Interview

Vor Endspiel gegen Deutschland: 1860-Legende Gábor Király - "Wir können die Großen ärgern"

Die Partie Deutschland gegen Ungarn hat Endspielcharakter. Torhüter-Ikone Gábor Király spricht über das Duell und die WM von 1954.
Matthias Eicher
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"Ich habe 26 Jahre lang alles für meine Karriere gegeben und bin dankbar dafür. Jetzt hat ein anderes Kapitel begonnen", sagt der frühere ungarische Nationalkeeper Gábor Király, der 2016 seine Karriere beendet hat.
"Ich habe 26 Jahre lang alles für meine Karriere gegeben und bin dankbar dafür. Jetzt hat ein anderes Kapitel begonnen", sagt der frühere ungarische Nationalkeeper Gábor Király, der 2016 seine Karriere beendet hat. © firo/AK

EM-GESPRÄCH mit Gábor Király. Der ehemalige Löwen- Keeper (2009 bis 2014) ist mit 108 Einsätzen ungarischer Rekord-Nationalspieler, mit seinem Einsatz 2016 ist er zudem der älteste Spieler, der bei einer EM gespielt hat (40 Jahre und 74 Tage).

AZ: Herr Király, Ihr Markenzeichen, die berühmt-berüchtigte Schlabberhose, hängt schon seit zwei Jahren im Schrank. Kribbelt es noch beim ältesten EM-Spieler aller Zeiten, wenn nun das Duell mit Deutschland ansteht?
Gábor Király: Ich spüre große Vorfreude. Aber bei mir selbst kribbelt es nicht mehr, nochmal in die Schlabberhose zu schlüpfen. Ich habe 26 Jahre lang alles für meine Karriere gegeben und bin dankbar dafür. Jetzt hat ein anderes Kapitel begonnen.

Wie ergeht es Ihnen, seit Sie nach Ihrer Zeit bei Hertha BSC und dem TSV 1860 in die ungarische Heimat Szombathely zurückgekehrt sind?
Danke, ganz gut. Ich habe mit meinem selbst gegründeten Verein und unserer Fußballschule sehr viel zu tun. Leider ist kürzlich mein Vater verstorben.

Unser herzliches Beileid.
Vielen Dank. Seit seinem Tod übernehme ich das Amt des Vereinspräsidenten. Eine Aufgabe, die viel zu früh für mich gekommen ist. Was mein Privatleben anbelangt, sollte ich mehr Sport machen (lacht). Natürlich verfolge ich meine alten Vereine wie Hertha BSC und die Löwen. Ich drücke allen die Daumen - und jetzt natürlich unserem Team.

Király: Remis gegen Frankreich war wie ein Sieg

Womit wir beim Thema wären: In einer Gruppe mit Frankreich, Portugal und den Deutschen hat sich Ungarn ein Finale erkämpft.
Ich würde sagen: Wir waren nicht gerade Favorit (schmunzelt). Aber wir sind auf jeden Fall für eine Überraschung gut, wie man gegen Frankreich gesehen hat. Das 1:1 war für uns wie ein Sieg! Nationaltrainer Marco Rossi hat eine sehr gute Mannschaft aufgebaut. Er hat einen klaren Plan. Wir sind stark, wenn alle füreinander das letzte Hemd geben.

Sie selbst haben 108 Länderspiele für Ungarn absolviert, sind mehrfach gegen die DFB-Mannschaft angetreten. Erzählen Sie mal von den Aufeinandertreffen.
Ich weiß noch sehr gut, dass wir mit 0:3 und 2:5 zwei Mal unter die Räder gekommen sind. Es war für mich immer eine große Ehre, mit deutschen Weltklasse-Spielern auf dem Rasen zu stehen, allen voran Lothar Matthäus. Ich durfte mich auch mit den besten Torhütern der Welt messen: 2004 in Kaiserslautern bin ich Oliver Kahn gegenübergestanden - und wir haben 2:0 gewonnen.

