"Vogts und Klinsmann zu schlecht bewertet"
AZ: Herr Réthy, unsere Leser diskutieren eifrig über eine Rangliste, die wir anlässlich der Vertragsverlängerung von Joachim Löw erstellt haben: die Rangliste aller Bundestrainer.
BELA RÉTHY: Jetzt bin ich gespannt. Wer ist bei euch auf Platz eins?
Helmut Schön.
Richtig. Sehe ich auch so.
Als TV-Mann begleiten Sie die Nationalmannschaft seit Jahrzehnten und haben ab Franz Beckenbauer alle Bundestrainer persönlich und in vielen Gesprächen intensiv kennengelernt.
Damals war ich Assistent von Marcel Reif, es gab viele Begegnungen mit Beckenbauer, das stimmt. Der erste Bundestrainer, den ich dann als Kommentator kennengelernt habe, war Berti Vogts.
Unsere Rangliste ist: Schön, Herberger, Beckenbauer, Löw, Vogts, Derwall, Klinsmann, Völler, Ribbeck.
Die ersten drei haben Meilensteine gesetzt. Das passt. Aber Klinsmann ist zu schlecht bewertet. Platz sieben ist zu schlecht! Auch wenn er nicht den ganz großen Erfolg gehabt hat bei dem Sommermärchen und nicht Weltmeister geworden ist: Klinsmann war die Initialzündung für Veränderungen. Er war der, der die Dose geöffnet hat.
Lesen Sie hier: Das AZ-Ranking der Bundestrainer
Löw steht auf Platz vier.
Zu Recht! Wobei: Auf welchen Platz habt ihr Berti Vogts gesetzt?
Platz fünf – mit zwölf von 25 möglichen Punkten. Es gab drei Kriterien: Maximal 15 Punkte für Erfolge, 10 bei der Frage, wie stilbildend der Fußball war, bei der wie beliebt der Trainer war 5 Punkte. Die wurden dann addiert.
Berti Vogts auf fünf – kann man schon so sehen. Ich finde aber, dass auch er etwas zu schlecht wegkommt. Mit was für einem Lazarett er 1996 Europameister geworden ist! Da war ja die halbe Mannschaft verletzt.
Löw-Kritiker sagen, dass er zu gut bewertet wurde – weil er eben noch keinen Titel gewonnen hat. „Warum ist Löw vor Vogts? Berti hat immerhin einen Titel gewonnen”, schreibt @TobiasB09 auf Twitter. @MarcusBlumberg sagt: „Um Titel geht es ja in erster Linie.” Und @MiMue83 findet: „Platz vier ist zu viel für Löw. Seit Italien hat sein Ansehen schon gelitten.”
Die Frage ist doch: Was wollen wir? Geht es uns nur um Titel? Dann muss Löw runtergestuft werden, ganz klar. Oder aber wollen wir auch den Fernseher einschalten und 90 Minuten Spaß haben? Ich finde das schon. Die Nationalmannschaft macht mir wieder Freude.
Wenn Löw Weltmeister wird, würde er nach unserem Punktesystem auf Platz zwei rutschen, Beckenbauer und sogar Herberger überholen.
Sehe ich auch so. Nur an Schön käme er nicht vorbei.
Glauben Sie dran?
Ich bin skeptisch. Ich glaube nicht, dass dieser schöne Fußball, den Joachim Löw spielen lässt, dass dieser Stil ausreicht, um Weltmeister zu werden. Ich habe Bedenken.
Letzter der Rangliste ist Erich Ribbeck.
Leider. Er ist der vielleicht sympathischste Mensch, den ich je kennengelernt habe.
„Beckenbauer auf Platz 3? Nur wegen des Titels oder wegen Lichtgestaltgedöns? Wirklich weiterentwickelt hat er den Fußball nicht”, findet Twitterer @spielbeobachter.
(lacht) Beckenbauer muss auf Platz drei stehen, weil er Beckenbauer ist, das passt schon. Das ist Qualität per se.