Win-Win-Situation. Et voilà.
Das Sommermärchen 2006 in Deut-schland war wohl gekauft, Uefa-Boss Platini ist wegen Bestechlichkeit gesperrt. Korruption kennt keine Grenzen. Oder?
Das mit dem Sommermärchen war nur eine Neuigkeit für euch Deutsche, die ihr glaubt, dass es Unrechtmäßigkeit nur bei anderen gibt. Bei uns ist das anders. Einen Politiker zu schmieren, ist das Normalste. Wenn man bei uns vier kauft, kriegt man den fünften umsonst. Bei euch musste Präsident Wulff wegen 743 Euro zurücktreten, bei uns ist Sarkozy im Verdacht, zwölf Millionen Euro veruntreut zu haben. Das ist bei uns kein Hinderungsgrund, um Politiker zu werden. Im Gegenteil.
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Beim Sommermärchen hat die Welt gelernt, dass Deutsche lachen können. Was wird man über Frankreich lernen?
Nur die Deutschen denken, dass sie nicht lachen können. Aber mir ist das recht, ich verdiene mein Geld damit, dass ihr glaubt, euch muss jemand das Lachen beibringen. Zu Frankreich: Man wird sehen, wir wollen nicht gewinnen. Der Franzose hat ein gestörtes Verhältnis zu Siegern. Wir lieben die Verlierer, die Betrüger. Ich kenne nicht einen Franzosen, der sich auf die EM Freude hat. Wir nehmen das wahr und denken, da sind viele Kameras, da kann man bei der Regierung was erreichen, wenn wir lange genug streiken. Wir lieben Streiks, besonders, wenn das Wetter schön ist.
„Ihr braucht Helden. Ihr sollt den Fußball haben, wir nehmen die Frauen“
Wie etwa bei der WM 2010, als das Team gegen Nationalcoach Domenech streikte.
Ein glanzvoller französischer Moment! Ist es nicht toll, wenn Frankreich seine Werte, die Dinge, die es am besten kann, für alle Welt sichtbar ehrenvoll nach außen trägt?
Um die Jahrtausendwende war Frankreich das Nonplusultra im Fußball, was ist danach passiert?
Sie haben die Frage falsch gestellt. Die Frage ist nicht: Was ist danach passiert? Sondern: Was ist passiert, dass wir gut waren? Vielleicht eine Krankheit, das ist nicht restlos geklärt. Erfolg ist was für euch. Ihr braucht Helden. Ihr sollt den Fußball haben, wir nehmen die Frauen.
Das hat selbst Präsident François Hollande mit seiner Geliebten-Affäre bewiesen.
Hollande fährt durch Paris auf einem Roller zu seiner Geliebten, einer Schauspielerin, und das Liebesnest gehört Kriminellen. Das stelle man sich in Deutschland vor! Das wäre so, als würde Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Bodyguard auf dem Gepäckträger sitzend zu ihrem Lover, Til Schweiger, fahren und die Wohnung würde Uli Hoeneß gehören.
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Einen Sexskandal gab es auch im französischen Team. Benzema hat einen Teamkollegen mit einen Sextape erpresst.
Französischer geht es nicht! Man stelle sich nur vor, wie gut die Stimmung in dieser Kabine sein muss.
Sie sprachen Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Wie hat man in Frankreich ihre Willkommenskultur wahrgenommen?
Jahrelang habe ich die Deutschen befragt, was sie an Merkel mögen. Immer hieß es, die macht das toll. Aber keiner konnte sagen, was sie macht. Dann, eines Tages, entdeckt sie eine Haltung, eine Meinung. Sie erinnert sich, dass Europa Werte hat. Ich hatte davon mal in der Schule gehört, hatte das aber, wie alle, vergessen. Dann steht Merkel für dieses Europa der Werte ein. Ich wäre sehr stolz auf meine Kanzlerin. Aber was macht ihr? Jetzt, wo sie eine Haltung hat, findet ihr sie plötzlich doof. Ganz verstehen kann man die Deutschen nicht.
Wir haben Sie persönlich die Attentate im November in Frankreich erlebt?
Es war ein fürchterlicher Schock. Terror ist für uns Franzosen nichts Neues, schon zu meiner Schulzeit wurden Taschen auf Bomben kontrolliert, aber die Anschläge jetzt wurden auf Restaurants, Cafes, Konzerte verübt. Unseren Lebensstil. So leben wir, so wollen wir leben. Man merkt, dass die Menschen ängstlicher sind. Aber ich denke, wir müssen so leben als hätten wir keine Angst, selbst, wenn wir welche haben. Ich selber kenne über eine Ecke zwei Menschen, die an diesem Tag im Bataclan waren, wo das Massaker verübt wurde. Sie sind beide tot. Aber wir dürfen deswegen nicht unsere Werte verlieren.
„Der liebe Gott sagt: Das Experiment mit den Menschen ist gescheitert“
Liberté, Égalité, Fraternité – ist das in seiner Aussage aktueller denn je?
Wäre es, aber ich bin pessimistisch. Sonst könnten Parteien wie Le Pen nicht solchen Zulauf haben. Die Leute wenden sich dem Hass zu. Dabei muss man nur in die Geschichte schauen, um zu wissen, dass es der falsche Weg ist. Ich fürchte, dass der liebe Gott da oben sitzt und denkt: Das Experiment mit den Menschen ist gescheitert. Seit Jahrhunderten versuche ich, ein Ersatzteil zu schaffen, das alles in Ordnung bringt, aber ich krieg’s nicht hin. Wer kann noch helfen, wenn nicht ich?