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Király: Deutschland gehört zu den Favoriten

Was erwarten Sie jetzt von der DFB-Elf?
Sie sind für mich mit Frankreich Favorit, nicht nur in der Gruppe, auch auf den EM-Sieg. Dass Jogi Löw nach der EM aufhört, kann einen ganz besonderen Teamspirit entfachen: Er wird bei seinem letzten Turnier, wenn er alles zum letzten Mal macht, nochmal alles in die Waagschale werfen. Hansi Flick ist für mich auch der richtige Mann danach. Es hat mich zwar gewundert, dass er bei Bayern aufhört, nachdem er alles abgeräumt hat. Aber als Löw-Nachfolger ist er die richtige Wahl.

Löw ist nach der Ausbootung von Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller Anfang 2019 zurückgerudert, hat Hummels und Müller für die EM doch wieder zurückgeholt . .
. . .und die Deutschen damit noch stärker gemacht. Diese Spieler sind von der Qualität, von ihrer Erfahrung her ganz wichtig. Ich denke auch nicht, dass es mit anderen Spielern, die schon auf einen Stammplatz geschielt haben, ein Problem gibt. Im Gegenteil: Deutschland kann von zwei Spielern, die schon so viel erlebt haben, wirklich nur profitieren.

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Springen wir von den Protagonisten auf dem Rasen zu den Fans auf den Rängen: Das Ferenc-Puskás -Stadion in Budapest war gegen Portugal und Frankreich mit über 60.000 beziehungsweise 55.000 Zuschauern nahezu ausverkauft, als einzige Spielstätte überhaupt bei dieser EM bisher. Die ungarische Regierung um Viktor Orbán steht daher international in der Kritik. Was sagen Sie dazu?
Ich war jahrzehntelang Sportler und möchte nur über den Sport sprechen. Was ich sagen kann: Ich hatte das Gefühl, dass unser Ministerpräsident versucht hat, die Corona-Krise so gut es geht zu meistern - und so schnell wie möglich wieder Normalität einkehren zu lassen.

"Es war für mich immer eine große Ehre, mit deutschen Weltklasse-Spielern auf dem Rasen zu stehen", sagt Gábor Király.
"Es war für mich immer eine große Ehre, mit deutschen Weltklasse-Spielern auf dem Rasen zu stehen", sagt Gábor Király. © dpa

"Es ist auch eine große Aufbruchstimmung zu spüren"

Haben Sie keine Angst, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte?
Nein. Die Gesundheit der Menschen ist natürlich wichtig, ganz klar. Aber es zählen auch andere Dinge. Ich weiß aus unserer Fußballschule, was es bedeutet, wenn Kinder und Jugendliche keinen Sport ausüben dürfen: Sie bekommen große Probleme in ihrer Entwicklung, in ihrem Sozialverhalten. Von daher bin ich sehr froh, dass es unsere Regierung ermöglicht hat, dass wir alle wieder unserer Arbeit nachgehen können. Es ist auch eine große Aufbruchstimmung zu spüren: Wir Ungarn wollen wieder das tolle Gefühl der letzten EM haben, als wir es bis ins Achtelfinale geschafft haben. Das hat die Fans sehr glücklich gemacht. Jetzt hatten wir eine super Atmosphäre im Stadion. Es wäre schön, wenn wir wieder so einen Grund zur Freude hätten.

Zwei Titanen, Gábor Király und Oliver Kahn nach dem Länderspiel 2004, das Ungarn mit 2:0 für sich entschied.
Zwei Titanen, Gábor Király und Oliver Kahn nach dem Länderspiel 2004, das Ungarn mit 2:0 für sich entschied. © dpa

Die späte Rache für das verlorene WM-Finale 1954, als Ungarn gegen Deutschland haushoher Favorit war, wäre so ein Grund.
Das ist schon fast 70 Jahre her. Wir müssen das Spiel jetzt einfach genießen - und wir wissen: Wir können die Großen ärgern!

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